Wie Taferlklassler bis Maturanten die Vergangenheit entstauben

Wie Taferlklassler bis Maturanten die Vergangenheit entstauben
Am „E-Learning Netzwerkprojekt 100 Jahre Republik Österreich“ haben sich mehr als 150 Schulen beteiligt.

"Hundert Jahre Republik sind hunderte Jahre Leben. Dafür sollten sich möglichst viele Schüler begeistern.“ Gedacht, getan. Mit der Pädagogischen Hochschule Burgenland und eEducation Austria entwickelte Walter Hermann also das „E-Learning Netzwerkprojekt 100 Jahre Republik Österreich“. Mit einer gemeinsamen Auftaktveranstaltung im Vorjahr, begleitenden Informationen für Lehrer und einem geplanten Abschluss-Festakt am 9. November sollten Heranwachsende „Geschichte spüren“.

Das Konzept ist schon jetzt aufgegangen: Mehr als 15.000 Kinder und Jugendliche in etwa 150 Schulen des Landes haben sich in über 400 Projekten mit der Vergangenheit beschäftigt – von Zeitgeschichte bis zu Dorfgeschichten, mit den politischen Parteien zwischen 1918 und 2018 und Demokratie, mit technischem Fortschritt und modischem Zuschnitt, mit Kunst, Literatur, Sport und Religion.

Aktives Tun für ein demokratisches Zusammenleben

„Die jungen Menschen sollen sehen, wie schön unser Leben in dieser friedvollen Zeit mit all ihren Errungenschaften ist“, sagt Hermann. Gleichzeitig sollen sie am Ende des Projekts an die Reichspogromnacht 1938 erinnert werden. Ein Völkermord wie an den Juden darf „nie, nie wieder passieren. Dafür tragen wir die Verantwortung“, sagt der Geschichte-Lehrer, mittlerweile in Pension.

„Im Burgenland sind wir sehr weit in Sachen E-Learning und Digitalisierung“, erklärt Inge Strobl-Zuchtriegl von der PH Burgenland den didaktischen Schwerpunkt des Projekts. In der Verknüpfung von Einst und Jetzt sollte stark auf moderne Medien gesetzt werden: Die Schüler produzierten Filme, recherchierten Fakten im Internet, verarbeiteten Daten und stellten ihr Projekt unter www.1918-2018.at vor. „Es war unser Part, die Lehrer dabei zu unterstützen“, sagt die Vizerektorin.

Mehr als 400 Projekte

Tatsächlich war die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht verstaubt – im Gegenteil: „Es ist alles unheimlich bunt geworden“, freut sich Hermann. Die verschiedenen Zugangsweisen und Ideen von Taferlklasslern bis zu Maturanten sind der Beweis:

Volksschulprojekt: Währung

 

Wie Taferlklassler bis Maturanten die Vergangenheit entstauben

 

Die 59 Volksschüler aus Deutsch Kaltenbrunn z.B. verschafften sich einen Überblick über die Währungen der Republik. Kronen, Schilling, Euro. „Geld ist aus der Lebenswelt der Kinder, sie bekommen Taschengeld, manche haben alte Münzen bei ihren Großeltern gesehen“, berichtet Direktorin Krista Höchtl. Am Ende des Tages gestalteten die Kinder gemeinsam mit einer Künstlerin individuelle Blüten.

Mittelschulprojekt: Zeitzeugin

 

Wie Taferlklassler bis Maturanten die Vergangenheit entstauben

 

Die NMS Santa Christiana in Wiener Neustadt lud mit Stefanie Monsberger eine Zeitzeugin ein. „Meine Oma ist Jahrgang 1921 und hier in die Schule gegangen“, erzählt der Mathe-Physik-Chemie-Lehrer Christian Fekete. Die alte Dame hatte ihre Spickzettel zu Hause vergessen, die Viertklässler ihre nicht gebraucht; sie waren gut vorbereitet und höchst interessiert. „Oma hat sich an die Fliesen im Eingangsbereich erinnert und an das Internat der damaligen Mädchenschule“, sagt der Enkel. Und daran, warum sie für Hitler die Hand zum Gruß erhob. „Das war die Zeit damals.“ Die 14-Jährigen dokumentierten den Besuch in einem Video mittels Tablet.

Gymnasiumprojekt: 32 Themen aus zehn Dekaden

Im Gymnasium Mattersburg befassten sich alle 32 Klassen über Monate mit der österreichischen Geschichte. „Jede Klasse hat sich eine Dekade ausgesucht. Es sind die verschiedensten Themen angeschnitten worden“, sagt die verantwortliche Historikerin Bernadette Hahnenkamp. Es ging um entartete Kunst wie um die Ära Kreisky, um das sportliche Wunderteam der 1920er-Jahre und um die Sexualität der 1960er. Die Siebentklässler haben „Bausteine der Republik“ zum Thema gemacht. „Sie haben u.a. das Belvedere und das Parlament am Computer modelliert, andere haben die historische Bedeutung der Gebäude erarbeitet“, beschreibt ACG-Lehrerin Viktoria Piribauer: „Die Schüler haben engagiert gearbeitet.“

Kulturschaffende und Schüler verhandeln Geschichte

Nicht nur „E-Learning Netzwerkprojekt 100 Jahre Republik Österreich“ machte Schule. Auch Kulturschaffende brachten sich in der Auseinandersetzung mit Gestern - Heute - Morgen ein. Unter dem Titel „Geschichte gemeinsam verhandeln. Jugendliche befragen 100 Jahre Republik Österreich“ förderte das Bundeskanzleramt 2018 österreichweit 30 Projekte:

So machten sich zum Beispiel Kärntner Mittelschüler Gedanken über Monarchie & Republik, Karikaturisten setzen ihre Schlüsselbegriffe um, die Ergebnisse sind im „Museum am Bach“ in Bleiburg zu sehen.

Tiroler Gymnasiasten hinterfragten im „Museum für Völker Schwaz“ wie sich andere Kulturen in Österreich verändert haben, sie fotografierten, die abstrakten Bilder auf Folie wurden im Museum montiert.

In Vorarlberg erarbeiteten Schüler das Thema Kriegsgefangenschaft, sie stöberten im „Montafoner Heimatmuseum“ und daheim nach Feldpost und anderen Relikten, um schließlich einen Ausstellungsbereich selbst zu gestalten. „Die Gespräche über Krieg, Gefangenschaft, Trauer, Wut waren wichtig“, sagt Daniela Vogt-Marent, Geschichtslehrerin an der MS Schruns-Dorf: „Das gab es nicht nur 1918 und 1938, wir konnten den Bogen bis ins Heute spannen.“

KulturKontakt Austria präsentiert alle 30 Projekte am 12. Dezember im Wiener „Haus der Geschichte Österreich“.

Kommentare