Wie Körpergröße die Gesundheit beeinflusst

Die Körpergröße beeinflusst das Risiko für bestimmte Krankheiten.
Thrombosen, Krebs und Diabetes hängen mit der Körpergröße zusammen. Die Ursachen sind meist unklar.

Die Menschen zeigen Größe. Sie wachsen. Die durchschnittliche Körperlänge hat im vergangenen Jahrhundert rapide zugenommen. Die lettischen Frauen überragen nun mit durchschnittlich 169,9 cm von Kopf bis Fuß den Rest der weiblichen Welt, bei den Männern sind die Niederländer mit 182,5 cm im Durchschnitt unerreicht.

Datenauswertungen belegen in regelmäßigen Abständen, dass immer wieder Wachstumsschübe um den Globus gehen. Sie lassen aber auch einen Zusammenhang zwischen Körpergröße und dem Risiko für bestimmte Krankheiten erkennen.

Jüngst haben schwedische Forscher herausgefunden, dass lange Beine die Thrombosegefahr deutlich erhöhen. Bengt Zöller und Kollegen von der Universität Lund in Malmö analysierten Daten von 2,5 Millionen Schweden. Sie verglichen die Zahlen von wehrpflichtigen Männern aus den Geburtsjahrgängen zwischen 1951 und 1992 sowie von Frauen, die zwischen 1982 und 2012 ihr erstes Kind geboren hatten. Innerhalb dieser Gruppen identifizierten sie zudem Geschwisterpaare, die sich in ihrer Größe unterschieden. So konnten sie ausschließen, dass familiäre oder Umweltfaktoren einen eventuellen Zusammenhang erklären.

Klein und gesund

Das Ergebnis war eindeutig: Die kleinsten Teilnehmer hatten das geringste Risiko für die Verstopfung der Venen durch ein Blutgerinnsel. Waren Frauen kleiner als 1,55 Meter, sank ihr Thromboserisiko um 69 Prozent verglichen mit dem von Frauen, die größer als 1,88 Meter waren. Bei den Männern, die kleiner als 1,60 Meter waren, sank das Risiko um 65 Prozent im Vergleich zu Männern über 1,90 Meter. Die Auswertung der Geschwisterdaten bestätigte die Befunde aus der Allgemeinbevölkerung: Größere Geschwister hatten ein höheres Thrombose-Risiko als ihre kleineren Schwestern oder Brüder.

"Es kann sein, dass es bei größeren Menschen mit ihren längeren Beinvenen einfach mehr Oberfläche gibt, an der es Probleme geben kann", versucht Zöller seine Erkenntnisse zu erklären. Auch die Schwerkraft könne mitverantwortlich sein: "In den Beinvenen großer Menschen gibt es einen höheren Schweredruck, der das Risiko erhöht, dass der Blutfluss sich verlangsamt oder vorübergehend zum Erliegen kommt."

Thrombosen entsteht prinzipiell dann, wenn sich in einem Gefäß – meist in einer Vene – ein Blutklumpen bildet. Löst sich der Blutpfropf und wird mit dem Kreislauf durch die Gefäße transportiert, kann er an verschiedensten Orten im Körper ein Gefäß ganz verschließen.

"Der Einfluss der Körpergröße auf das Thromboserisiko ist uns bekannt", bestätigt Univ.-Prof. Ingrid Pabinger-Fischer, Spezialistin für Blutgerinnung an der MedUni Wien die schwedische Arbeit. Insgesamt lassen verschiedene internationale Studien den Schluss zu, dass stattliche Menschen seltener an Herz-Kreislauf-Problemen leiden, dafür ein höheres Risiko für Krebs aufweisen als kleine Patienten. Ein hochtouriger Wachstumsmotor treibt die Entstehung von Brustkrebs, Eierstockkrebs, Dickdarmkrebs und schwarzem Hautkrebs an.

Klein und krank

"Bei Diabetes ist es umgekehrt. Da erhöht die kleine Körpergröße das Risiko einer Erkrankung", sagt Univ.-Prof. Alexandra Kautzky-Willer, Leiterin der Gender Medicine Unit der MedUni Wien: "Es gibt diese spannenden Zusammenhänge, sie sollten Auslöser für weiterführende Untersuchungen sein." Denn die Ursachen sind weitgehend unbekannt, fundierte Erklärungen fehlen. Daher solle man auch die aktuellen Ergebnisse nicht überinterpretieren.

Der beste Schutz der Gesundheit ist ein bewusster Lebensstil, er liegt in der eigenen Verantwortung. Der ist Kautzky-Willer: "Ob klein oder groß – Bewegung, Muskelaufbau, gesunde Ernährung und wenig Bauchfett sind wichtig. Nur auf die Größe zu schauen, ist zu wenig."

Die Tatsachen sind unübersehbar: „Die Größenzunahme in der jüngeren Vergangenheit ist natürlich sehr deutlich“, sagt Univ.-Prof. Michael J.M. Fischer, Leiter des Instituts für Physiologie an der MedUni Wien. „Hochkomplex“ wird es bei der Interpretation der Wachstumskurven. Liegt das Plus an Körperlänge eher in den Genen oder an Umweltfaktoren?
Das Erbgut hat es in sich: „Mindestens 200 Stellen im Genom sind an der Körpergröße beteiligt“, weiß Fischer: Nur bei riesigen bzw. winzigen Menschen gibt es auch Abweichungen in einem speziellen Gen. „Die überwiegende Mehrheit der Größenvariabilität ist genetisch bedingt.“

Doch mit der Veranlagung alleine ist der Wachstumsschub im vorigen Jahrhundert nicht erklärt. „In dieser Zeit sind keine wesentlichen genetischen Änderungen aufgetreten. Damit muss die beobachtete Größenzunahme an Umweltfaktoren liegen“, argumentiert Fischer und zitiert Einflussfaktoren aus einer Studie: Vor der Geburt sind es die Gesundheit und das Verhalten (wie Rauchen) der werdenden Mutter, später kommen sozioökonomische Bedingungen, Ernährung, chronische Krankheit oder Infektionen sowie psychischer Stress zum Tragen. Wie sehr sich jeder einzelne Faktor auf das Wachstum auswirkt, ist noch offen.

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