Wie ich (nicht) sterben will

Protokoll einer Beratung, die viel mit dem eigenen Leben zu tun hat.
Von Uwe Mauch

Ich werde sterben! Sie auch. So viel ist heute sicher. Wir wissen nur noch nicht wann, wo, warum und wie. Und wir hoffen: Wenn’s denn sein muss, bitte so sanft als möglich.

Haben Sie sich schon mit Ihrem eigenen Tod beschäftigt? Ich nicht. Zumindest nicht bis heute. Heute gehe ich ins Büro des Dachverbands Hospiz Österreich, um mich beraten zu lassen. Bezüglich einer Patientenverfügung. Und das wird alles andere als ein Vergnügen.

Was für eine Wortkreation!

Zuerst die kurze Einführung ins Thema von einer Sozialarbeiterin: Elfriede Kiefer hat dreißig Jahre lang für die Caritas gearbeitet. Jetzt engagiert sie sich ehrenamtlich für die Hospizbewegung. Hundert Menschen hat sie hier schon gegenüber sitzen gehabt: Die meisten sind 60 plus oder fortgeschritten krank. Wer jünger ist, arbeitet meist in einem Pflegeberuf.

Wie ich (nicht) sterben will
Elfriede Kiefer Jonanna Maetzl Hospiz
Was zu lernen ist: Es gibt zwei Arten von Patientenverfügung. Die Beachtliche (was für eine Wortkreation!) und die Verbindliche.

Ich sage gleich: Mich interessiert nur die beachtliche Patientenverfügung. Weil man diese ohne notarielle Beglaubigung abschließen kann. Die Hospiz-Frau nickt. Auch sie plädiert für diese Variante. Elfriede Kiefer sagt dann: "Die Patientenverfügung ist eine Kommunikationsbrücke zum künftig behandelnden Arzt." Den man unter Umständen nie persönlich kennenlernen wird. Weil die Patientenverfügung laut Gesetz erst in Kraft tritt, wenn man schon so hinüber ist, dass man nicht mehr kommunizieren kann.

Was für eine Vorstellung! Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass diese Beratung nicht mit herkömmlichen Beratungen zu vergleichen ist. Hier geht es ans Eingemachte. Und es kommt gleich noch viel dicker, viel intensiver.

Erdbeben im Gehirn

Herzstück der Patientenverfügung ist Punkt 5: Die medizinischen Behandlungen, die ich im Folgenden konkret beschreibe, lehne ich ab.

Hier übernimmt die Ärztin Johanna Maetzl die Beratung. Auch sie engagiert sich ehrenamtlich für die Hospizbewegung. Vor ihrer Pensionierung hat sie in Wiener Spitälern als Fachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin gearbeitet und dabei oft genug Menschen sterben gesehen.

Maetzl spricht ruhig, und doch lösen ihre Fragen ein kleines Erdbeben in meinem Gehirn aus. Ein Film beginnt zu laufen: Ich liege auf einer Intensivstation, röchle, leide, bin unheilbar krank. Ein unheilbarer Krebs frisst meinen Körper von innen auf. Albtraum und Realität verschwimmen. Schmerzen da, eine große Sehnsucht dort. Spricht zu mir ein Mediziner oder ist das gar schon der Sensenmann?

Was ich nicht will!

Plötzlich höre ich die Ärztin mir gegenüber sagen:

"Wollen Sie ganz am Ende wiederbelebt werden?"

"Künstlich beatmet?"

"Künstlich ernährt?"

"Operiert?"

Spontan denke ich: Das will ich nicht mehr! Wie auf dem Wunschzettel eines Autoverkäufers hake ich einen Punkt nach dem anderen ab. Bis Johanna Maetzl erklärt: "Wenn man Sie nicht weiter beatmet, können Sie ersticken. Und wenn man Sie nicht weiter ernährt, dann werden Sie verhungern."

Ersticken, verhungern. Will ich das wirklich? Andererseits: Will ich tatsächlich mit einer PEG-Sonde weiter am Leben erhalten werden? Nur zur Erklärung: Diese Ernährungssonde wird mithilfe eines Endoskops von außen durch Haut und Bauchwand in den Magen eingeführt. Weitere Details erspare ich Ihnen an dieser Stelle.

Blass und erschöpft

Die Ärztin wundert sich nicht über die plötzliche Stille im Zimmer: "Viele Menschen, die ich berate, gehen nach dem ersten Gespräch blass und erschöpft nach Hause. Manche kommen erst nach Monaten wieder, damit wir gemeinsam die Patientenverfügung aufsetzen."

Ich kann das jetzt gut nachfühlen. Zwei Dinge stimmen mich dennoch optimistisch. Zum einen: Eine Patientenverfügung ist nie in Stein gemeißelt. Sie kann jederzeit geändert werden, selbst in der Stunde des Todes, sogar per Handzeichen. Zum anderen: Sie soll am Ende nicht nur mich als Sterbenden entlasten, sondern auch die Ärzte und meine Angehörigen. Je klarer sie formuliert ist, umso beachtlicher und entlastender ist sie für die anderen.

Service der Hospizbewegung

Broschüre. Zur Erstinformation bietet der
Dachverband Hospiz Österreich eine Broschüre mit eingelegtem Formular. Bestellungen unter: dachverband@hospiz.at oder www.hospiz.at, auch telefonisch unter: 01/ 803 98 68 (Montag bis Freitag, 9–14 Uhr).
Beratungen. Kostenfreie Beratung von einer Sozialarbeiterin und einer Ärztin beim Dachverband in Wien 4, Argentinierstraße 2. Anmeldung erforderlich. Außerdem in den Hospizlandesverbänden und in den Patientenanwaltschaften in den Ländern.

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