Wenn der Kopf zerbricht

Wenn der Kopf zerbricht
Nicht nur Rennsportler kämpfen nach einem Unfall um ihr Leben.
Von Uwe Mauch

Ja, auch er habe die Medienberichte über den Skispringer Thomas Morgenstern und den ehemaligen Formel-1-Piloten Michael Schumacher mitverfolgt. Seine erste Reaktion nach dem Bekanntwerden der beiden folgenschweren Stürze: „Mein Gott, zwei weitere Menschen, die es getroffen hat.“

Wenn der Kopf zerbricht
epa000346657 German Formula One driver Michael Schumacher smiles during a ski race in the ski resort Madonna di Campiglio, Italy, Friday 14 January 2005. Traditionally the Ferrari team goes skiing with its drivers under the motto 'Wrooom' one week at the beginning of the new year. EPA/BENVENUTI

Und dann schossen ihm auch wieder die Bilder vom eigenen Unfall durch den Kopf. Der oberösterreichische Bauernsohn Leonhard Stummer war damals, im Dezember 2000, gerade einmal 21 Jahre alt, voller Tatendrang. Er war beruflich auf der Überholspur, hat mit viel Herzblut als technischer Zeichner gearbeitet, für eine Firma in Kirchdorf an der Krems, die landwirtschaftliche Geräte herstellte. Darüber hinaus fühlte er sich stark genug, nach Feierabend einem zweiten Job als Vertreter nachzugehen.

Der Sekundenschlaf

Wahrscheinlich war das zu viel des Guten. Auf der Heimfahrt von einer Weihnachtsfeier ist er nach Mitternacht am Lenkrad seines Wagens kurz eingenickt, der Wagen krachte auf der Westautobahn in einen vor ihm fahrenden Sattelschlepper.

Heute fehlt ihm jede Erinnerung an den Unfallhergang. Nur die ärztlichen Atteste kennt er: „Vier Rissquetschwunden an der Schädeldecke und eine auf der Stirn, ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, ein Lungenflügel gequetscht, der andere geprellt, rechter Ellbogen und linkes Sprunggelenk zersplittert, rechte Schulter geprellt.“ Und die Angabe der Polizei: „Ich hatte 0,0 Promille Alkohol im Blut.“

Stummer hatte Glück: Ein Freund von ihm, der auch auf der Feier war, kam kurz nach dem Crash zum Unfallort nahe der Abfahrt Amstetten, alarmierte sofort die Rettung, die war nach wenigen Minuten bei ihm. „Das Spital war ganz in der Nähe.“

Die drei Sonnen

Der junge Oberösterreicher lag sechs Tage lang im Koma. An das erste Aufwachen kann er sich nur vage erinnern: „Irgendwann habe ich die Augen geöffnet, und da habe ich drei Sonnen gesehen.“ Doch die drei Sonnen sollten für ihn schnell wieder untergehen. Die Ärzte haben ihn, weil er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz außer Lebensgefahr war, sofort in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt. Zwei Tage später, nach dem zweiten Aufwachen, verspürte Stummer Schmerzen im Rücken. Und seinen linken Fuß in Gips.

„Ich danke Gott, dass es nicht schlimmer kam“, sagt der gläubige Katholik heute. Denn er erholte sich erstaunlich gut. Nach zehn Tagen konnte er die Intensivstation in Amstetten verlassen, nach weiteren zwei Wochen startete er mit seiner ersten Reha.

Damals schon hätten ihm die Ärzte schonend beibringen wollen, dass er wahrscheinlich nie wieder normal arbeiten wird können.

Mit 21 will man das natürlich nicht wahrhaben. Ein halbes Jahr nach seinem Unfall hat er daher wieder als technischer Zeichner zu arbeiten begonnen. Ein kleines Wunder, wenn man bedenkt, dass die meisten Patienten nach einer derart schweren Kopfverletzung auf ständige Hilfe von anderen Menschen angewiesen sind.

Doch seine alte, an sich vertraute Arbeit hat ihn schnell überfordert: „Ich musste mich zu Mittag für eine Stunde niederlegen.“ Nach sechs weiteren Arbeitsversuchen beantragte er die befristete Invaliditätspension, seit 2007 ist Stummer Frühpensionist, der versucht, wieder ein Stück Normalität in sein Leben zu bringen. „Für diese Pension bin ich sehr dankbar, das ist nicht selbstverständlich.“

Ein Stück Normalität

Heute ist er 35, lebt in Wien und singt in einem professionellen Chor, dem Cantus iuvenis von André Comploi. Ein Mal pro Woche geht er zur Chorprobe. Jeder weitere Auftritt ist wohltuend fürs eigene Selbstvertrauen.

Zwei Partnerschaften hat er nach dem Unfall gehabt, erzählt er am Ende. Aber die haben nicht gehalten. Schade, wie er betont. „Denn ich sehne mich sehr nach einer festen Beziehung.“

Blutungen im Gehirn: Feuer am Dach

Das Schädel-Hirn-Trauma, oft mit SHT abgekürzt, ist weit verbreitet und doch wenig bekannt: Laut einer Erhebung der Österreichischen Gesellschaft für SHT wurden in Österreich zwischen 2000 und 2005 rund 77.000 Unfälle mit einem Schädel-Hirn-Trauma registriert.

Nur ein Bruchteil der Unfälle erwies sich als so folgenschwer wie die Stürze des Rennfahrers Michael Schumacher beim Skifahren im Dezember 2013 in den französischen Alpen oder des Skirennläufers Hans Grugger vor drei Jahren auf der Kitzbüheler Streif.

Grugger hat sich nach seinem Unfall beeindruckend ins Leben zurückgekämpft, gibt aber heute zu, dass er mit dem, was passiert ist, nie ganz abschließen wird können. Daher engagiert er sich als Ehrenpräsident in der Selbsthilfegruppe für SHT. Auch Michael Schumacher wird mit den Folgen seines Skiunfalls kämpfen müssen. So sagte Richard Greenwood, Hirnspezialist des University College in London, im Interview mit The Times: „Wenn Michael Schumacher aufwacht, wird er nicht mehr Michael Schumacher sein.“ Dass er nach drei Wochen immer noch im künstlichen Koma ist, ist ein Indiz dafür, das es sich um einen schweren Krankheitsverlauf handelt.

Man müsse sich den Kopf beim Aufprall wie einen Tennisball vorstellen, erklärt Nikolaus Steinhoff, ein erfahrener Facharzt für Neurologie.

Wenn der Kopf zerbricht
OA Dr. Nikolaus Steinhoff

Die Energie, die der Sturzhelm (sofern einer getragen wird) nicht absorbieren kann, trifft auf den Schädel und in weiterer Folge je nach Schwere des Aufpralls auf das Gehirn. „Treten Blutungen im Gehirn auf, ist bereits Feuer am Dach.“ Von einem leichten SHT spricht man übrigens bereits dann, wenn jemand die berühmten Sternderl nach einem Sturz als Fußgänger oder Radfahrer sieht. „Sie sind ein Anzeichen dafür, dass es im Gehirn plötzlich drunter und drüber geht.“

Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen können Patienten nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma ein Leben lang begleiten, erklärt Steinhoff, der neben seiner Arbeit in der Landesklinik Hochegg auch in der Selbsthilfegruppe aktiv ist.

Gegründet wurde die Gruppe von der Journalistin Sigrid Kundela, die sich seit vielen Jahren rührig um Patienten und deren Angehörige kümmert: „Vor allem die neuen Lebensumstände nach einer schweren Kopfverletzung machen zu schaffen.“

Wenn der Kopf zerbricht

Kundela weiß genau, wovon sie spricht. Sie wurde 1992 in ihrem Wagen von einem entgegen kommenden Fahrzeug gerammt und es ist ein Wunder, dass sie noch am Leben ist. Ein wenig stolz erzählt sie, dass sich auch der Skifahrer Hans Grugger über gute Tipps von ihr gefreut hat.

Infos: 0664 / 323 3 626. Selbsthilfegruppe für SHT

Blutungen im Gehirn, Feuer am Dach

Das Schädel-Hirn-Trauma, oft mit SHT abgekürzt, ist weit verbreitet und doch wenig bekannt: Laut einer Erhebung der Österreichischen Gesellschaft für SHT wurden in Österreich zwischen 2000 und 2005 rund 77.000 Unfälle mit einem Schädel-Hirn-Trauma registriert.

Nur ein Bruchteil der Unfälle erwies sich als so folgenschwer wie die Stürze des Rennfahrers Michael Schumacher beim Skifahren im Dezember 2013 in den französischen Alpen oder des Skirennläufers Hans Grugger vor drei Jahren auf der Kitzbüheler Streif. Grugger hat sich nach seinem Unfall beeindruckend ins Leben zurückgekämpft, gibt aber heute zu, dass er mit dem, was passiert ist, nie ganz abschließen wird können. Daher engagiert er sich als Ehrenpräsident in der Selbsthilfegruppe für SHT. Auch Michael Schumacher wird mit den Folgen seines Skiunfalls kämpfen müssen. So sagte Richard Greenwood, Hirnspezialist des University College in London, im Interview mit The Times: „Wenn Michael Schumacher aufwacht, wird er nicht mehr Michael Schumacher sein.“ Dass er nach drei Wochen immer noch im künstlichen Koma ist, ist ein Indiz dafür, das es sich um einen schweren Krankheitsverlauf handelt.

Man müsse sich den Kopf beim Aufprall wie einen Tennisball vorstellen, erklärt Nikolaus Steinhoff, ein erfahrener Facharzt für Neurologie. Die Energie, die der Sturzhelm (sofern einer getragen wird) nicht absorbieren kann, trifft auf den Schädel und in weiterer Folge je nach Schwere des Aufpralls auf das Gehirn. „Treten Blutungen im Gehirn auf, ist bereits Feuer am Dach.“ Von einem leichten SHT spricht man übrigens bereits dann, wenn jemand die berühmten Sternderl nach einem Sturz als Fußgänger oder Radfahrer sieht. „Sie sind ein Anzeichen dafür, dass es im Gehirn plötzlich drunter und drüber geht.“

Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen können Patienten nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma ein Leben lang begleiten, erklärt Steinhoff, der neben seiner Arbeit in der Landesklinik Hochegg auch in der Selbsthilfegruppe aktiv ist.

Gegründet wurde die Gruppe von der Journalistin Sigrid Kundela, die sich seit vielen Jahren rührig um Patienten und deren Angehörige kümmert: „Vor allem die neuen Lebensumstände nach einer schweren Kopfverletzung machen zu schaffen.“

Kundela weiß genau, wovon sie spricht. Sie wurde 1992 in ihrem Wagen von einem entgegen kommenden Fahrzeug gerammt und es ist ein Wunder, dass sie noch am Leben ist. Ein wenig stolz erzählt sie, dass sich auch der Skifahrer Hans Grugger über gute Tipps von ihr gefreut hat. Infos: 0664 / 323 3 626. Selbsthilfegruppe für SHT

Kommentare