Wie eine Weltklasseathletin die Epilepsie besiegt hat

Welttag des Gehirns: Eine Radrennfahrerin aus New York und Neurologen treten Vorurteilen entgegen.
Von Uwe Mauch

Die Funktionäre des US-Radsportverbands sagten zu ihr "No", sprachen von einem zu großen Risiko. Denn Marion Clignet ist einer von 50 Millionen Menschen weltweit, die schon einmal einen epileptischen Anfall erlitten haben.

Die Radrennfahrerin aus New York erinnerte sich daher ihrer französischen Wurzeln. Und durfte dann im Dress der Trikolore zeigen, was in ihr steckt. Von 1991 bis 2000 holte sie für die Grande Nation mehrere Weltmeistertitel auf der Bahn sowie zwei olympische Silbermedaillen, in Atlanta und in Sydney.

Noch immer Vorurteile

Heute arbeitet Clignet als Trainerin, und sie engagiert sich für einen vorurteilsfreien Umgang mit Menschen, die so wie sie an Epilepsie leiden. Das ist auch dringend notwendig, wie Mediziner der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie anlässlich des heutigen Welttags des Gehirns (22. Juli) betonen. "Es ist eine Erkrankung, über die man nicht gerne spricht", weiß der Innsbrucker Neurologe Gerhard Luef. " Kaum jemand traut sich, offen zu sagen, dass er schon einmal einen epileptischen Anfall erlitten hat."

Die Angst sei berechtigt: Lehrer, die betroffene Kinder nicht auf Ausflüge mitnehmen wollen, und Arbeitgeber, die sich vor einem epileptischen Anfall des Mitarbeiters fürchten, sind noch immer allgegenwärtig. Umfragen haben außerdem gezeigt, dass sich die Mehrheit der Eltern gegen eine Beziehung ihres Kindes mit einem Betroffenen ausspricht.

"Menschen mit Epilepsie sind nicht geisteskrank", betont Luef. "Ihre Krankheit sagt auch nichts über ihre Intelligenz aus. Sie kann jeden von uns ereilen."

Martha Feucht von der MedUni Wien erläutert: "Es geht um die Krampfschwelle im Gehirn." Werden dort Zellen schwach, kommt es zu einer kurzfristigen Entladung wie bei einem Blitzschlag. "Wir gehen davon aus, dass einer von zehn Menschen eine niedrige Schwelle geerbt hat, und dass einer von zwanzig Menschen einen epileptischen Anfall erleidet."

Die Zahl der chronisch Betroffenen wird in Österreich auf etwa 80.000 geschätzt, pro Jahr kommen 3000 hinzu.

Besonders gefährdet sind Kleinkinder bis zum zweiten Lebensjahr sowie ältere Menschen ab 65. Die gute Nachricht: Mit Medikamenten können heute laut Feucht zwei Drittel der Erwachsenen gut eingestellt werden.

Gleichzeitig hat sich die Erfolgsquote bei medizinischen Eingriffen signifikant verbessert. "Bei Operationen versuchen Chirurgen, jene Zonen im Gehirn zu lokalisieren, in denen die Anfälle ausgelöst werden." Die Zentren für Motorik und Sprachen sollen dabei möglichst unangetastet bleiben.

Die amerikanisch-französische Radrennfahrerin Marion Clignet ist keine Ausnahme, betonen die Neurologen. Die meisten Menschen mit Epilepsie können heute ein weitgehend beschwerdefreies Leben führen. Wenn ärztliche Ratschläge gehört und gesetzliche Vorgaben erfüllt werden, können sie ohne Bedenken Auto fahren.

Auch von einer geplanten Schwangerschaft raten die Ärzte nicht mehr automatisch ab. Dabei sei allerdings große Vorsicht geboten. Gerhard Luef: "Sowohl Anfälle als auch bestimmte Medikamente können erhebliche Risiken für das Kind bergen."

Menschen mit Epilepsie

Von den Frequenzen der TV-Geräte und Computer drohe kaum Gefahr. Die Reizüberflutung bei Computerspielen und spezielle Lichteffekte (Sonnenlicht durch Bäume, künstliches Licht bei Konzerten) können zwar zu fotosensibler Epilepsie führen. Die ist aber laut Experten selten.

Angst vor einem epileptischen Anfall muss niemand haben. Passanten können de facto wenig falsch machen (siehe Erste Hilfe links). Und noch eine Bitte der Neurologen: "Menschen mit Epilepsie" sei der veralteten, diskriminierenden Bezeichnung "Epileptiker" vorzuziehen.

Erste Hilfe

Ein epileptischer Anfall ist kein Grund zur Panik, erklären die Neurologen. Wichtig sei, dass man rund um den Patienten rasch eine Ruhezone errichtet. Vor Aktionismus wird gewarnt. Oft lösen sich die Krämpfe (es gibt 70 verschiedene Arten von Epilepsie) schnell. Vor allem, wenn der Krampf länger anhält, soll man die Rettung verständigen.

Alle Krankheitsbilder

Über alle neurologischen Krankheitsbilder informiert die Österreichische Gesellschaft für Neurologie auf ihrer Homepage.

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