Zigaretten: Sozialmediziner für höhere Preise

Steigt der Preis für Zigaretten um nur ein Prozent über die Inflationsrate, geht der Konsum bereits um 0,5 Prozent zurück, so ein Experte der MedUni Wien.
Experte Kunze: Konsum würde zurückgehen. Lungenärzte warnen aber vor Schmuggelzigaretten.

30 Prozent der rund 2,3 Millionen RaucherInnen in Österreich gelten als hochgradig tabakabhängig und sollten sich, so ExpertInnen der MedUni Wien in einer Aussendung, professionell behandeln lassen. Davon betroffen wären rund 690.000 Menschen. Laut dem renommierten Sozialmediziner Univ.-Prof. Michael Kunze, Experte zum Thema Rauchen am Zentrum für Public Health der MedUni Wien, wäre eine Preiserhöhung auf Tabakwaren eine sehr effektive Maßnahme: „Stiege der Preis für Zigaretten um nur ein Prozent über die Inflationsrate, würde es weltweit zu einer Konsumreduktion von 0,5 Prozent kommen.“

„Wir waren an der MedUni Wien auch mit die Ersten, die diese Problematik über die Preispolitik lösen wollen und das auch wissenschaftlich evident belegen können“, unterstreicht Kunze anlässlich des Welt-Nichtrauchertags am kommenden Sonntag (31.5.). Diese Maßnahme sei aber nur dann sinnvoll, wenn sie zumindest europaweit bzw. in der Europäischen Union (EU) umgesetzt werde. Jetzt sei die Politik gefordert, noch stehe dem aber die total unterschiedliche Preispolitik in den einzelnen EU-Ländern im Weg.

Oraltabak "Snus" als Aufhörhilfe?

Gleichzeitig fordert der MedUni Wien-Sozialmediziner ein effektives Programm für eine Nikotinersatztherapie, analog zum „Methadon-Programm“ für Heroinabhängige. Behandlungsmöglichkeiten seien zwar verfügbar, hätten aber das Stigma einer Medikamenten-Therapie. „Viele RaucherInnen betonen, sie wollen keine Medikamente einnehmen, weil sie sich nicht krank fühlen. Wenn die Ersatztherapien ohne Rezept zugänglich wären, etwa über Drogerien, würde das Programm viel besser wirken“, betont Kunze und verweist auf das schwedische Programm mit dem luftgetrockneten Oraltabak „Snus“, bei dem das Nikotin über die Mundschleimhaut in die Blutbahn gelangt.

Dadurch, dass dabei keine Schadstoffe entstehen, die bei der Verbrennung des Tabaks beim Rauchen entstehen, gilt „Snus“ als gesundheitlich weniger bedenklich. Kunze: „In Schweden wurden dadurch die Lungenkrebsraten um 50 Prozent gesenkt.“ Internationale Studien haben gezeigt, dass der Konsum rauchlosen Tabaks um bis zu 95 Prozent weniger gefährlich ist als das Rauchen. In der EU ist der gewerbliche Verkauf von „Snus“ mit Ausnahme von Schweden allerdings verboten. Der Erwerb selbst ist ab einem Alter von 18 Jahren allerdings legal.

Positive Effekte schon nach wenigen Tagen

Die möglichen negativen Folgen jahrelangen Tabakkonsums sind objektiv belegbar: Tabakkonsum ist die größte Einzelursache für Erkrankungen und vorzeitige Todesfälle in Europa, rund 90 Prozent der Todesfälle bei Lungenkrebs werden durch das Rauchen verursacht, dasselbe gilt für 75 Prozent der Todesfälle im Rahmen von chronischer Bronchitis und anderen Atemwegserkrankungen. Zudem ist Zigarettenrauchen an der Entstehung von Bauchspeichel-, Nieren- oder Gebärmutterhalskrebs beteiligt.

Dass das Aufhören schnell positive Ergebnisse zeitigt, ist auch belegbar: „Schon wenige Tage nach der letzten Zigarette sinkt das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung rapide. Rauchen ist ja praktisch eine Kohlenmonoxid-Vergiftung, wer aufhört, stoppt diese Vergiftung“, so Kunze. Das Krebsrisiko allerdings bleibt jahrelang weiterhin erhöht.

Warnung vor Schmuggel-Zigaretten

Österreichs LungenfachärztInnen warnen anlässlich des Welt-Nichtrauchertages der WHO besonders vor dem Konsum geschmuggelter Billig-Zigaretten durch Jugendliche. Denn gerade junge Menschen, die besonders aufs Geld achten müssen, werden durch den geringeren Preis illegal importierter Zigaretten zum Rauchen verführt. Neben den nicht abschätzbaren gesundheitlichen Folgeschäden dieser Schmuggelzigaretten, deren Herkunft zumeist unklar ist, entstehen aber auch massive Folgekosten für die heimischen Steuerzahler.

Die WHO hat den Welt-Nicht-Raucher-Tag 2015 unter das Motto „Stop illicit trade of tobacco products“ gestellt. Für die WHO ist das Thema illegaler Zigaretten „von eminenter Bedeutung, da ja sowohl gesundheitliche, ökonomische wie auch gesetzliche Probleme damit verbunden sind“, so Prim. Dr. Josef Bolitschek, Leiter des Arbeitskreises Umwelt-, Arbeitsmedizin und Tabakrestriktion der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP). „Wir unterstützen hier die WHO vollinhaltlich, wobei wir gerade in Österreich die Problematik sehen, dass Jugendliche, die wenig Geld zur Verfügung haben, durch den niedrigen Preis illegal importierter Zigaretten zum Rauchen verführt werden. Daher ist es uns ein besonderes Anliegen, auf diese Entwicklung aufmerksam zu machen, weil dadurch ‚Raucherkarrieren‘ mit all ihren gesundheitlich Folgeschäden beginnen.“ Univ.-Prof. Dr. Michael Studnicka, Präsident der ÖGP, ergänzt: „Als LungenfachärztInnen sehen wir die erschreckenden Auswirkungen des Rauchens in unserer täglichen Arbeit mir unseren PatientInnen. Gerade aus diesem Grund ist es ein zentrales Ziel der ÖGP, insbesondere bei Jugendlichen den Zigarettenkonsum einzudämmen.“

Schmuggelzigaretten als internationales Problem

Illegal importierte Zigaretten sind jedoch nicht allein ein Problem von armen Staaten, in denen billige, geschmuggelte Tabakprodukte auf den Markt gebracht werden, sondern es ist ein Problem der gesamten Welt, da es kaum einen Staat gibt, der von diesem Problem nicht betroffen ist, so die Lungenfachärzte.

Laut der Studie „Project Star 2012“, die im Auftrag eines Kooperationsabkommens zwischen Philip Morris International, der Europäischen Union und den EU-Mitgliedsstaaten durchgeführt wurde, wurden in den 27 Mitgliedstaaten der EU 65,5 Milliarden Zigaretten geraucht, die aus illegalen Quellen stammten, das sind in etwa 11,1 Prozent des Gesamtkonsums. Auch Österreich ist von diesem Problem massiv betroffen. So wurden beispielsweise vor einigen Monaten von der Zollfahndung Graz 1,3 Millionen Zigaretten im Wert von 250.000 Euro sichergestellt.

Zusätzliche Gesundheitsrisiken durch „Müllzigaretten“

Ein weiteres Problem bei den illegalen Zigaretten ist das mögliche Vorliegen einer Markenproduktpiraterie, sprich: Man kann sich nicht sicher sein, ob es sich bei den „Illegalen“ nicht um gefälschte Zigaretten handelt. "Auch wenn das Problem in Europa hauptsächlich Zigaretten betrifft, die von einer legalen Tabakfirma produziert wurden und von einem Land mit niedrigen Zigaretten-Preisen in ein Land mit höheren Preisen geschmuggelt werden, tauchen auch bei uns immer wieder „Müllzigaretten“ mit obskuren Inhaltsstoffen auf", heißt es in der Aussendung der Lungenfachärzte. Bei diesen gefälschten Zigaretten, die zumeist unter katastrophalen hygienischen Bedingungen und abseits aller geltenden Qualitätsvorschriften produziert werden, ist besondere Vorsicht geboten, warnen die Mediziner.

Immer wieder zeigten Labor-Untersuchungen, dass gefälschter Zigaretten Teer, Nikotin, Kohlenmonoxid und vor allem auch Pestizide in weit überhöhten Konzentrationen aufwiesen. Daneben werden immer wieder „Zugaben“ wie z.B. Ratten- und Mäusekot, Mäusefell, Milben, Insekten, Metallteile, Gummiteile aus Autoreifen, Nylonfäden und andere Plastikteile gefunden. Der Begriff „Müllzigaretten“ scheine also durchaus treffend zu sein, so die Gesellschaft der Lungenfachärzte.

Gefälschte Zigaretten leicht zu erkennen

Die illegalen Importe tauchen weder in Trafiken noch im offiziellen Verkauf auf. Im Gegenteil: TrafikantInnen sind neben den Patienten und Patientinnen und dem österreichischen Finanzamt die Leidtragenden der illegalen Zigarettenimporte. Zur Erkennbarkeit der gefälschten Zigaretten: Häufig sind die Beschriftungen auf diesen Zigarettenpackungen gar nicht oder nur stümperhaft den österreichischen Aufschriften nachempfunden. Die Warnhinweise stehen meisten in englischer Sprache auf den gefälschten Packungen.

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