Welche Ärzte Geld von der Pharmaindustrie erhalten

Sind Ärzte trotz Geld von der Pharmaindustrie unabhängig?
Jeder dritte betroffene deutsche Mediziner stimmte Veröffentlichung zu.

575 Millionen Euro zahlte in Deutschland die Pharmaindustrie im vergangenen Jahr an mehr als 71.000 Ärzte und Vertreter anderer Gesundheitsberufe wie Apotheker sowie 6200 medizinische Einrichtungen. Diese Daten wurden Ende Juni veröffentlicht. Ein knappes Drittel dieser Ärzte hat zugestimmt, dass die an sie geleisteten Zahlungen veröffentlicht werden dürfen. Spiegel Online und das Recherchezentrum "Correctiv" haben diese Daten gemeinsam ausgewertet - und veröffentlichten jetzt eine Datenbank mit den Namen von mehr als 20.000 deutschen Ärzten, die im vergangenen Jahr Geld von der Pharmaindustrie erhalten haben.

200.000 Euro für den Spitzenreiter

Nur für den Posten "Vortragshonorare, Beratungen, Fortbildungen" haben die Pharmafirmen im vergangenen Jahr rund 119 Millionen Euro an Ärzte und Angehörige anderer Gesundheitsberufe gezahlt.Ein Arzt aus Essen steht an der Spitze der Geldempfänger: Er hat im vergangenen Jahr merh als 200.000 Euro für Vorträge, Beratung, Fortbildungsveranstaltungen und Spesen erhalten. Auf Platz zwei liegt ein Mediziner aus Bonn (148.000 Euro), gefolgt von einem Mediziner aus Bochum (128.000 Euro) und einem aus Mainz mit 100.000 Euro.

Diese Ärzte müssen allerdings nicht die tatsächlichen Spitzenreiter unter den 71.000 deutschen Ärzten sein. Sie führen lediglich die Rangliste jener Ärzte an, die sich freiwillig an der Initiative beteiligen, so Spiegel Online.

Einen Spitzenreiter gibt es auch in anderer Hinsicht: Ein Internist aus Magdeburg erhielt Zuwendungen von elf verschiedenen Pharmafirmen.

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) in Deutschland begrüßt die Veröffentlichungen: "Auf Basis allgemein zugänglicher Zahlen kann die Öffentlichkeit nun nachvollziehen, wie Ärzte und Pharmaunternehmen im Gesundheitssystem zusammenarbeiten."

Die Situation in Österreich

Auch in Österreich sind Vorwürfe gegen die Pharmaindustrie nicht neu. Erst im April sorgte ein Oberarzt des Wiener SMZ-Ost mit seinem Buch „Die Pharmafalle“ für Aufsehen. Er sprach im KURIER-Interview von einem „in sich und durch sich gewachsenen System der Einflussnahme“.

Die beschuldigte Pharma-Industrie wies das zurück. Die Bestimmungen seien in den vergangenen zehn Jahren verschärft worden. Man habe einen öffentlich zugänglichen Kodex angelegt, unter welchen Kriterien Ärzte eingeladen werden dürfen.

Seit 1. Juli legen die Konzerne nun die Geldbeträge, die sie an Spitäler und Ärzte überwiesen haben, offen. Für 2015 waren dies 101 Millionen Euro, heißt es bei der Pharmig. 54 Millionen Euro davon erhielten Ärzte oder Institutionen, zum Teil für klinische Studien zur Entwicklung neuer Medikamente. 27 Millionen Euro wurden als Sponsoring oder Spende für Veranstaltungen und Kongresse aufgewendet und 20 Millionen Euro gingen an Ärzte für Vorträge, Beratung und Fortbildungen.

So detailliert wie in Deutschland sind die österreichischen Offenlegungen allerdings nicht. Es ist etwa in der Regel nicht feststellbar, ob ein bestimmter Arzt Zuwendungen erhalten hat. Für eine namentliche Veröffentlichung hatten sich vor Inkrafttreten weniger als 50 Prozent der befragten Ärzte ausgesprochen. Eine namentliche Veröffentlichung bedarf der Zustimmung des betroffenen Arztes.

Umstritten ist, welchen Einfluss die Zahungen auf die Mediziner haben. Viele - auch in Österreich - sagen, sie seien unabhängig, das Honorar für einen Vortrag beeinflusse nicht ihr Verschreibungsverhalten (dass etwa Präparate dieser Firma bevorzugt werden).

Eine deutsche Studie kam allerdings zu dem Schluss, dass zum Beispiel Ärzte, die mehr Pharmareferenten empfangen, auch mehr Medikamente verschreiben, so Spiegel online.

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