Er war belächelt, verboten, verwerflich: Frauenfußball kämpfte von Anbeginn an um gesellschaftliche Anerkennung. Am vergangenen Mittwoch hat die Frauen-Europameisterschaft in der Schweiz begonnen. Doch der Sport war und ist von Männern geprägt.
Dabei spielen Frauen seit Langem Fußball. Großbritannien ist nicht nur das Mutterland des Männer-, sondern auch des Frauenfußballs. Doch die ersten Spiele von Frauen sorgten für Unruhen. „Die Menschen zwangen Spielerinnen, das Feld zu verlassen“, schreibt Expertin Sophie Lawson in einem Artikel für das Goethe-Institut in Großbritannien.
Eine der Pionierinnen war Nettie Honeyball, Frauenrechtlerin der viktorianischen Ära. 1894 gründete sie Englands erste Frauenmannschaft, den „British Ladies’ Football Club“. Sie wollte der Welt beweisen, sagte sie, „dass Frauen nicht die ‚schmückenden und nutzlosen’ Geschöpfe sind, die Männer sich vorgestellt haben“.
Zeitungen zeigten wenig Wohlwollen, was die Qualität des Spiels anbelangt – und wie so oft, wenn Frauen etwas bewegen wollten, kam die Modekritik (Röcke über Knickerbocker): „Ihre Kostüme waren bescheiden und anziehend, aber das ist das einzige Lob, das wir ihnen geben können“, zitiert Lawson den Evening Standard.
Auch in Österreich – in Wien wurde 1924 der Erste Wiener Damenfußballclub Diana gegründet – sahen sich Spielerinnen Vorurteilen ausgesetzt. Der Österreichische Fußball-Verband hatte Vereinen sogar untersagt, ihre Plätze an Frauenteams zu vermieten. Übrigens war das in England genauso.
In vielen Sportarten ebneten Pionierinnen den Weg. Wir stellen eine Auswahl vor.
Tennis. Wenn Suzanne Lenglen aufschlug, trug sie unzüchtig kurze Röcke, umspielte deren Saum doch knapp ihre Knie. Zu der Zeit – 1920er-Jahre – trugen Tennisspielerinnen knöchellang. Die Französin (1899 bis 1938), rasch mit dem Beinamen „die Göttliche“ umschrieben, war Ikone und Superstar, spielerisch wie modisch, und hatte Einfluss auf das Selbstbewusstsein von Frauen. Sie gründete eine Tennisschule in Paris, aus der das nationale Trainingszentrum des Tennisverbandes hervorging. Sie gilt als eine der besten Tennisspielerinnen weltweit: Lenglen ging unter anderem jeweils sechs Mal in Wimbledon und bei den French Open als Siegerin vom Platz; insgesamt gewann sie 81 Titel in Einzelbewerben, 1920 war sie auch Olympiasiegerin. Jener Pokal, den die Siegerin des Damen-Einzels bei den French Open erhält, trägt Lenglens Namen, 1994 wurde im Stadion Roland Garros ein Court nach ihr benannt.
Boxen. Ausgerechnet jener Sport, der als die männliche Domäne schlechthin gilt, hat in Bezug auf Frauen eine Geschichte bis in das 18. Jahrhundert: 1722 etwa fand in London der erste bekannte Frauenboxkampf statt. Auch auf Jahrmärkten war „Damenboxen“ in Europas Großstädten etabliert, das war aber mehr Erotik, als Sport wurde es bald großteils untersagt. Die ersten sportlichen Boxkämpfe kamen dann erst wieder im späten 20. Jahrhundert in den Ring, erst seit 2012 ist Frauenboxen olympische Disziplin. Zu den Wegbereiterinnen zählt die Deutsche Regina Halmich (geboren 1976), die das Frauen-Boxen nach ihrem WM-Titel 1995 (sie holte ihn als 18-Jährige) und Kämpfen gegen Stefan Raab so richtig populär machte.
Katherine Switzer: Die erste offizielle Marathon-Starterin
Laufen. 1967 organisierte sich Katherine Switzer die Startnummer 261 für den Boston Marathon, in dem sie sich als „K. V. Switzer“ anmeldete. Mit ihrem Vornamen wäre das nicht möglich gewesen, Frauen durften an keiner offiziellen Marathonveranstaltung teilnehmen: Für eine solche Distanz (42,195 Kilometer) seien Frauen einfach nicht geschaffen, behaupteten jene Männer, die über die Zulassungen befanden. Switzer bewies das Gegenteil: Die 20-Jährige kam in vier Stunden und 20 Minuten ins Ziel, obwohl Renndirektor Jock Semple versucht hatte, sie aus dem Feld zu zerren. Doch Switzers Freund Tom Miller und Trainer Arnie Briggs bugsierten Semple von der Strecke. Switzer gilt als die erste offizielle Marathonteilnehmerin, aber sie war nicht die erste Frau, die in Boston lief: Roberta Gibb (geboren 1942) kam 1966 mit einer Zeit von drei Stunden, 21 Minuten ins Ziel – ohne Startnummer. Das hielt sie auch 1967 und 1968 so. 1996 wurde sie rückwirkend als schnellste Frau zur Siegerin dieser drei Marathons erklärt. Seit 1971 sind Frauen für den Boston Marathon zugelassen.
Formel 1. Dass Maria Teresa de Filippis überhaupt auf die Idee kam, an Autorennen teilzunehmen, ist Bemerkungen ihrer Brüder zuzuschreiben: Sie sollen gewettet haben, dass ihre Schwester „nicht schnell fahren“ könne. De Filippis (1926–2016) gilt als die erste Frau, die in der Formel 1 startete: So nahm sie 1958 am Grand Prix von Belgien teil und kam als Zehnte ins Ziel. Sie bestritt – in der sonst rein männlichen Fahrerszene als „Pilotino“ (kleiner Rennfahrer) bezeichnet – 1958 und 1959 drei Grand Prix, nachdem sie Ende der 1940er-Jahre zahlreiche Straßenrennen absolviert hatte. Sie beendete ihre Karriere 1959 nach dem Tod eines Freundes bei einem Autorennen. Leila Lombardi (1941–1991) hat ebenfalls eine Pionierinnenrolle in der Formel 1: Sie ist die bisher einzige Frau, die einen halben WM-Punkt bei einem Grand Prix schaffte, 1975 in Spanien. Insgesamt gab es bisher nur fünf Formel-1-Pilotinnen überhaupt, die bei einem Grand Prix an den Start gingen.
Amelia Earhart: Die Erste, die über den Atlantik flog
Fliegen. Wie ein „Sack Kartoffeln, wie Fracht“ habe sie sich gefühlt, soll Amelia Earhart gegrummelt haben, nachdem sie als erste Frau 1928 den Atlantik überflogen hatte – allerdings nur als Passagierin von Wilmer Stultz. Eine Rolle, die der Flugpionierin – sie erhielt 1922 eine Pilotenlizenz – so gar nicht behagte. 1932 setze sich die US-Amerikanerin dann selbst an den Steuerknüppel: Als erste Frau absolvierte sie einen Transatlantikflug. Die Popularität der 1897 geborenen Pilotin stieg in die Höhe: Sie wurde von US-Präsident Herbert C. Hoover ausgezeichnet, sie avancierte zum Medienstar. Und sie nützte ihre Bekanntheit geschickt, um Frauen zu fördern, etwa bei der Zulassung für technische Berufe. 1939 wurde Earhart für tot erklärt, nachdem ihr Flugzeug 1937 beim Versuch, die Welt zu umrunden, verschollen ist. Doch die Amerikanerin war nicht die erste Frau, die eine Fluglizenz erhielt: Dieses Pionierstück gelang 1910 der Französin Élise Deroche (1882–1919). Sie hält auch den Rekord des ersten Alleinflugs einer Frau, wenn auch nur über rund 300 Meter in fünf Metern Höhe.
Segeln. Frauen an Bord bringen Unglück (gilt auch für Blumen): Der Satz wird selbst heute noch ausgesprochen. Ob die Männer jetzt auch noch glauben, die Götter zu erzürnen? Frauen sind eine Ablenkung für Seeleute – das war der weltlichere Hintergrund des Aberglaubens. Sie durften nur als Passagierinnen mit aufs Schiff. Trotz der Ängste der Männer mischten sich Frauen immer wieder unter die Mannschaft, nicht selten als Männer verkleidet. Heutzutage gibt es viele Seglerinnen. Eine, die zeigte, was für Frauen alles möglich ist, war Naomi James (geboren 1949). Sie wurde fern der Seefahrt auf einer Schaffarm in Neuseeland geboren. Sie segelte von 1977 bis 1978 alleine um die Welt und dabei als erste Frau alleine um Kap Hoorn. Sie riskierte dabei nichts weniger als ihr altes Leben. Aber sie habe ein zweites Leben bekommen, „ein Leben, das so eigenständig und vollständig war“, schrieb sie in ihrer Autobiografie.
Bergsteigen. „Die Kraft einer Frau ist keineswegs so gering, wie man gewöhnlich glaubt“, sagte die Holländerin Jeanne Immink. Und sie wusste es. Immink (1853–1929) gehörte zu den Pionierinnen beim Bergsteigen. Das Besondere: Von ihr gab es Fotos, die sie beim Klettern zeigten. Das war Ende des 19. Jahrhunderts eine Sensation. „Immink war die Erfinderin des Klettergurts, stellte unter Beweis, dass eine weibliche Person durchaus dazu fähig ist, ihren eigenen Rucksack zu tragen und machte den Frauen das Bergsteigen auf neuen Wegen zugänglich“, schreibt Harry Murè in der Biografie „Jeanne Immink. Die Frau, die in die Wolken stieg“. Dass sie 1891 den Schmittkamin in den Dolomiten durchstieg, sorgte für Aufsehen. Nur wenige Männer konnten ihr bei ihren Touren folgen. Denn sie beherrschte den damals obersten, vierten Schwierigkeitsgrad. „Ich fordere die Herren Alpinisten auf, meinen Schritten zu folgen“, lautet ihr Aufruf 1893.
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