Zwei Jahre nach Ephesos-Krise: Wie es jetzt weitgeht

Zwei Jahre nach Ephesos-Krise: Wie es jetzt weitgeht
Die Archäologin Sabine Ladstätter über Aufräumarbeiten und neue Funde in ihrer ersten Grabungssaison 2.0 in der Türkei.

Als Sabine Ladstätter nach fast zweijähriger Zwangsabwesenheit heuer zum ersten Mal ins Hanghaus in Ephesos spazierte und den Mann am Ticketschalter freundlich begrüßte, schossen ihm die Tränen in die Augen: „Du bist wieder da!“

Nicht nur bei der Archäologin Ladstätter war die Freude groß, als sie nach Ephesos zurückkehren durfte. Am 26. Juli 2018 um 8 Uhr 23 erhielt sie das lange ersehnte Schriftstück – die Grabungsgenehmigung. „Ich hatte eine Flasche Champagner für diesen Tag vorbereitet und habe mit meiner türkischen Stellvertreterin und dem Museumsdirektor angestoßen“, erzählt die Leiterin des Österreichischen Archäologischen Instituts im Interview mit dem KURIER. Knapp drei Monate nach ihrer Rückkehr nach Ephesos wird Ladstätter heute Abend bei der Jahresversammlung der Gesellschaft der Freunde von Ephesos über die erste Saison nach den politischen Spannungen Bilanz ziehen.

Zur Erinnerung

Im Sommer 2016 waren die österreichischen Archäologen in die Mühlen der Politik geraten. Zwischen der Türkei und Österreich herrschte Missstimmung, weil heimische Politiker nach den türkischen Maßnahmen auf einen Putschversuch einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche gefordert hatten. Am 31. August 2016 mussten Ladstätter und ihr Team innerhalb weniger Stunden ihre Grabung – ohne die notwendigen Sicherungsmaßnahmen – verlassen. Lange sah es danach aus, als würde eine 125-jährige Tradition zu Ende gehen: Die visionäre Idee einer internationalen Forschungsplattform unter österreichischer Leitung an einem zentralen Ort der Menschheitsgeschichte. Ende Jänner 2018 hat sich aber die neue Außenministerin Karin Kneissl eingeschaltet. Heute sagt Ladstätter dankbar: „Ohne das Engagement der Außenministerin wäre sicher nichts gegangen.“

Und so sind neben den Wissenschaftlern heute wieder 27 Arbeiter beschäftigt. Sie und Ladstätter waren in den vergangen Wochen mit Aufräumen beschäftigt: „Das Grabungshaus hat furchtbar ausgeschaut. Im Depot haben sechs Leute zwei Wochen lang nur geputzt. Besonders schlimm waren die Zustände aber im Restaurierungslabor. Unser Restaurator hat so manches Objekt als für die Forschung verloren erklärt.“ Die Grabung aber sei eine positiver Überraschung gewesen, weil sich das Museum extrem bemüht habe: „Sie haben geputzt, gewartet und kontrolliert, ob unsere Abdeckungen noch da sind.“

Zwei Jahre nach Ephesos-Krise: Wie es jetzt weitgeht

Ladstätter weiter: „Nachdem ich aber nicht wusste, was auf uns zukommt, habe ich mir überhaupt keine neuen Forschungsprojekte vorgenommen.“ Ganz hat sie das aber nicht durchgehalten und an einer Stelle runtergegraben, an der eine riesige Sporthalle aus der Kaiserzeit gestanden hat (Bild oben). Erbaut im späten 1. Jahrhundert und bei einem Erdbeben im 3. Jahrhundert zerstört, war sie Teil der zweitgrößten Therme des Römischen Reiches. „Dort gab es Laufbahnen und Bereiche für Ringer. Nur die Caracalla-Thermen von Rom waren größer als die in Ephesos“, sagt die Archäologin.

Die große Überraschung: „Der ganze Dachstuhl ist noch vorhanden“, sagt sie, erhofft sich wichtige Erkenntnisse zur Handwerkstechnologien der römischen Kaiserzeit und erkennt Parallelen zur Gegenwart: „Die Anlage ist vergleichbar mit einem exklusiven Fitnesscenter mit angeschlossenem Spa von heute.“

INFO: Am 10. November wird das Ephesos Museum in Wien wieder eröffnet, Anfang Dezember wird der 40. Geburtstag gefeiert.

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