Warum Spermien ihr Ziel nicht treffen
Seit drei Jahren hoffen Susanne und Thomas auf Nachwuchs. Im ersten Jahr klappte es gleich, doch Susanne, damals 35, erlitt in der 11. Woche eine Fehlgeburt. Als sie danach ein Jahr lang nicht mehr schwanger wurde, entschied sich das Paar für eine Insemination – dabei werden seine Samen mit einer Pipette in ihre Gebärmutter eingeführt. Susanne wurde wieder schwanger. Und verlor das Kind erneut.
"Durch diesen Sex nach Plan und dem damit verbundenen Druck hat es bei uns nicht mehr so geklappt wie gewünscht – deshalb hat der Urologe von Thomas, der von unserem Kinderwunsch wusste, eine Behandlung mit Testosteron-Spritzen empfohlen", erzählt Susanne. Eine folgenreiche Therapie, denn beim nächsten Inseminationsversuch enthielt das Ejakulat von Thomas, der gerade 37 Jahre alt war, kein einziges Spermium mehr. "Wir konnten uns das zuerst nicht erklären, da sein Sperma ein Jahr zuvor in bester Ordnung war."
Achtung, Spermienkiller
Anti-Baby-Spritze
Die Erklärung ist einfach: Natürliches Testosteron ist zwar notwendig, um Spermien zu produzieren, doch die künstliche Testosterongabe wurde in mehreren Studien als Anti-Baby-Spritze für den Mann getestet. Also genau das Gegenteil von dem, was Susanne und Thomas erreichen wollten.
Der Fortpflanzungsexperte Prim. Wilfried Feichtinger von der Wunschbaby-Klinik erklärt den Mechanismus: "Das Testosteron beim Mann ist mit dem Östrogen bei der Frau vergleichbar, das auch im Körper und in der Anti-Baby-Pille enthalten ist." Die Studien mit Testosteron-Spritzen als Verhütung haben sich jedoch als Irrweg herausgestellt. "Die Spermienzahl wird reduziert, aber nicht zuverlässig auf null. Deshalb ist Testosteron als Verhütungsmittel ungeeignet."
Dass Thomas im Alter von 37 Jahren Testosteron-Spritzen bekommen hat, wundert Feichtinger. "Im Regelfall wird das Hormon bei älteren Männern gegen Verfallserscheinungen oder bei Impotenz verwendet." Bei Potenzproblemen gebe es für junge Männer andere Mittel – und ebenso, wenn ein Kinderwunsch besteht.
Ursachen finden
Der Urologe und Androloge Univ.-Prof. Walter Ludvik empfiehlt bei einem niedrigen Testosteronspiegel eher ein spezielles Gel: "Bei Kinderwunsch würde ich von Spritzen abraten." Zudem gebe es etwa spezielle Vitaminpräparate, um die Spermienproduktion anzuheben.
Eine mangelnde Spermienproduktion hat außerdem verschiedenste Ursachen. Feichtinger: "Einer der Hauptgründe ist das Rauchen. Außerdem wissen viele nicht, dass Präparate zum Muskelaufbau ihre Fruchtbarkeit beeinträchtigen." Es gibt auch organische Gründe wie Krampfadern am Hoden bis hin zu Hodenkrebs.
Thomas und Susanne haben durch die Testosteron-Behandlung viel wertvolle Zeit verloren. "Unsere psychischen und körperlichen Belastungen wären nicht existent gewesen, wenn der Urologe verantwortungsvoll gehandelt hätte", sagt Susanne, die den Arzt nicht verklagen, sondern andere Betroffene aufklären will. Laut Feichtinger dauert es bis zu einem halben Jahr, bis sich die Spermienproduktion von der Testosteron-Behandlung erholt hat. Dann, hoffen Susanne und Thomas, klappt es vielleicht doch noch mit ihrem Kinderwunsch.
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