Tipps von der Familienberaterin: So gelingt die Urlaubserholung mit Kind

Vielerorts werden hierzulande dieser Tage Taschen und Koffer gepackt. Über 60 Prozent der Bevölkerung verfallen laut Statistik Austria in den Sommermonaten pro Jahr dem Reisefieber.
Barbara Grütze ist Mutter einer Tochter – und gerade aus dem Urlaub zurück. "Obwohl wir mit Oma und Opa gereist sind, habe ich nur ganze 22 Seiten in meinem Buch gelesen", erzählt die Familienberaterin.
Es ist ein Szenario, das viele Eltern kennen: Man sehnt sich im Urlaub nach Entspannung, Harmonie, einem Gefühl von Leichtigkeit – danach, in Ruhe ein Buch zu lesen. Die Realität sieht vor allem mit kleineren Kindern oft anders aus, weiß Grütze. "Man ist permanent zusammen, als Elternteil in der Verantwortung und am Organisieren: Was essen wir, was machen wir heute, wo fühlen sich alle wohl, sind die Kinder eingecremt?"
Verschiedene Bedürfnisse und anhängliche Kinder
Viele Familien sehnen den Urlaub lange herbei, die Zeit am Ferienort will voll ausgekostet werden. "Das erzeugt Druck – ähnlich, wie zu Weihnachten." Nicht selten sind Kinder im Urlaub besonders nähebedürftig. Eine Reaktion auf den Umgebungswechsel, sagt Grütze: "Der neue Tagesablauf, die vielen Eindrücke – das kann alles schnell zu viel werden. Als Reaktion darauf suchen Kinder Sicherheit, Verbindung und Aufmerksamkeit."
In solchen Situationen ist Familienfrust vorprogrammiert. "Das ist ganz normal. Wenn man sich dessen bewusst ist, die Erwartungen anpasst und vielleicht im Vorfeld schon gute Kompromisse findet, kann auch ein Familienurlaub voller schöner Momente stecken."
Auch Kinder brauchen echte Erholung
Das ist wichtig, denn auch für Kinder ist Regeneration wichtig. "Kindergarten- und Schulalltag sind wahnsinnig anstrengend, es braucht Erholungsphasen, in denen Kinder einfach frei sein dürfen, Raum für Langeweile und freies Spiel." Eltern empfiehlt Grütze, sich wirklich Gedanken zu machen, was der Nachwuchs braucht. "Das kann Ruhe sein, aber natürlich auch Action."
Klassisch durchgetaktete Städtereisen seien oft nicht der richtige Tapetenwechsel zum Auftanken. "Wenn es ein Städtetrip sein soll, dann vielleicht an einem Ort, wo Kinder nachmittags nach Herzenslust an einem Pool spielen können oder in Kombi mit Tagen, wo einfach im Park oder am Strand gespielt wird." Manchmal brauche es keine große Reise, sondern einen Perspektivwechsel im Alltag: ein Picknick im Park oder Zelten am Balkon.
Allgemein plädiert Grütze für Mut zur Spontanität: "Ich würde empfehlen, die Tage nicht zu sehr vorab zu planen, sondern eher zu schauen: Worauf haben wir heute Lust? Wenn alle das Gefühl haben, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden, ist viel gewonnen." In einigen Bereichen sei Planung aber hilfreich. "Ich kann mich z. B. vorab informieren, wo es Spielplätze, kinderfreundliche Wanderrouten, einen Familienstrand, ein Restaurant mit Spielplatz gibt."
- Vielerorts werden hierzulande dieser Tage Taschen und Koffer gepackt. Über 60 Prozent der Bevölkerung verreisen laut Statistik Austria jedes Jahr in den Sommermonaten.
- Familienberaterin Barbara Grütze rät Eltern, sich im Urlaub gegenseitig bewusst freizuspielen: "Während ich eine halbe Stunde auf die Kinder schaue, kann mein Partner oder meine Partnerin eine halbe Stunde Freiheit für sich genießen und umgekehrt. Und schon haben wir beide eine halbe Stunde gewonnen, in der wir den Urlaub so gestalten können, wie es sich für uns gut anfühlt." Es könne auch schön sein, wenn jeder Elternteil einmal etwas exklusiv mit einem Kind unternimmt.
- Oma und Opa oder befreundete Familien können als Begleitpersonen entlasten, z. B. besonders bei Alleinerziehenden. Hilfreich für das Gelingen sind auf jeden Fall eine offene Kommunikation (Wer übernimmt was? Wie viel Eis dürfen die Kinder am Tag essen? Wie viel Nähe wollen wir?) gegenseitiger Respekt, ein bisschen Flexibilität und Freiräume für alle.
- Langeweile darf im Urlaub da sein. Es spricht aber auch nichts dagegen, ein paar Langeweile-Ideen (Natur-Bingo, Foto-Challenge, etc.) zu haben, die man vorab sammelt, auf Zettel schreibt und in einem Gefäß mitnimmt.
Konflikte dürfen auch im Urlaub Platz haben
Was tun, wenn Alltagsprobleme die Familie einholen? "Durchatmen", sagt Grütze. "Und sich fragen: Welcher Gedanke macht mir gerade Druck?" Manchmal ist es tatsächlich ein Mangel an Rückzugsmöglichkeiten und Ruhe. Dann helfen kleine Auszeiten. Bei größeren Themen gebe es zwei Möglichkeiten: "Ich kann anerkennen, dass da etwas ist – und mir vornehmen, nach dem Urlaub draufzuschauen. Oder ich spreche den aufgestauten Konflikt bewusst an. Wer sagt, dass wir im Urlaub keinen Konflikt haben dürfen?"
Im Urlaub dürfen auch Alltagsregeln – Ernährung, Zubettgehzeit, auch Medienzeit – Pause haben. Um zu verhindern, dass die Bildschirmzeit überhandnimmt, sollten Eltern alternative Angebote machen.
Ihren Roman hat Grütze im Urlaub nicht ausgelesen. "Dafür haben wir Pirateninseln eingenommen, sind auf einem Einhorn bis nach Italien geschwommen, haben Sandburgen gebaut, Bilder aus Muscheln gelegt, uns gegenseitig eingegraben und tauchen geübt." Mit Kindern sei ein Urlaub eben immer etwas anders. "Der Urlaub, in dem wir wieder mehr als 22 Seiten lesen, kommt bestimmt."
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