Transsexualität: Mehr betroffen als bisher angenommen

Transsexualität: Mehr betroffen als bisher angenommen
Bis zu ein Prozent der Bevölkerung sind nicht eindeutig einem Geschlecht zuordenbar.

In irgendeiner Form von Transsexualität betroffen sind offenbar viel mehr Menschen, als bisher angenommen. In den deutschsprachigen Ländern fehlt es an spezialisierten Betreuungseinrichtungen. Die Stigmatisierung nimmt in Osteuropa eher zu als ab. Dies stellten Experten am Montag bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen (bis 21. August) fest.

"In der Zeit zwischen 2000 und 2010 sahen wir jedes Jahr rund 30 Patienten. Seit 2010 ist ihre Zahl exponentiell gestiegen. Vergangenes Jahr hatten wir rund 300 neue Patienten. Irgendetwas hat sich da geändert. Eine ursprünglich in den USA durchgeführte und schließlich in den Niederlanden wiederholte Studie hat ergeben, dass 0,5 bis ein Prozent der Bevölkerung erklären, sich dem anderen Geschlecht zuzuordnen oder nicht exklusiv als Mann oder Frau zu fühlen", sagte der Leiter der Abteilung für Endokrinologie, Sexologie und Gender am Universitätsspital von Gent (Belgien), Guy T'sjoen.

Sexuelle Gesundheit

Dieses "Coming-Out" dürfte mit den geänderten Einstellungen der Menschen insgesamt zu solchen Fragen zu tun haben. Transsexualität wird zunehmend nicht mehr als "Krankheit" aufgefasst, was den Zugang erleichtert. "Ich glaube, dass wir die Diagnose Transsexualität verlieren werden. (...) Es handelt sich auch nicht um eine psychiatrische Diagnose, sondern um eine Frage der sexuellen Gesundheit", betonte Hertha Richter-Appelt vom Institut für Psychotherapie der Universität Hamburg.

Transgender

Dabei bleibt die Situation der Betroffenen ausgesprochen schwierig. "Die Weltgesundheitsorganisation hat die Transgender-Menschen als eine speziell vulnerable Gruppe definiert. In den Niederlanden, in Belgien und den skandinavischen Ländern gibt es niederschwellige Betreuungszentren. Großbritannien ist hier auf einem guten Weg. In den deutschsprachigen Ländern fehlen solche Einrichtungen, es gibt nur eine Handvoll von Spezialisten, zu denen sich die Betroffenen durchkämpfen müssen. Speziell in Osteuropa nehmen Homophobie und 'Trans-Phobie' zu", erklärte Mick Van Trotsenburg (Krankenhaus St. Pölten).

Dabei geht es im Grunde "nur" darum, die Betroffenen speziell nach ihren Bedürfnissen medizinisch zu betreuen - ganz genau so, wie das auch bei allen anderen Menschen geschehen sollte. "Im Grunde wollen wir einfach als echte Männer oder echte Frauen anerkannt werden", sagte die Wiener Psychotherapeutin Cornelia Kunert, die selbst vor Jahren den schwierigen Weg einer Geschlechtsumwandlung gegangen ist. Die Alpbacher Gesundheitsgespräche stehen in diesem Jahr - genauso wie das Forum insgesamt - unter dem Motto "Diversität und Resilienz".

Definitionen

Transgender-Personen empfinden sich als Mann, obwohl sie mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden, und umgekehrt. Eine anerkannte Erklärung, warum sie sich im falschen Geschlecht empfinden, gibt es nicht.

Intergeschlechtliche Menschen lassen sich hinsichtlich innerer und äußerer Geschlechtsorgane, Chromosomen, und/oder hormoneller Struktur nicht in die Kategorien "männlich" und "weiblich" einordnen.

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