Tote nach alternativer Krebsbehandlung

Umstrittene alternative Krebstherapien haben zu Todesfällen geführt.
Deutsche Behörden alarmieren Patienten eines alternativen Zentrums am Niederrhein.

Nach dem Tod mehrerer Patienten einer alternativen Krebsklinik am Niederrhein machen sich die Behörden Sorgen um die Gesundheit weiterer Kranker, die dort behandelt wurden. Sie riefen alle Patienten des Krebszentrums Brügge-Bracht auf, sich zu melden. Vier Patienten, die in der vergangenen Woche in der Klinik an der Grenze zu den Niederlanden behandelt wurden, sind wenige Tage danach gestorben. Die Ursache ist noch nicht bekannt.

„Wenngleich eingehendere medizinische Untersuchungen noch zeigen müssen, was sich genau zugetragen hat, besteht derzeit ein konkretes Gesundheitsrisiko für Patienten, die sich in diesem Krebszentrum einer Behandlung unterzogen haben“, heißt es in dem gemeinsamen Aufruf der deutschen und der niederländischen Polizei. Auch Patienten, die sich schon früher in dem Biologischen Krebszentrum Brüggen-Bracht haben behandeln lassen, wurden gebeten, sich bei der Polizei in Mönchengladbach oder in den Niederlanden zu melden.

Es begann mit Kopfschmerzen

Den ersten Todesfall hatten die Behörden am Montag bekanntgemacht: Eine Frau sei am 25. Juli behandelt worden. Am 30. Juli starb sie in einem Krankenhaus, nachdem sie über Kopfschmerzen klagte, zeitweise verwirrt und dann nicht mehr ansprechbar war.

Am Donnerstag machten die Polizei Mönchengladbach und die Krefelder Staatsanwaltschaft drei weitere Todesfälle bekannt: Fünf Patienten seien am 27. Juli behandelt worden. Am Tag darauf starb eine 55-jährige Frau, einen Tag später ein 55-jähriger Mann und noch einen Tag später eine 43 Jahre alte Frau. Zwei Frauen wurden inzwischen in einem niederländischen Krankenhaus aufgenommen.

Das Krebszentrum richtet sich auf seiner Internetseite vor allem an Patienten aus den Niederlanden. Denn dort werde die alternative Heilkunde strenger reguliert, und die „Heilmeister“ der Klinik dürften dort nicht arbeiten, heißt es unter anderem.
Am Mittwoch hatte das Krebszentrum auf seiner Internetseite zu dem zuerst bekanntgewordenen Fall Stellung genommen. Die Einrichtung bedauerte den Tod der Patientin, aber auch den „unbegründeten Verdacht“, dass die Klinik dafür verantwortlich sein könne.

Eine Sammlung der Fakten und der offenen Fragen


WAS WIR WISSEN:
- Mindestens drei Menschen sind nach der Behandlung im Klaus Ross Zentrum für alternative Krebstherapie in Brüggen-Bracht gestorben.
- Eine 43-jährige Frau aus Wijk en Aalburg in den Niederlanden hat sich laut Staatsanwaltschaft am 25. Juli in der Einrichtung behandeln lassen. Am 30. Juli starb sie in einem Krankenhaus in Mönchengladbach. Zuvor hatte sie über Kopfschmerzen geklagt, zeitweise soll sie verwirrt und danach nicht mehr ansprechbar gewesen sein. Ihr Tod war als erster Fall bekannt geworden und löste die Ermittlungen der Polizei aus.
- Am 27. Juli wurden laut Polizei insgesamt fünf Patienten in dem Krebszentrum behandelt.
- Nach einer Behandlung am 27. Juli starb eine 55-jährige Belgierin in Nimwegen am 28. Juli.
- Ein 55-jähriger Mann aus Apeldoorn starb am 29. Juli.

- Zwei Frauen aus den Niederlanden, die ebenfalls in dem Krebszentrum behandelt wurden, sind im Krankenhaus. Zum Alter, Wohnort und ihrem Gesundheitszustand kann die Polizei keine Angaben machen.
- Der Betreiber des Zentrums, Klaus Ross, hat laut Angaben auf der Internetseite biomedizinische Technik in Gießen studiert, dann 20 Jahre als Produktmanager für kostspielige medizinische Geräte gearbeitet und anschließend eine Ausbildung zum alternativen Behandler gemacht.
- Das Zentrum wirbt unter anderem mit biologischer Krebsbehandlung, Schmerztherapie und Entgiftung. Eine zehnwöchige Behandlung für Krebspatienten kostet demnach knapp 10 000 Euro.
- Laut Polizei haben sich in dem Krebszentrum auch zahlreiche Niederländer behandeln lassen. Die niederländische Polizei und Staatsanwaltschaft unterstützen die Ermittlungen.
- Das Zentrum selbst äußert sich auf seiner Seite zu den Ermittlungen. Man bedauere den „unbegründeten Verdacht“, dass die Klinik verantwortlich für den Tod der Patientin sein könnte. Man werde bei den Ermittlungen voll und ganz kooperieren.

WAS WIR NICHT WISSEN:
- Ob die Patienten an den verabreichten Mitteln oder den Folgen ihrer Erkrankung gestorben sind. Dies ist Gegenstand der Ermittlungen. Derzeit besteht laut Polizei aber ein „konkretes Gesundheitsrisiko für Patienten, die sich in diesem Krebszentrum einer Behandlung unterzogen haben“.
- Ob die Patienten, die gestorben sind, mit dem neuen Stoff „3-Bromopyruvat“ behandelt wurden, untersuchen die Ermittlungsbehörden. Die Substanz ist noch in der Grundlagenerforschung. Auf der Seite des Klaus-Ross-Zentrums wird sie als Mittel unter den Behandlungsmethoden genannt. Die Polizei warnt vor der Einnahme von „3-Bromopyruvat“. Die Ermittlungskommission heißt „BROM“.
- Was die Obduktion der Leiche der 43-Jährigen ergeben hat. Diese hatte die Staatsanwaltschaft angeordnet, sie sagt in dem Fall aus „ermittlungstaktischen Gründen“ aber derzeit nichts.
- Was mit dem Betreiber der Klinik und der Klinik selbst ist. An dem Gebäude der Einrichtung sind Schilder abmontiert und nur noch Bohrlöcher zu sehen. An Klingel und Briefkasten sind keine Namen. Die Tür ist mit einem Polizeisiegel versehen. Ein Zettel weist darauf hin, dass der Praxisbetrieb bis auf weiteres eingestellt sei.

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