Chirurg entwickelt biologische Kunst-Niere

Harald Ott Labor
Studie mit Ratten: Im Labor gezüchtetes Organ funktionierte auf niedrigem Niveau in Ratten und produzierte Urin.

Die britische Zeitung The Times ist euphorisch: „Diese Forschung macht tausenden Dialyse-Patienten Hoffnung.“ Der österreichische Chirurg Harald Ott (er stammt aus Natters in Tirol) vom Massachusetts General Hospital der Harvard Medical School in Boston, USA, hat mit seinem Team eine biologische Kunstniere für Ratten gezüchtet. Sie produziert sogar ein wenig Urin und könnte in Zukunft Spendernieren ersetzen. Bis dahin sei es aber ein weiter Weg, betont Ott, der an der MedUni Innsbruck studiert hat. Die Studie seines Teams wurde jetzt im Fachmagazin Nature Medicine publiziert.

Chirurg entwickelt biologische Kunst-Niere
In einem ersten Schritt werden mit einer speziellen Lösung alle Zellen aus den Nieren toter Raten ausgewaschen. Übrig bleibt ein natürliches Kollagen-Gerüst, das dem Organ seine dreidimensionale Struktur gibt. „Der Bauplan des Organs bleibt erhalten, aber dieses Gerüst ist komplett ohne Zellen“, so Ott. „Es ist nur mehr ein Schatten des ursprünglichen Gewebes.“ Wird diese Struktur einem Spender implantiert, gibt es keine Abstoßungsreaktion.

Neubesiedelung

In einem zweiten Schritt wurde dieses Gerüst mit Nierenzellen von Rattenföten besiedelt. Das Kollagen-Gerüst kam mit den Zellen in spezielle Kammern (Bioreaktoren), die das natürliche Umfeld des Körpers simulierten und das Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgten.

Nach zwölf Tagen erreichten die Kunst-Nieren im Labor bis zu 23 Prozent der Funktion einer normalen Niere – und begannen mit der Produktion von geringen Mengen Urin. Anschließend wurden diese Nieren in lebende Ratten implantiert – dort erreichten sie fünf bis zehn Prozent der normalen Nierenfunktion und produzierten ebenfalls Urin. „Schon eine Funktionsfähigkeit von 15 bis 20 Prozent eines solchen Kunstorgans könnte die Unabhängigkeit von der Dialyse bedeuten.“ Dafür könnten in Zukunft die Stammzellen von Patienten genützt werden, um mit dieser Technik neue Organe zu züchten, die nicht abgestoßen werden.

Die Bedeutung der jetzt veröffentlichten Arbeit liege darin, dass sie den „Plattform-Charakter“ dieser Technologie zeige, so Ott: Denn sie könne für verschiedene Organe und Gewebetypen angewandt werden. Wann die Technik bei Menschen eingesetzt wird, lässt sich noch nicht abschätzen.

Bereits 2008 hatte Ott Rattenherzen in einem Bioreaktor nachgebaut und wieder zum Schlagen gebracht. 2010 hat er mit dem gleichen Verfahren eine biologische Kunstlunge hergestellt und in Ratten transplantiert, wo sie in Folge bis zu zwei Wochen funktioniert hat.

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