Ringo wacht über ein Kinderleben

Diabetiker-Warnhund Ringo weiß als Erster, wenn es Sarah nicht gut geht. Die Schulung seines Geruchssinns wurde v. a. durch Spenden und Sponsoren finanziert
Diabetiker-Warnhund erkennt am Atem Unterzucker und leistet erste Hilfe

Sarah und Ringo sind ein Herz und eine Seele. Die eine ohne den anderen gibt es nur, wenn die Vierjährige im Kindergarten ist und der Hund seinen wohlverdienten Schlaf nachholt. Sonst weicht Ringo nicht von Sarahs Seite. Jeder Atemhauch verstärkt das Band zwischen dem Mädchen, das an Diabetes leidet, und dem Mischling, der die Unter- und Überzuckerung erschnüffeln kann.

„Der Hund ist eine Unterstützung, und unsere Tochter blüht auf“, sagt Sarahs Mutter, Romana Schnegg. Seit Kurzem lebt der Diabetiker-Warnhund bei der Familie im Tiroler Imsterberg. (Stiftung Kindertraum übernahm die Hälfte der Kosten von 20.000 Euro.) Im steirischen Animal Training Center hat der Vierbeiner seinen Geruchssinn für das Bestimmen der Zuckerwerte geschult und gelernt, entsprechend Hilfe zu leisten. Mit der Praxis nimmt seine Verlässlichkeit im Anzeigen von Sarahs Insulin-Turbulenzen zu.

Sarah war kerngesund. Ein Schnupfen hier, Kinderkrankheiten da, nichts Außergewöhnliches. Im Jänner 2012 verschlechterte sich ihr Zustand rapide. „Sie war extrem durstig, musste ganz oft aufs Klo, nahm ab, obwohl sie viel gegessen hat, bis ihr vor ihrer Lieblingsspeise ekelte“, erinnert sich Schnegg. Innerhalb einer Woche war klar, Sarah hat Typ-1-Diabetes. Eine Erkältung könnte die unheilbare Stoffwechselerkrankung ausgelöst haben.

Nadeln

Seither gehören die Insulinpumpe, bei der jeden zweiten Tag die Nadel gewechselt werden muss, und Blutproben aus der Fingerspitze im Zwei-Stunden-Takt zum Alltag der Familie. Bei kleinen Patienten ist die richtige Abstimmung von Insulin und Diät besonders schwierig. Wachstumsschübe, Fieber, Brechdurchfall – schon Kleinigkeiten bringen den Hormonhaushalt durcheinander. „Wenn die Werte nicht und nicht passen, fällt einem die Decke auf den Kopf. Dann muss man sich denken, dass es noch Schlimmeres gibt“, sagt Schnegg.

Tatsächlich kommt es bei Sarah sehr häufig zu extremen Blutzucker-Schwankungen. Eine lebensbedrohliche Situation. „Am Tag geht es besser, da kann ich sie genau beobachten. In der Nacht messe ich alle zwei Stunden. Glücklicherweise hat Sarah einen tiefen Schlaf“, sagt die zweifache Mutter. Von Nachtruhe kann im Hause Schnegg trotzdem keine Rede sein: Auch Ringo wacht im Bett der tapferen Freundin.

Nachdem sein neues Zuhause aus 50 Bewerbern ausgewählt war – „die Chemie hat gleich gepasst“ –, bekam er immer wieder Wattebäusche mit Speichel von Sarah: Bei Unterzuckerung musste das Kind auf den Pads kauen, die Mutter schickte die luftdicht verpackten Proben in die Steiermark. Schon im Animal Training Center übte der Vierbeiner den speziellen Atemduft von anderen Gerüchen zu unterscheiden. Und richtig zu reagieren.

„Ringo zeigt super an. Es klappt immer besser. Ich bin jetzt nicht mehr ganz allein“, freut sich Schnegg über den tierischen Beistand. Riecht der Vierbeiner die veränderten Stoffwechselvorgänge, wird er nervös. Er hüpft herum, springt auf Sarah, holt die Eltern, bellt, bringt ein spezielles Stoffspielzeug oder drückt auf die Notfallglocke.

Alarmbereit

Auch das Mädchen hat gelernt. Beim Spielen und Spazierengehen, beim Herumtollen mit dem Bruder – zwischendurch haucht sie Ringo an. Eines Tages wird sie auf Drängen des Hundes auch selbst zum Traubenzucker greifen oder die Spritze setzen können. Ihr vierbeiniger Aufpasser ist jedenfalls ständig in Alarmbereitschaft. Selbst wenn er im Auto hinter Sarah im Kofferraum sitzt, funktionieren seine Nase und das einstudierte Erste-Hilfe-Programm. Erfahrungsgemäß stabilisieren sich die starken Blutzuckerschwankungen bei Typ-1-Diabetikern bis zum Ende der Pubertät. Die Bande zwischen dem Teenager Sarah und Ringo, dem Senior, werden auch dann unzertrennlich sein.

Infos: www.kindertraum.at

Spendenaktion:

Plattform: Pet Ribbon ist eine Spendenplattform für tiergestützte Therapie von schwer kranken und behinderten Kindern. Sie wurde 2012 von Mars Austria (Pedigree, Whiskas) ins Leben gerufen und unterstützt seither Projekte zur Förderung der Mensch-Tier- Beziehung sowie zum Tierschutz.

Partner 2013: Heuer kommen alle im Rahmen von Pet Ribbon gesammelten Spenden der „Stiftung Kindertraum“ zugute.

Spende: Die Ansteck-Schleifchen gibt es um 1 € bei Fressnapf, Interspar, Maximarkt, Unimarkt, Zielpunkt, Futterhaus und Zoo&Co sowie online um 1,60 € unter www.petribbon.at. Die Aktion läuft bis zum Welttierschutztag am 4.10. auf Hochtouren.

KURIER: Welche Hunde haben das Zeug zum Diabetiker-Warnhund?

Barbara Glatz: Das ist Rasse-unabhängig. Wichtig ist, dass der Hund gesundheitlich in Ordnung ist. Gelenke, Herz und Augen werden vor der Ausbildung gründlich untersucht. Eine lange Nase bedeutet, dass er mehr Geruchszellen hat. Der Hund muss auch charakterlich geeignet sein. Er darf nicht aggressiv, nicht übermäßig ängstlich, nicht gestresst sein. Und er muss in der Gesellschaft akzeptiert sein. Im Idealfall ist er maximal eineinhalb Jahre alt.

Ringo wacht über ein Kinderleben
Barbara Glatz
Wie lange dauert die Ausbildung?

Wenn die Hunde bei uns auf die Welt kommen, beginnt ihre Ausbildung am zweiten Lebenstag. Mit drei Monaten etwa kommen sie zu den Patenfamilien. Dort werden sie erzogen und tauglich für den Alltag. Nach sechs bis zwölf Monaten kommen sie ins ATC zurück und erhalten hier vier Monate ihre Spezialausbildung. Wir nehmen aber auch Tiere aus dem Tierschutz. Bei ihnen verlängert sich die Trainingszeit, da muss man die Vorgeschichte wegtrainieren. Die Hunde sollen eine zweite Chance erhalten. Und sie bringen eine größere Vielfalt. Ein kleiner Schnauzer, zum Beispiel, passt besser zu einem Kleinkind als Labradors.

Was muss ein Diabetiker-Warnhund können?

Die Hunde lernen die Kommandos aus dem Grundgehorsam. So sind sie unauffällig. Sie werden auf Alltagstauglichkeit trainiert, damit sie sich überall zurechtfinden. Im Spezialteil schulen wir ihre Geruchsleistung, und dass sie z. B. das Messgerät bringen oder Hilfe holen.

Wie viel kostet die Ausbildung?

20.000 bis 25.000 Euro: Das hängt davon ab, wo der Hund herkommt und wie gut er beinander ist. Der Selbstbehalt für Diabetiker beträgt 1500 Euro. Der Rest wird von Sponsoren übernommen. Wobei es für Diabetiker immer schwierig ist, Sponsoren zu finden.

Wer hat Chancen auf einen Diabetiker-Warnhund?

Voraussetzung ist, dass der Patient insulinpflichtig ist und die Über- bzw. Unterzuckerung selbst nicht erkennt. Es muss der Wunsch nach einem Hund da sein, jeder Hund ist eine Aufgabe. Das Zusammenspiel von Mensch und Tier ist harte Arbeit. Natürlich erleichtert ein Diabetiker-Warnhund den Alltag, gleichzeitig fordert er heraus. Der Bedarf ist durch Aufklärung geregelt.

Infos: www.animaltrainingcenter.at

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