Süßes macht nicht immer dick

Süßes macht nicht immer dick
Kinder, die viel naschen, sind seltener übergewichtig – woran das liegt und was sie richtig machen.

Es klingt paradox, aber Kinder, die viel Süßes naschen, sind weniger oft übergewichtig. Das zeigt eine Meta-Analyse im American Journal of Clinical Nutrition, für die insgesamt 19 Studien mit rund 177.000 Teilnehmern überprüft wurden. Die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht und Fettleibigkeit war bei den Kindern und Jugendlichen mit dem höchsten Konsum von Süßigkeiten wie Schokolade sogar um 18 Prozent niedriger.

Die Ergebnisse sind für Experten wie den Ernährungsmediziner Univ.-Prof. Kurt Widhalm "gar nicht so überraschend". Allerdings habe eine der analysierten Studie ergeben, dass der Anteil der Energiemenge aus Süßigkeiten nur etwa drei Prozent dessen ausmacht, was die Kinder im Laufe des Tages zu sich nehmen – sie ernähren sich also nicht ausschließlich von Süßem und Junkfood.

Süßwaren nicht große Treiber für Übergewicht

"Umgekehrt nehmen übergewichtige Kinder weniger Süßigkeiten zu sich, weil es ihnen verboten wird oder weil sie Angst haben zuzunehmen." Es könne aber auch sein, dass übergewichtige und adipöse Studienteilnehmer "underreporten", also weniger angeben, als sie tatsächlich konsumieren, erklärt Marlies Gruber vom forum.ernährung heute.

"Worauf die aktuelle Studie jedenfalls hinweist, ist, dass Süßwaren nicht der große Treiber bei der Entwicklung von Übergewicht sind." Schon Untersuchungen in den 1990er-Jahren hätten gezeigt, dass es keinen Zusammenhang zwischen Übergewicht und dem Konsum von Süßigkeiten gibt. Dass Zucker an sich weder dick noch zuckerkrank macht, veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bereits 2011 in ihrer Leitlinie zu Kohlenhydraten.

Balance von Ernährung und Bewegung

"Es kommt auf die Balance zwischen Ernährung und Bewegung an", sagt Widhalm und erinnert an die Milchmädchen-Rechnung: Nur wer mehr Kalorien zu sich nimmt, als abzubauen, legt Gewicht zu. "Wenn ein Kind den ganzen Tag vor dem TV sitzt und sich kaum bewegt, dann sind viele Süßigkeiten katastrophal. Aber wenn jemand viel Sport betreibt, darf er ruhig ab und zu einen Burger essen oder Softdrinks trinken." Verbote seien jedenfalls nicht sinnvoll. Die genaue Ursache, warum Kinder, die viel naschen, weniger oft dick sind, wird mit der Meta-Analyse allerdings nicht geklärt. Eine Theorie ist, dass "Menschen, die sich zuckerreicher ernähren, weniger Fett essen und mitunter weniger Gewicht auf die Waage bringen, weil Fett pro Gramm mehr Kalorien liefert", erklärt Marlies Gruber. Der Konsum von Süßigkeiten könne auch durch den hohen Zuckeranteil zu einem stärkeren Sättigungsgefühl führen, weswegen in Summe mitunter weniger von anderen Lebensmitteln gegessen werde.

Die Autoren der aktuellen Analyse kommen jedenfalls zu dem Schluss, dass Maßnahmen gegen Übergewicht sich weniger gegen Süßigkeiten richten, sondern den generellen Umgang mit Ernährung in den Fokus rücken sollten (siehe auch Bericht unten).

Damit ist das Ergebnis zwar kein Aufruf, ungehemmt in die Naschlade zu greifen, aber ein bisschen Süßes darf schon sein.

Schätzungen zufolge ist jedes vierte Kind unter 18 Jahren in Österreich übergewichtig. „Genaue Zahlen gibt es nicht, weil sie zwar von den Schulärzten erhoben, aber nicht institutionalisiert ausgewertet werden“, kritisiert der Ernährungsmediziner Univ.-Prof. Kurt Widhalm. Gäbe es einen besseren Überblick, in welchen Gebieten und in welchen Altersgruppen es die meisten Probleme gibt, könnte man viel gezielter mit präventiven und therapeutischen Maßnahmen ansetzen. Eine Erhebung bei Sieben- bis Neunjährigen in Wien habe kürzlich gezeigt, dass 38 Prozent der Kinder übergewichtig waren. Fast zwei Prozent sind sogar hochgradig übergewichtig.

Früher sensibilisieren

Es sei wichtig, den Kindern frühzeitig einen anderen Zugang zu ihrem Essen zu ermöglichen. „Broschüren alleine bringen nichts“, sagt Widhalm. So könne man Kinder im Rahmen von Schulprojekten dafür sensibilisieren, was in ihrem Essen drinnen ist. „Verhalten kann man dadurch ändern, indem man Kinder mit dem Essen beschäftigt. Ein Kind, das auf dem Bauernhof war und selbst Karotten ausgräbt, geht bewusster damit um“, erklärt Widhalm, der schon Kinder erlebt hat, die dachten, Karotten würden auf Bäumen wachsen. „Wir beschäftigen uns viel zu wenig mit unseren Lebensmitteln.“

Wenn dann auch noch mehr Möglichkeiten für Sport und Bewegung geschaffen werden – auch außerhalb von Turnsälen – könnten zwei wichtige Grundpfeiler zur Verhinderung von Übergewicht geschaffen werden.

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