„Menschen mit Menschen und Menschen mit Gott zu verbinden“ war das Motto des Laienpredigers Thomas Cook. Diese Reise, die als Vorläuferin der später von Cook organisierten Pauschalreisen angesehen werden kann, markierte den Beginn des Massentourismus.
Es folgten Exkursionen nach Liverpool, London, Paris – und schließlich die erste Ägyptenreise: Erstmals waren nicht nur die Ausgaben für Bahn und Schiff, sondern auch für Unterkunft und Verpflegung inbegriffen. Die Pauschalreise war geboren.
Teilnehmer dieser Reise, die Cook selbst leitete, waren Briten und Amerikaner. Bald organisierte er in Luxor auch die ersten Nilkreuzfahrten, die als einer der Meilensteine in der Geschichte des Massentourismus gelten, da sie sich erstmals auch vergleichsweise weniger Begüterte leisten konnten.
Cook fuhr jedenfalls 1869 mit 32 Touristen auf zwei Dampfschiffen stromaufwärts von Kairo nach Assuan. Mindestens drei Wochen war man unterwegs, die Reisenden genossen die Langsamkeit, die Ruinen am Wegesrand, die Weite der Wüste hinter dem schmalen Ufergrün und die Haute Cuisine im Speisesaal.
„Alles kommt zu uns, wie wir so fahren“, schrieb der deutsche Dichter Rainer Maria Rilke 1911 von Bord des Cook-Dampfers „Ramses the Great“ an seine Frau Clara. Doch wir greifen vor.
1841 eröffnete in einem ehemaligen Harem von Kairo das legendäre Hotel „Shepheard’s“, in dem die Reisenden fortan ihr Europa in orientalischem Dekor wiederfanden – komplett mit französischer Küche, Schweizer Zimmermädchen und den Kontoren von „Thomas Cook & Sons“, die sich erboten, jeden Kulturschock zu dämpfen.
Etwa zu dieser Zeit schickten die Eltern auch Florence Nightingale mit Freunden der Familie nach Ägypten, um sie davon abzubringen, Krankenschwester zu werden.
Apropos: Bald versprachen der „Winter Palace“ in Luxor und das „Cataract Hotel“ (erbaut im Auftrag von Thomas Cook) in Assuan Luxus, Hygiene, Orchester sowie Fünf-Uhr-Tee – und dazu, laut Baedeker von 1914, Linderung von „Lungenschwindsucht, Asthma, chronischer Bronchitis“, von „Rheumatismus, Gicht und Schlaflosigkeit“.
Österreichs Eliten
Auch die Elite aus Österreich, Adelige und Künstler, war längst dort. „Die Fürsten Esterházy, Liechtenstein, Schwarzenberg“, erzählt der Ägyptologe Ernst Czerny. „Zuerst ging es mit Loyds übers Mittelmeer und dann mit der Dahabiya (einem traditionellen Segelboot) weiter.“
Dabei konnten sie sich auf den Reiseführer von Anton Prokesch von Osten stützen. „Der Sohn des gleichnamigen Diplomaten hatte in den 1870er-Jahren einen der ersten deutschsprachigen Reiseführer über Ägypten geschrieben“, berichtet Czerny. Bis zum Ersten Weltkrieg gab es nämlich eine große Österreicher-Kolonie in Ägypten mit regelmäßigen Personenverkehr zwischen Triest und Alexandria. Der Hintergrund war weniger das Vergnügen als vielmehr das Geschäft. Es gab in Triest ägyptische Handelshäuser und in Kairo österreichische.
Thronfolger am Nil
„Auch Kronprinz Rudolf, ein fanatischer Jäger, machte, wie damals üblich, eine Ägyptenreise“, erzählt die Ägyptologin Irene Forstner-Müller. „Er band im Tempel von Kom Ombo eine Ziege an, um Wölfe anzulocken.“ Ob das Manöver gelang, ist nicht überliefert, wohl aber die Breitenwirkung der Reise: Rudolf verfasste ein Buch über seine Expedition an den Nil.
Normalsterbliche animierte es vorerst nicht zu Ägyptenausflügen: „Das österreichische Bürgertum war nicht so reisefreudig wie die Franzosen, Briten und Italiener. Und auch nicht wohlhabend oder abenteuerlustig genug“, erzählt Czerny. Und so dauerte es bis zum Jahr 1912, ehe die Wiener Urania 75 Abenteuerlustige vom Wiener Südbahnhof per Zug nach Triest und von dort mit dem Schiff nach Alexandria brachte – Unternehmer, Professoren, Beamten aus der ganzen Monarchie. Kosten: 1000 Kronen, was dem Jahreslohn eines Arbeiters entsprach. Ein „unbemitteltes Fräulein“ erhielt ein Reisestipendium.
Immer mit dabei auf der Tour nach Kairo, Luxor und Assuan: der Tropenhelm und Zacherls Insektenpulver, hergestellt in Wien und damals Reisestandard. Außerdem empfahl man den Ägyptenreisenden der ersten Stunde die Mitnahme entsprechender Garderobe für die Abenddiners in noblen Hotels.
Mehr Glamour als Nizza
Die gab es am Nil bereits zuhauf: Ägypten entfaltete Anfang des 20. Jahrhunderts einen Glamour, der Nizza und Neapel zu beschatten drohte. Man saß auf der Terrasse des „Mena House“ und schaute Arthur Conan Doyle beim Golfen zu. 1884 am Ende der Pyramid Road gleich neben den Pyramiden errichtet, war sein erster Manager der österreichische Baron Ernst Radokowski.
Bereits 1841 hatte in einem ehemaligen Harem von Kairo das legendäre Hotel „Shepheard’s“ eröffnet. Hier schlug schon Napoleon sein Privatquartier auf, als seine Truppen im Jahr 1789 in Ägypten einmarschierten. Und wer stieg nicht alles im „Gezira“ ab, Agatha Christie etwa.
Mit ihrer Mutter durchtanzte sie hier als schüchterne 19-jährige Blondine ihre Debütantensaison 1911/1912. Ägypten blieb sie ein Leben lang treu: Sie kam ins „Old Cataract“ in Assuan. Und auf einer Postkarte an eine Freundin ist nachzulesen, dass sie in Luxor mit ihrem Mann, dem Archäologen Max Mallowan, den frisch ausgegrabenen Tutanchamun besichtigt habe und nun auf einer Terrasse des „Winter Palace Hotels“ in der Sonne liege, „glücklich wie eine heilige Kuh“.
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