Sterilisieren statt verhüten

Sterilisieren statt verhüten
An die Entwicklung einer Pille für den Mann glaubt der Erfinder der Pille, Carl Djerassi, nicht. Dafür hat er andere Ideen.

Schon wieder ein neuer Ansatz für die Entwicklung einer Verhütungspille für den Mann: Forscher vom Zentrum für Fortpflanzung an der University of Edinburgh haben ein Gen entdeckt, das eine wichtige Rolle in der Produktion von Spermien spielt. Nun hoffen sie, damit endlich einen Schlüssel zur männlichen Verhütung gefunden zu haben.

Über solche und viele ähnliche bisherige Ansätze kann Prof. Carl Djerassi, der Erfinder der Anti-Baby-Pille, nur schmunzeln. Bei einem Vortrag an der MedUni Wien ging er Donnerstagabend der Frage nach: "Wo bleibt die Pille für den Mann?"

Während es die Pille für die Frau nun schon seit mehr als 50 Jahren gibt, sind Männer für die Verhütung noch immer auf Kondome angewiesen. Die einzige Alternative: Eine Vasektomie (Durchtrennung der Samenleiter) –, die sich allerdings nur schwer rückgängig machen lässt.

Bemühte Versuche, weitere Alternativen zu entwickeln, sind bisher kläglich – manche sogar kurz vor dem vermeintlichen Durchbruch – gescheitert. "Um die Pille für den Mann zu entwickeln, bräuchte man mindestens 14 Jahre Zeit und ein Budget von zumindest einer Milliarde Dollar", rechnet Djerassi vor. Kein Wunder also, dass "von den 20 großen Pharmafirmen weltweit keine einzige mehr an der männlichen Verhütung forscht und sogar nur noch zwei an der weiblichen".

Auf der anderen Seite gibt Djerassi zu bedenken, dass Frauen sich mit der Pille zwar der hormonellen Belastung aussetzen, aber "nur wenige werden sich darauf verlassen wollen, dass ein Mann seine Pille nicht vergisst". Immerhin ist es ja die Frau, die dann die Folgen (aus-)tragen muss.

Was bleibt also im Spektrum der Möglichkeiten? Weder Ovulations-Berechnungen mithilfe von Harntests noch Spermizide, die eine Befruchtung durch das Abtöten von Spermien verhindern sollen, bieten bisher sichere Alternativen zu Kondom und Anti-Baby-Pille.

Einfrieren

Djerassi hat jedoch eine andere Vision von der Zukunft der Verhütung: "Ich bin überzeugt, dass junge Frauen sich in den nächsten 20 bis 30 Jahren ihre Eizellen einfrieren lassen – als Versicherung, falls sie ihre Kinderplanung wegen Studium und Karriere nach hinten verschieben." Damit könnten sie ihre jungen, gesunden Eizellen später einsetzen lassen, wenn die Familienplanung ansteht. "Und wie so oft", glaubt Djerassi, "werden Männer es den Frauen gleichtun und ihre Spermien einfrieren lassen – dann ist eine Vasektomie auch in frühen Jahren schon möglich."

In seiner Vision wäre so nicht nur die Frage der Verhütung geklärt – es wäre vor allem möglich, unzählige Abtreibungen zu verhindern. Berechnungen aus dem Jahr 1992 zufolge werden innerhalb von 24 Stunden weltweit immerhin 100 Millionen Geschlechtsakte vollzogen – daraus entstehen etwa eine Million Befruchtungen. Etwa die Hälfte davon geschieht unerwartet und wiederum die Hälfte davon ist unerwünscht. "Das führt zu 150.000 Abtreibungen alle 24 Stunden, die man verhindern könnte."

Auch, wenn die Vorstellung, Kinder nur noch per künstlicher Befruchtung zu zeugen, unromantisch klingt, glaubt Djerassi an die Vorteile: "Es wurden jetzt schon mehr als vier Millionen Menschen unter dem Mikroskop gezeugt. In einer solchen Welt gäbe es nur noch gewünschte Kinder und das ist der Zement jeder guten Beziehung und Familie."

"Mutter der Anti-Baby-Pille"

Herkunft: Carl Djerassi wurde 1923 in Wien als Sohn eines jüdischen Ärztepaares geboren. Mit Beginn der Nazizeit floh er zunächst nach Bulgarien und wanderte später in die USA aus.

Forscher:Anfang der 1950er-Jahre stellte er das Sexualhormon Norethisteron, ein Gestagen, künstlich her. Damit entwickelte er mit Gregory Pincus und John Rock 1951 die Anti-Baby-Pille, die ab 1960 auf den US-Markt kam. In seiner Autobiografie bezeichnet sich Djerassi als "Mutter der Pille".

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