Gedenken: Sigmund Freuds Heimkehr nach 80 Jahren

Gedenken: Sigmund Freuds Heimkehr nach 80 Jahren
Die MedUni enthüllte eine überlebensgroße Statue des Begründers der Psychoanalyse.

1938 notierte Sigmund Freud in seinem Tagebuch:

Mo 14/3 Hitler in Wien

Mo 28/3 Aufnahme in England gesichert – Ausreise scheint möglich

Do 12/5 Pässe bekommen

Sa 3/6 Abreise 3h25 Orientexpress

So 4/6 Paris

Mo 5/6 London. Neues Haus

Bald nach seiner Ankunft in Großbritannien gab Sigmund Freud der BBC ein Interview: „Im Alter von 82 Jahren verließ ich in Folge der deutschen Invasion mein Heim in Wien und kam nach England, wo ich mein Leben in Freiheit zu enden hoffe.“

Exakt 80 Jahre danach kehrt einer der berühmtesten Österreicher nach Hause zurück. Symbolisch: Am Campus der MedUni Wien in der Spitalgasse 23 wurde eine Statue des Begründers der Psychoanalyse enthüllt – passenderweise 1936 von einem Künstler gestaltet, der wie Freud in der Habsburgermonarchie geboren war: Oscar Nemon musste wie Freud 1938 aus Wien fliehen.

Fast zwei Jahre lang hatte sich die MedUni, die sich schon das ganz Jahr über mit dem Gedenken an den Anschluss beschäftigt, um die Statue bemüht. 1936 war Freud dem jungen Künstler, der später weltberühmt werden sollte und Statuen der Queen und Winston Churchills schuf, „widerwillig und ungeduldig Model gesessen“, wie sich dessen Tochter, Lady Aurelia Young, bei der Enthüllung erinnert. Schon damals war die Bronze für Wien bestimmt gewesen. Doch der Hof der MedUni blieb – den Nazis geschuldet – verwaist. Bis gestern.

"Sigmund hasste es, aus Wien wegzugehen"

Mit dabei bei der verspäteten Enthüllung: Freuds Urenkel, Lord David Freud, der sich im KURIER-Gespräch an seinen Urgroßvater erinnert: „Mein Vater sagte immer: Sigmund hasste es, aus Wien wegzugehen. Er war ein alter Mann, der an Krebs litt und nicht mehr lange zu leben hatte.“ Der Grund, warum er sich dennoch zum Gehen entschloss, waren seine beiden Kinder: „Sowohl Anna als auch Martin kamen mit der Gestapo in Berührung und entkamen nur knapp. An diesem Punkt erkannte er, dass es weniger um ihn selbst ging, als um seine Familie. Er murrte zwar immer, dass er sich um die ganze Sippe kümmern musste, verspürte dann aber doch die Verantwortung, sie in Sicherheit zu bringen.“

Und so stieg man exakt vor 80 Jahren in Wien in den Orient-Express, der die Familie erst nach Paris und dann nach London bringen sollte. Wie es war, in der Familie eines Giganten aufzuwachsen? „Für seine Kinder und Enkel war es schlimm“, meint David. Aber mit jeder Generation wurde es leichter. Privat dürfte der Psycho-Gigant nämlich nicht ganz so weise und reflektiert gewesen sein: „Meinem Vater ist vor allem in Erinnerung geblieben, wie oft sein Großvater Sigmund grantig war.“ David vermutet, dass Freud in seiner letzten Lebensdekade aufgrund der Krebsbeschwerden einfach schlecht gelaunt war.

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