Interview: „Keine Trainings für die Schuleinschreibung“

Interview: „Keine Trainings für die Schuleinschreibung“
Gerhard Krötzl vom Bildungsministerium über die Frage, wie man Kinder am besten auf die Schule vorbereitet

Im Bildungsministerium begleitet der Leiter der Abteilung Schulpsychologe, Gerhard Krötzl, das Projekt „Schulreife-Einstufung“, das im nächsten Schuljahr in Pilotschulen eingeführt wird. Mit dem KURIER spricht er über große Unterschiede zwischen den Kindern, unterschiedliche Zugänge von Direktoren und was Kindergärten und Schulen voneinander lernen können.

Viele Eltern machen sich Sorgen, ob ihr Kind gut genug auf die Schule vorbereitet ist.
Gerhard Krötzl: Man muss sich fragen, was ist das Beste für das Kind, wie kann es gefördert werden, wie schafft es den Einstieg am besten? Es geht nicht nur um die Frage, Vorschulklasse oder erste Klasse. Wie kann man das Kind heranführen und dafür ist auch in der erstem Klasse noch Zeit. Man muss da ein bisschen Druck herausnehmen. Es ist natürlich wichtig, dass Eltern ihre Kinder fördern – vorlesen, spielen, sich interessieren, ihnen die Möglichkeit geben, sich zu entfalten, sich in einer Gruppe zu erleben. Nicht darum, ein Training für die Schuleinschreibung durchzuführen.

Was wollen Sie erreichen?
Den Kriterienkatalog  brauchen wir, damit wir sehen, wo das Kind steht und wie man es am besten fördern kann. Es geht nicht um eine Einteilung.

Das wird in den Bundesländern ja sehr unterschiedlich gehandhabt.
Es gibt die Statistiken, die vor Schuleintritt sehr unterschiedlich, aber gegen Ende der ersten Schulstufe nähert sich das mehr an. Dort wartet man mit der Entscheidung über Schulreife mehr zu. Wir wollen den Schulleitern mehr Hilfestellung geben, das einheitlicher zu entscheiden. Es gibt schon viele Initiativen zur Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schulen, um den Übergang besser zu gestalten. Da gibt es aber auch rechtliche Schwierigkeit mit dem Datenschutz. Die Eltern müssen jedenfalls einverstanden sein, dass die Informationen ausgetauscht werden.

Wer ist zuständig für diese bessere Förderung?
Für Eltern ist es wichtig, sich an der Bildungspartnerschaft zu beteiligen. Kindergarten, Schule und Eltern sollten sich austauschen, was das beste für das Kind ist.

Wie müsste die Zeit zwischen Schuleinschreibung und -eintritt genützt werden?
Notwendig ist ein Entwicklungsprozess mit einem Austausch zwischen Kindergarten und Schule. Bei manchen Projekten geht man aufeinander zu und lernt von einander, das ist nicht selbstverständlich. Vorschreiben kann man das nicht, weil das unterschiedliche Zuständigkeiten sind. Die Elementarpädagogik will sich auch nicht darauf reduzieren, die Kinder auf die Anforderungen der Schule vorzubereiten. Der Kindergarten will die Kinder ganzheitlicher fördern. Durch die pädagogische Arbeit im Kindergarten geschieht natürlich die Vorbereitung, mit anderer Logik und nicht so zielgerichtet in Bezug auf einzelne Kompetenzen. Das ist noch viel nötig. Die neuen Bildungsdirektionen böten die Chance, die Elementarpädagogik auch dort anzusiedeln. Das ist bei manchen auch angedacht.

Ganzheitlich wäre auch ein Vorteil für die Schule.
Aus vielen Beispielen weiß man, dass die Kindergartenpädagogik wichtige und gute Impulse für die Grundschule geben könnte. Lehrerinnen könnten auch viel von Kindergartenpädagoginnen lernen.

Werden Eltern beim Direktor zugeben, dass sie ihr Kind für nicht schulreif halten?
Aus meiner Praxis als Schulpsychologe weiß ich, dass manchmal Eltern sagen, ihr Kind  sollte noch zurückgestellt werden. Da muss manchmal die Schule sagen, das Kind ist weit genug. Eltern sollten aber ermutigt werden, offen mit der Schule zu reden.

Wie soll das neue Screening aussehen?
Weiterhin entscheidet der Schulleiter über die beste Fördermöglichkeit für das Kind. Da kann er auf externe Informationen zurückgreifen, die Eltern mitbringen, wie etwa Portfolioarbeiten aus dem Kindergarten. Als Hilfestellung bereiten wir mit der Uni Wien und der Uni Graz  ein standardisiertes Screening vor, das ihm helfen soll. Es soll die Instrumente ersetzen, die  aus Erfahrung entwickelt wurden. Es ist eben nicht richtig, wenn langjährige Schulleiter sagen: ’Wenn jemand durch die Tür kommt kommt, weiß ich schon, was los ist.’ Durch das Screening soll ein Lamperl aufleuchten, wenn es etwas Wichtiges gibt.  Und dann eine Rückmeldung an die Eltern oder auch an den Kindergarten, was man tun kann bis zur Schuleinschreibung, um diese Vorläuferfunktionen zu fördern. Die Elementarpädagogen nennen das lieber Grunddisposition. Durch eine Standardisierung gewinnt man eine Information, die man sonst nicht bekommt. Das ist durch den Vergleich mit der Grundgesamtheit aussagekräftiger. Da kann auch herauskommen, dass ein Kind besondere Begabungen hat, nicht nur, ob es überhaupt schulreif ist.

Was sollen Kinder können?
Wir haben verschiedene Dimensionen. Kognitive Reife. Sprachliche Kompetenz. Körperliche Entwicklung, die sozial-emotionale Reife.
Die Silben unterscheiden zu können. Größer kleiner, weniger mehr. Die Grundlage für Mathematik. Zahlenbezogenes Vorwissen, etwa Zahlwörter verstehen und Überlegungen im Zahlenraum bis 5. Ob ein Kind bis 10 oder 50 zählen kann, ist gar nicht so relevant.
Die Sprachstandsfeststellung wird im Kindergarten gemacht. Es wäre gut, wenn Eltern diese Ergebnisse in die Schule mitbringen. Direkt weitergeben ist ja nicht erlaubt. Da ist noch viel offen, was die Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schule betrifft.

Bei der Selbstkontrolle tun sich ja sogar Erwachsene noch schwer.
Den sozial-emotionalen Bereich kann man in einem Screening nicht so gut feststellen, soll man auch nicht.  Der ist in der Verordnung sehr global  formuliert. Bei Themen wie der Selbstkontrolle muss man vorsichtig sein. Menschen sind unterschiedlich und selbst Erwachsene haben eine unterschiedlich gute Emotionsregulation. Es kann einfach eine unterschiedliche Persönlichkeit und nicht ein Problem. Und auch ein Problem in diesem Bereich kann man nicht unbedingt durch einen Vorschulklassen-Lehrplan beheben. Da kann man nicht einfach sagen, das Kind ist nicht schulreif. Da muss man auch herausfinden, welche Entwicklung absehbar ist und wie man das Kind heranführen kann.

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