Schlau: Glückliche Schweine können Gesichter unterscheiden
Zazou ist eine Rampensau. Hört der Eber der australischen Kune Kune-Rasse seinen Namen, schwartelt er über die weitläufige Weide des Haidlhofs bei Bad Vöslau und wartet in einem kleinen Holzverschlag vor zwei Monitoren auf seinen großen Auftritt. Neugierde und Apfelstücke treiben ihn an. Für jedes richtig erkannte Frauengesicht, das über den Bildschirm flimmert, gibt es einen Snack zur Belohnung.
Zazou ist eines von 39 Versuchstieren, die in einer Studie der Vetmeduni Vienna zeigten, dass ihre visuelle Wahrnehmung nicht unter dem Hund liegt. Die Ergebnisse – veröffentlicht in Applied Animal Behaviour Science – liefern einen weiteren Beweis für die beachtlichen kognitiven und sozialen Leistungen, die den Paarhufern lange nicht zugetraut wurden.
Tierschutz
„Wir wollten uns nach streng wissenschaftlichen Methoden anschauen, wie Schweine mit Bildern umgehen“, sagt Studienleiter Ludwig Huber vom Messerli Forschungsinstitut, dem es um artgerechte Haltung und die Verbesserung der Mensch-Tier-Beziehung geht: „Die sensiblen Tiere lernen von uns, über uns und durch uns. Sie sind keine Wiener Schnitzel auf vier Beinen.“
Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass die domestizierten Wildschweine ausgesprochene Nasentiere sind, zudem verfügen sie über ein feines Gehör. In visuellen Test schnitten die Stalltiere bisher schlecht ab. Huber und sein Team wollten das für ihre nahezu natürlich lebende Rotte auf dem Haidlhof nicht glauben: Sie trainierten die Freilandschweine mit Versuch und Irrtum – Futter oder roter Bildschirm – darauf, zehn Frauenporträts in der Frontansicht bzw. deren Hinterköpfe auseinander zu halten. Und siehe da: Schweinchen Schlau prägte sich die zweidimensionalen Vorlagen – verräterische Begleitgerüche ausgeschlossen – schneller ein als gedacht.
Nicht auswendig gelernt
In Folge ließen sich Zazou und seine Artgenossinnen auch nicht von 16 neuen Konterfeis plus Rückansichten täuschen. Erst als Augen, Nase oder Mund im Photoshop gelöscht oder an andere Stelle verschoben wurden, nahm die Trefferquote ab, charakteristische Unterscheidungsmerkmale fehlten. „Das zeigt, dass die Schweine die Bilder nicht auswendig gelernt haben, sondern sich ein allgemeines Konzept von der Ansicht gebildet haben“, schließt Huber.
Höchstleistungen auf der Wiese
Offenbar verarbeiten die Tiere optische Reize mit mehr Hirnschmalz als bisher gedacht; offenbar laufen Glücksschweine viel eher zu Höchstleistungen auf als Stalltiere im Mastbetrieb. Die klugen Probanden vom Haidlhof wachsen mit ihren Müttern und Tanten auf grüner Wiese auf. Sie verbringen den Tag mit der Futtersuche und Schlafen. Sie pflegen abwechslungsreiche Sozialkontakte; manche sind aufgeschlossen, andere ungesellig. Wer sich mag, spielt miteinander und verrät, wo es die besten Gräser gibt. Aufmerksame Schlaumeier und desinteressierte Studienverweigerer dürfen hier gemeinsam alt werden.
Wie Hunde
„Unter solchen Bedingungen sind Schweine gleich intelligent wie Hunde; wobei ich mit dem Begriff Intelligenz sehr vorsichtig bin“, betont der Kognitionsbiologe: „Der Unterschied ist: Der Hund landet auf dem Sofa, das Schwein auf dem Teller.“
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