"Rundum gsund" statt ausgehungert

"Rundum gsund" statt ausgehungert
Bei einem Seminar für übergewichtige Frauen geht es um viel mehr als nur um rigides Diät-Halten und Kilo-Verlieren.
Von Uwe Mauch

Gute, gelöste Stimmung im FEM, dem Frauengesundheitszentrum im Kaiser-Franz-Josef-Spital im Süden von Wien. 16 deutlich übergewichtige Frauen bewegen ihre Arme, Beine und Hüften. Nicht zu schnell und nicht zu kräftig. Darauf achtet die 17. Frau der Gruppe, eine junge Trainerin.

Es ist Montagabend, erst der vierte Abend des Kurses "Rundum gsund" – und die 16 Teilnehmerinnen fühlen sich bereits recht wohl. Der Schmäh rennt, löst auch Verkrampfungen. Ja, es geht hier um Fettverbrennung, aber auf einem Level, der niemanden überfordert.

Heute haben die Frauen im ersten Kursteil beim Genusstraining mit einer Diätologin gelernt, dass Essen und Trinken nicht automatisch Sünde sein muss.

"Das ist für viele nicht selbstverständlich", weiß die beim FEM angestellte klinische Gesundheitspsychologin Sonja Rader. "Die meisten leiden seit Jahren unter ihrem schlechten Gewissen, einige tragen auch frustrierende Ab- und Zunahme-Erfahrungen mit sich herum", ergänzt ihre Kollegin Martina Trimmel.

Rader und Trimmel leiten den Kurs, der ein Jahr lang dauert und mit 95 € Teilnahmegebühr im Vergleich zu aggressiv beworbenen Diäten sehr kostengünstig ist.

Irrglaube

Anfangs muss mit einigen Vorurteilen aufgeräumt werden, sagt Psychologin Rader. "Viele Frauen kommen mit dem Ziel zu uns, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel abzunehmen. Das ist nur schwer aus ihren Köpfen rauszubringen. Ein weiterer Irrglaube ist, dass man zum Abnehmen eiserne Disziplin benötigt." Im Kurs wird ein neuer, weniger strenger Zugang gewählt: "Jeder von uns darf sich auch einmal einen Fehler leisten."

Die Anzeige auf der Waage sei wichtig, wichtig ist aber auch der Fettanteil. "Noch viel wichtiger ist, dass die Frauen auf Dauer ihren Lebensstil ändern."

Das Ziel kann nur in kleinen Schritten erreicht werden. Mit eigenen, möglichst leicht in den Alltag zu integrierenden wöchentlichen Hausaufgaben. Die zum Beispiel lauten können "Gehen Sie alle Stiegen, die hinunter führen, zu Fuß" oder "Gönnen Sie sich nur jeden zweiten Tag etwas Süßes".

Vier Monate lang trifft sich die Gruppe an jedem Montag, dann zwei Monate 14-tägig, in den restlichen sechs Monaten gibt es nur mehr Zusammenkünfte in spontan gebildeten Gruppen bzw. Anweisungen und Aufmunterungen via Internet.

"Ziel ist es da, die Frauen in dieser Zeit langsam in ihre Eigenverantwortung zurückzuführen", erklären die beiden Kursleiterinnen. Sie können sich dabei auf Erfahrungen der seit 2004 erfolgreich praktizierten Gruppenprogramme stützen. Eine weitere lautet: Dauerhaftes Wohlgefühl kann auch kein Diät-Guru garantieren.

Am Ende des Kursabends gehen die Teilnehmerinnen auffallend entspannt nach Hause. Für einige war die Erfahrung, Essen genießen zu können, völlig neu. Andere würden nie einen Schritt in ein Fitnesscenter setzen. Dabei kann ein bisschen Bewegung so guttun. Wieder anderen ist bewusst: Es ist noch ein weiter Weg bis zum Ziel, aber die wichtigen ersten Schritte sind nun gesetzt.

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