Zigarette im Beisl ist Auslaufmodell

Ein totales Rauchverbot nach 2016 wird kommen.
Nach dem Lungenkrebstod des News-Journalisten Kurt Kuch ist eine neue Debatte über ein sofortiges Rauchverbot in der Gastronomie ausgebrochen.

Wenn man uns Wirte nicht mehr will, dann soll uns das die Politik auch sagen", konnte sich Helga Rigler, Chefin des Restaurants Neubauschenke, beim KURIER-Lokalaugenschein mit einem generellen Rauchverbot in der Gastronomie nicht anfreunden. "Ich bin jetzt seit 35 Jahren am Neubau Wirtin und bei uns kommen Raucher und Nichtraucher bestens miteinander aus. Ich bin vehement, auch weil wir Gäste verlieren würden, gegen ein generelles Rauchverbot in Lokalen."

Zigarette im Beisl ist Auslaufmodell
Rauchverbot

Im Traditionslokal Neubauschenke gibt es baulich getrennte Raucher- sowie Nichtraucher-Bereiche. Das Restaurant war gestern, Montag, hervorragend besucht. Chefin Rigler ärgert ein Umstand ganz besonders: "Dieser jetzige Vorstoß ist ein Eingriff in die Unabhängigkeit der Bürger und der Gewerbetreibenden. Wir zwingen ja niemanden, sich eine Zigarette anzuzünden."

Ähnlich die Argumentation im Cafe Bocan in der Neubaugasse. Das Lokal ist unter 50 Quadratmeter groß, die Betreiber können daher im gesamten Bereich rauchen lassen. An der Bar sitzen drei Gäste. Jeder zieht zum Großen Braunen genüsslich an einer Zigarette. Martin L., die Vertretung des Chefs, bringt die aktuelle Initiative "leicht auf die Palme. Wir leben von den Stammgästen, und die sind zu 90 Prozent Raucher. Nichtraucher müssen ja nicht in unser Lokal kommen." Nachsatz: "Bei einem Gastro-Rauchverbot hätten wir 75 Prozent weniger Besucher. Das wäre ein Grund, zu schließen."

Zigarette im Beisl ist Auslaufmodell
Rauchverbot

Ende der Stammtische

Helmut Hinterleitner, Bundeswirtschaftskammer-Obmann der Gastronomie, fürchtet vor allem um Beisln und Gasthäuser in ländlichen Regionen: "Kommt ein generelles Rauchverbot, dann werden sich viele Betriebe nicht halten können. Die beliebten und gut frequentierten Kommunikations-Drehscheiben in den Gemeinden sind dann Geschichte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Politik das will." Hinterleitner, er führt selbst ein Hotel, sprach einen weiteren Aspekt offen an: "So tragisch der Tod des Journalisten Kurt Kuch ist, es wird weiter geraucht werden. Das aktuelle Tabakgesetz hat sich bewährt und sollte bleiben. Sonst werden die Stammtische in den Wirtshäusern zum Auslaufmodell."

Bevormundung

Der KURIER-Lokalaugenschein führte auch in das Reformhaus Buchmüller auf der Neubaugasse. Chefin Margarete Kreidl bietet vegetarische und vegane Kost an. Im Lokal besteht striktes Rauchverbot: "Ich halte ein generelles Rauchverbot in Lokalen für eine Bevormundung. Konsumenten sind doch mündige Bürger."

Attila Kamara, Wien: „Stammtische verlagern sich dann nach Hause. Mich ärgert die Doppelmoral der Politik: Steuern kassieren, aber das Rauchen generell verbieten wollen. Und ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen dann ihren Job verlieren.“

Karin Strohmer, Korneuburg: „Ich war früher Raucherin, habe aber aufgehört. Es ist mir egal, ob weiterhin in der Gastronomie geraucht werden darf oder nicht. Viel wichtiger finde ich, dass von der Politik eine einheitliche Regelung geschaffen wird.“

Andreas Kamleitner, Wien: „Bei einem Rauchverbot gibt es eben mehr Haus-Partys. Denn ohne Zigarette fehlt die Gemütlichkeit. Gehe ich ins Restaurant, brauche ich keine Zigarette. Nach der Arbeit möchte ich mich aber im Beisl entspannen, mit Nikotin.“

"An uns wird es nicht scheitern", sagt Andreas Schieder. Das generelle Rauchverbot in Lokalen meint der SPÖ-Klubobmann. Ob des Lungenkrebs-Todes des renommierten Aufdecker-Journalisten Kurt Kuch sind Politiker aktiv geworden. Grün-Mandatar Peter Pilz drängte vergangenen Sonntag darauf, das jetzige Tabakgesetz noch im Jänner dahingehend zu ändern.

Die Chancen dafür, sich vom "hatscherten Kompromiss" (Schieder), der seit 2009 Gesetz ist, zu verabschieden, sind gut. Auch die ÖVP, deren Wirtschaftsflügel sich bisher gegen das Rauch-Aus in der Gastronomie verwahrt hat, scheint zu schwenken. Wie berichtet, hat ihr Frontmann Reinhold Mitterlehner via Twitter wissen lassen, für rauchfreie Gaststätten zu sein – wobei "eine Finanzierung für Betriebe, die in die Abtrennung Raucher/Nichtraucher investiert haben", nötig sei. Auch Schieder ist dafür, Wirte zu unterstützen: "Ganz entschädigen wird man sie nicht können. Es gibt aber die Möglichkeit für die vorzeitige steuerliche Abschreibung von Investitionen." Das regt auch Schieders Parteifreundin, Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, an. Grün-Mann Pilz will ebenfalls einen "Investitionsschutz" für Gastronomen festschreiben.

Mit SPÖ und ÖVP möchte er einen Gesetzesänderungsantrag zustande bringen: "Wir brauchen in puncto Rauchen italienische Verhältnisse." Letztlich sollten alle sechs Parlamentsparteien der Neuerung zustimmen. Dass sich die ÖVP wegen Widerstands von Standesvertretern doch nicht zum "Don’t smoke" durchringt, glaubt Pilz nicht: "Ihr Minister Kurz, Gesundheitssprecher Rasinger und andere Abgeordnete haben eine entsprechende Kampagne von Kurt Kuch unterstützt. Die restlichen Mandatare werden Mitterlehner und Kurz wohl nicht im Regen stehen lassen." Derzeitiger Modus: Lokale ab 50 Quadratmetern müssen einen abgetrennten Raucherbereich haben – oder rauchfrei sein. Kleinere Betriebe können wählen: zwischen "Rauchen gestattet" und "Rauchen untersagt".

Jeder zweite Raucher stirbt an den Folgen – zwei an Lungenkrankheiten, drei an Gefäßerkrankungen. "Es geht nicht darum, etwas zu verbieten, sondern darum, vor dem Rauchen zu schützen", sagt der Onkologe Univ.-Prof. Robert Pirker von der MedUni Wien. In seiner Abteilung sieht er tagtäglich ehemalige Raucher, die im Sterben liegen und bereuen, nicht früher aufgehört zu haben. "Im Nachhinein kommen alle wie Kurt Kuch drauf, dass es auch ohne geht. Jede vierte Krebserkrankung wäre vermeidbar, würde man nicht rauchen oder damit aufhören." Internationale Beispiele wie die USA oder Großbritannien zeigen, dass sich parallel zu strengen Rauchergesetzen und hohen Zigarettenkosten die Zahlen von Lungenkrebs deutlich reduzieren. Die Herzinfarktrate ist in Ländern mit strengen Rauchergesetzen um 8 bis 20 Prozent zurückgegangen.

In der österreichischen Gesundheitspolitik vermisst Pirker die Weitsicht für das Gesamtwohl und den Mut, Dinge umzusetzen. Man müsse mehr in Richtung Prävention und Früherkennung arbeiten. "Darauf sollten auch Krebszentren vermehrt setzen." Im Vergleich mit 34 europäischen Ländern nimmt Österreich in puncto Tabakkontrolle den beschämenden letzten Platz ein. Laut einer OECD-Studie raucht jeder vierte 15-jährige Österreicher mindestens ein Mal pro Woche – das ist Weltrekord. Nirgendwo fangen so viele Jugendliche so früh an zu rauchen. Dabei zeigen etliche Studien: Je früher Menschen damit anfangen, desto eher erleiden sie Folgeschäden. Mehr als drei Viertel aller Menschen, die vor ihrem 55. Lebensjahr einen Herzinfarkt erleiden, waren Raucher.

Derzeit organisiert Pirker einen Lungenkrebs-Weltkongress, der 2016 in Wien stattfinden soll. Ob es ihm, den internationalen Lungenfachärzten gegenüber, nicht peinlich ist, dass in österreichischen Lokalen geraucht werden darf? "Wenn man etwas erreichen will, muss man den Kongress dorthin bringen, wo das Hauptproblem ist."

Zigarette im Beisl ist Auslaufmodell

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