Pflanzersammler: Die Letzten ihrer Art

Pflanzersammler: Die Letzten ihrer Art
Abenteuer Forschung: Nur noch 50 Feldbotaniker grasen die Kontinente nach seltenen Pflanzen ab. Sie alle sind Exoten mit viel Leidenschaft.

Überraschungen im Leben eines Pflanzensammlers gibt es immer wieder. Heimo Rainer, Experte für tropische Früchte – Annonaceae, geschmacklich eine Mischung aus Banane und Apfel –, entdeckte einst in einem Park einer brasilianischen Großstadt eine völlig unbekannte Art. Noch dazu aus jener Gruppe, über die er alles zu wissen glaubte. "Im letzten erhaltenen Stadtwald von Salvador da Bahia stand ich vor einem Strauch, den ich noch nie gesehen habe." Wie sich herausstellte, kommt die neue Spezies nur in dieser Hafenstadt am Atlantik vor und sonst nirgends, ein Fest für jeden passionierten Sammler. "Die brasilianischen Kollegen und ich, wir sind gehüpft." Was wäre mit diesem Ereignis vergleichbar? "Wenn ein brasilianischer Botaniker im Wienerwald einen Wiesenblume entdeckt, die den Wiener Spezialisten jahrhundertelang entgangen ist."

Pflanzersammler: Die Letzten ihrer Art

Dabei entspricht Rainer, der am Herbar des Naturhistorischen Museums arbeitet, gar nicht dem Typus des europäischen Gentleman-Forschers, der einst mit Lupe, Moskitonetz, geschultertem Gewehr und Tropenhelm in die Tropen aufbrach, um reich beladen mit seltenen Pflanzen und Abenteuergeschichten heimzukehren. "Ich bin keiner, der ganze Landstriche inventarisiert." Dieser Forscher alten Stils ist eine bedrohte Art, stellte das Fachjournal Nature fest.

Von diesen universell ausgebildeten Naturforschern, die meist auch gute Zeichner oder Fotografen waren, gab es allerdings nie viele. In den vergangenen 200 Jahren höchstens 500, unter ihnen Charles Darwin, David Livingstone oder Joseph Banks (Botaniker von James Cook). Sie leisteten einen unschätzbaren Beitrag für die Wissenschaft. Die Zehntausenden Pflanzen und Samen, die sie von ihren Reisen von der Arktis bis Australien mitbrachten, werden bis heute untersucht. Einige der gesammelten Organismen sind in der Natur bereits ausgerottet.

Heimo Rainer schätzt, dass heute 50 dieser Gentleman-Forscher weltweit unterwegs sind und für den wissenschaftlichen Fortschritt Leib und Leben riskieren. Malaria, Dengue-Fieber und Raubüberfälle gehören zu ihrem Expeditionsalltag: "Einen echten Feldforscher kann das nicht aufhalten", sagt Rainer, der in den Drogen-Anbaugebieten Perus gesammelt hat und mehrmals zwischen die Fronten geriet. "Die Guardia Civil (Polizei, Anm.) ist oft mit ihren Fahrzeugen aus dem Urwald hervorgebrochen." Rainer kam mit dem Schrecken davon, aber andere Supersammler haben ihr Leben verloren. Alwyn Gentry (Missouri Botanical Garden) starb auf einer Sammelreise in Ecuador bei einem Flugzeugabsturz. Bis dahin hatte er 80.000 Exemplare in seinem Heim-Herbar abgeliefert. Botaniker Leonard Co wurde 2010 auf den Philippinen erschossen, die Armee hielt ihn für einen Guerillero.

Faszinierende Vielfalt

Zu tun gäbe es für Generalisten noch genug. Ca. 70.000 Pflanzenarten warten darauf, entdeckt zu werden, vor allem in Lateinamerika. Das Aufstellen von Forschungsmitteln für Expeditionen wird schwieriger, weil arme Länder ihre Artenvielfalt zunehmend vor ausländischen Forschern abschotten. Gefördert werden Kooperationen zu speziellen Forschungsfragen. Einige probieren es immer noch allein, wie der US-Tropenbotaniker Gerrit Davidse, der auf KURIER-Anfrage erläutert: "Ich bin von der Vielfalt fasziniert. Außerdem gefällt mir die Vorstellung, dass ein von mir gesammeltes Exemplar aufbewahrt wird, für immer."

Theodor Kotschy: Der Supersammler

Die Elite Wer nach den fleißigsten Botanikern aller Zeiten fragt, hört Namen wie Tom Croat (100.000 Belege in 37 Ländern) und Julian Steyermark (130.000 in 26 Ländern), beide für den Missouri Botanical Garden unterwegs. Einer übertrifft sie alle: Theodor Kotschy. Von seinen Reisen brachte er 300.000 Exemplare mit.

Die Umstände Der Altösterreicher Theodor Kotschy (1813–1866) bereiste und besammelte Afrika und den Orient, u. a. Ägypten und Persien – mit den Mitteln seiner Zeit. Pferde und Kamele als Transportmittel waren genauso selbstverständlich wie das stets griffbereit geschulterte Gewehr zur Selbstverteidigung.

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