Neue Ära in der Impf-Strategie

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Ende für "eine Impfung für alle". Risikogruppen sollen mit maßgeschneiderten Impfungen geschützt werden.

Bei der Behandlung von Krebs ist personalisierte Medizin nach individuellen Bedürfnissen kaum noch wegzudenken – das soll künftig auch beim Impfen gelten. Statt einer Impfung für alle soll es vor allem für Risikogruppen neue Möglichkeiten geben. „Die Zahl der Frühgeborenen und der chronisch Kranken steigt stetig an, weil es bessere Überlebenschancen gibt. Aber sie haben auch ein schwächeres Immunsystem und damit eine höhere Infektanfälligkeit und können nicht nach Schema-F geimpft werden“, sagt Univ.-Prof. Ursula Wiedermann-Schmidt vom Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien anlässlich des Österreichischen Impftages. „Wir stehen am Beginn einer neuen Ära.“

Individuelle Lösungen für diese Risikogruppen sind demnach eine besondere Herausforderung für die Forschung. „Es bedarf einer besseren Charakterisierung des Immunstatus, ob jemand anspricht. Diese Personengruppen müssen wir nicht nur anders behandeln, sondern es geht auch oft um andere Impfstoffe oder Verabreichungsarten.“ So wissen viele etwa nicht, dass die Grippeimpfung seit vorigem Jahr über ein Nasenspray verabreicht werden kann.

In manchen Fällen sei es auch ratsam, eine Impferfolgskontrolle zu machen, „ob die Impfung überhaupt angeschlagen hat“. Das sei etwa bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen sinnvoll, aber auch Ältere sprechen schlechter an, wenn sie noch keine Grundimmunisierung haben.

Herdenschutz

Wichtig ist eine hohe Durchimpfungsrate vor allem für den Herdenschutz (siehe Grafik unten) – je mehr geimpft sind, desto geringer das Risiko für Schwache, die nicht geimpft werden können. Deshalb sind Impf-Verweigerer für Rudolf Schmitzberger von der Österreichischen Ärztekammer auch „egoistische immunologische Trittbrettfahrer. Sie verlassen sich bei gefährlichen Erkrankungen darauf, dass andere geimpft sind, und lassen sich nur nach Bedarf zum Beispiel gegen Zecken oder Tollwut impfen, um bedenkenlos in den Wienerwald oder auf Fernreisen gehen zu können.“

Bei Masern etwa sind wir in Österreich von der gewünschten Durchimpfungsrate von mindestens 95 Prozent weit entfernt. „Es gibt Jahrgänge, bei denen nur 75 Prozent der zweijährigen Kinder gegen die Masern durchgeimpft sind“, sagt Schmitzberger. Oft fehle die zweite Teilimpfung, um den vollständigen Schutz zu erreichen. Doch selbst in den eigenen Reihen fehle es noch an Impf-Disziplin. Im vergangenen Jahr wurden in Österreich 309 Masernerkrankungen registriert – etwa drei Viertel der Betroffenen waren nicht geimpft, darunter auch Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen.

Dass eine durchgemachte Masernerkrankung alles andere als eine harmlose Kinderkrankheit ist – wie von Kritikern gerne behauptet wird – hat kürzlich eine Studie im Fachjournal Science gezeigt: Das Immunsystem wird bei einer Masernerkrankung jahrelang geschwächt und führt zu einem höheren Sterberisiko durch andere Infektionserkrankungen.

Neue Ära in der Impf-Strategie

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