Nobelpreis für Suche nach Organspendern

Nobelpreis für Suche nach Organspendern
Die Ökonomen Roth und Shapley haben geforscht, wie man Menschen und Systeme am bestmöglichen zusammenbringt. Und damit Leben gerettet.

Bei der Vergabe des Wirtschaftsnobelpreises sind US-Forscher schon fast Fixstarter. In den vergangenen zehn Jahren stand immer zumindest ein US-Wissenschaftler auf der Liste. 2012 ist keine Ausnahme: Die US-Ökonomen Alvin Roth (60) und Lloyd Shapley (89) werden für ihre Forschung zu sogenannten "stabilen Allokationen" ausgezeichnet. Vereinfacht gesagt haben sich mit der Frage beschäftigt, wie Wirtschaftsteilnehmer am besten so zusammengebracht werden können, um für beide Seiten die bestmögliche Lösung zu erzielen: etwa Studenten und Universitäten, Ärzte und Krankenhäuser oder Organspender und Patienten.

Für Martin Meier, Forscher am Institut für Höhere Studien (IHS), war die Übergabe des Preises insbesondere an Shapley "längst überfällig". Denn die Arbeit von Roth, der auf den Forschungen des prominenten Spieleforschers Shapleys aufbaut, "hat unmittelbare Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen", sagt er. So werden aufgrund von Roths Matching-Algorithmen in den USA etwa Nierenspenden organisiert. "Wenn Ihr Partner Ihnen eine Niere spenden würde, Sie aber schon ein Kind von ihm bekommen haben, ist die Gefahr einer Abstoßungsreaktion groß", erklärt Meier. Mithilfe von Roths Algorithmen werden weitere zwei Paare gefunden, die das gleiche Problem haben und damit Nierenspender, bei denen die Abstoßungsreaktion nicht so groß ist. Meier: "Dank dieser Forschungen werden also Leben gerettet." Auch die Zuordnung von Praktikumsplätzen für Ärzte sei durch die Forschungen effizienter geworden, so Meier. Ulrich Berger von der Wirtschaftsuniversität Wien verweist auf die Zuteilung von Schülern im öffentlichen Schulsystem von New York, das nach dem selben Algorithmus funktioniert.

Erste Reaktion von Roth: "Habe noch geschlafen"

Nobelpreis für Suche nach Organspendern

In Kalifornien war es früh am Morgen, als Roth von der Auszeichnung erfuhr. Er habe noch geschlafen, als das Telefon klingelte. Für ihn kam der Preis völlig unerwartet, er freue sich aber, ihn mit Lloyd Shapley teilen zu können, antwortete Roth telefonisch auf erste Fragen seitens der schwedischen Presse.

Auf die Frage, ob sich für ihn durch den Nobelpreis etwas ändern werde, meinte Roth: "Ich hoffe, meine Studenten zeigen künftig mehr Aufmerksamkeit in der Klasse."

Preisträger


Der Wirtschaftsnobelpreis ist übrigens ein Nachzügler: Er wurde nicht 1895 vom Industriellen Alfred Nobel gestiftet, sondern erst rund 70 Jahre später von der Schwedischen Reichsbank. Er hat in der Vergangenheit skurrilerweise auch just bei jenen, die ihn bekommen haben, für Ärger gesorgt. Etwa beim einzigen bisher ausgezeichneten Österreicher, Friedrich August Hayek, der 1974 zum Zug kam. Der Liberale, der jede Form des staatlichen Eingriffs in die Wirtschaft für gefährlich hielt, musste sich den Preis ausgerechnet mit dem Schweden Gunnar Myrdal teilen, der wiederum ein überzeugter Sozialist war. Ein Preis für zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen – auch das hat Hayek so sehr geärgert, dass er später sogar die Abschaffung des Wirtschaftsnobelpreises forderte – wie auch Myrdal.

Mehr als 50 der 70 Preisträger haben übrigens an US-Instituten geforscht. Chancen durfte sich in jüngster Zeit immer wieder der Vorarlberger Verhaltensökonom Ernst Fehr, der an der Universität in Zürich lehrt, ausrechnen – er kam aber bisher nicht zum Zug.

Im vergangenen Jahr waren die beiden US-Forscher Thomas Sargent und Christopher Sims für Methoden ausgezeichnet worden, die Zusammenhänge zwischen Wirtschaftspolitik und volkswirtschaftlichen Rahmendaten wie Inflation, Beschäftigung und Bruttoinlandsprodukt (BIP) untersuchen. Überreicht werden die Preise am 10. Dezember, dem Todestag von Stifter Nobel.

Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre

2012 - US-Ökonomen Alvin Roth and Lloyd Shapley. Die Wissenschaftler erhielten die Auszeichnung für ihre Forschung zur Verteilung zwischen Menschen und Märkten ("stabile Allokationen").

2011 - Christopher A. Sims (USA) und Thomas Sargent (USA). Ihr Gebiet: Modelle, mit denen sich das Wechselspiel von Inflation, Zinsen und Arbeitslosigkeit analysieren lässt.

2010 - Peter A. Diamond, Dale T. Mortensen (USA) und Christopher A. Pissarides (Großbritannien). Sie wurden für ihre Untersuchung von Marktmechanismen ausgezeichnet.

2009 - Elinor Ostrom (USA) und Oliver E. Williamson (USA). Sie haben gezeigt, "wie gemeinschaftliches Eigentum von Nutzerorganisationen erfolgreich verwaltet werden kann". Zu Williamson hieß es, er habe Modelle zur Konfliktlösung mit Hilfe von Unternehmensstrukturen entwickelt.

2008 - Paul Krugman (USA) für seine Forschungsergebnisse als Handelstheoretiker.

2007 - Leonid Hurwicz (USA), Eric S. Maskin (USA) und Roger B. Myerson (USA) für ihre Arbeiten über die Grundlagen der "Mechanischen Designtheorie".

2006 - Edmund S. Phelps (USA) für seine Analyse zum Verhältnis kurz- und langfristiger Effekte in der Wirtschaftspolitik.

2005 - Robert J. Aumann (Israel/USA) und Thomas C. Schelling (USA) für ihre Arbeiten zu Konflikt und Kooperation in der Spieltheorie.

2004 - Finn E. Kydland (Norwegen) und Edward C. Prescott (USA) für ihre "Beiträge zur dynamischen Makroökonomie".

2003 - Robert F. Engle III (USA) und Clive W.J. Granger (Großbritannien) für ihre Arbeiten zur statistischen Erforschung ökonomischer Zeitreihen.

2002 - Daniel Kahneman (Israel/USA) und Vernon L. Smith (USA) für ihre Arbeiten auf dem Gebiet der psychologischen und experimentellen Wirtschaftswissenschaft.

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