Neues Verfahren: Jede Blutgruppe soll für jeden nutzbar werden
Im Notfall ist eine Blutkonserve durch nichts zu ersetzen – doch vor allem die richtige Blutgruppe ist entscheidend: Bekommt jemand mit der Blutgruppe 0 eine Konserve der Gruppe A, kann das schnell zum Tod führen – das Immunsystem attackiert die gespendeten Blutzellen und killt sie. Forscher arbeiten daher schon seit den frühen 1980er-Jahren an Verfahren, die Blutgruppen A, B und AB so manipulieren, dass sie sich wie die universell einsetzbare (und daher sehr begehrte) Blutgruppe 0 verhalten.
Der Schlüssel dazu soll in Zucker-Antigenen liegen: Die Gruppen A, B und AB haben eigene Zucker-Antigene, die Blutgruppe 0 nicht – bestimmte Enzyme sollen diese Zucker-Antigene entfernen, sodass das Blut aussieht wie die Blutgruppe 0. „Daran arbeiten Forscher seit langer Zeit“, erklärt der Transfusionsmediziner Wolfgang Mayr vom Österreichischen Roten Kreuz. „Die Herausforderung ist, Enzyme zu finden, die diese Antigene komplett konvertieren können, damit nicht womöglich ein paar übrig bleiben. Ob man das immer im Griff haben kann, ist eine große Diskussion.“
Lösung im Bauch?
Nun lassen Wissenschafter der University of British Columbia mit einer möglichen Lösung aufhorchen, die effizient, sicher und ökonomisch sein soll: Die Suche nach dem richtigen Enzym führte die Forscher rund um Stephen Withers in das Verdauungssystem. Denn dort finden sich an den Schleimhäuten dieselben Zucker-Antigene wie auf Blutzellen und werden im Rahmen der Verdauung von bakteriellen Enzymen von den Schleimhäuten gelöst.
30-mal effizienter
Mit diesem Wissen gelang es den Forschern, ein Enzym zu isolieren, das die Zucker-Antigene von den Blutgruppen A und B entfernt und sie damit zur Blutgruppe 0 macht – und zwar angeblich 30-mal effizienter, als bisherige Verfahren das geschafft haben. Die Ergebnisse sorgten schon bei der American Chemical Society für Aufsehen und wurden nun im Fachjournal Nature Microbiology veröffentlicht.
Nun sind die Wissenschafter dabei, ihre Erkenntnisse zu verifizieren. Im nächsten Schritt soll das Verfahren in die klinische Forschung kommen, um herauszufinden, ob der Prozess ungeplante Reaktionen auslöst. Transfusionsmediziner Mayr dazu: „Bis zu einer breiten Anwendung sind viele pharmazeutische Testverfahren nötig – die dauern lang und sind teuer.“ Auch sei die Notwendigkeit für die praktische Anwendung nicht immer für jeden nachvollziehbar. „Auch wenn es in den Sommermonaten immer wieder Engpässe gibt, haben wir in der Regel für jeden Empfänger genug Spender. Das verursacht bei uns keine großen Dramen – in Entwicklungsländern gibt es viel zu wenig Spenderblut und dazu viele Probleme bezüglich der Weitergabe von Infektionskrankheiten.“
Bis zur Zulassung und zu einem breiten Einsatz dauert es daher sicher noch einige Jahre, doch Withers ist zuversichtlich, dass dieses Enzym der Durchbruch ist, der den Weg zu Universalblut und damit auch zu Blutspenden für jeden ebnet.
Inzwischen gibt es Fortschritte an einer anderen Front: „Wir testen Blutspenden auf eine Reihe von Erregern, z.B. HIV oder Hepatitis, aber es kann auch viele andere Erreger enthalten“, erzählt Mayr. Im Rahmen eines neuen Verfahrens werden Blutplättchen so behandelt, dass alle eventuell vorhandenen Erreger umgebracht werden. Bei roten Blutkörperchen ist die Behandlung noch in Diskussion.
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