Multiple Sklerose: Österreich liegt im EU-Vergleich im Mittelfeld

Experimente mit Mäusen zeigten, dass sich im Schlaf die Kanäle zwischen den Neuronen erweitern. So kann mehr Hirnflüssigkeit durchfließen. Sanierung und Reinigung zählen damit zu den wichtigsten Gründen, warum Menschen schlafen.
Mehr Awareness für Multiple-Sklerose-Patienten.

Im europäischen Vergleich liegt Österreich bei der Versorgung von Patienten mit Multipler Sklerose im Mittelfeld. „Die medizinische Infrastruktur ist sehr gut. Allerdings könnten die Frühtherapie und die Verschreibungshäufigkeit besser sein“, sagt der MS-Experte Michael Guger vom AKH Linz bei der Präsentation einer aktuellen Analyse von 15 EU-Staaten durch Biogen Idec. Demnach ist der Zugang zu innovativen Therapien in Deutschland am besten, in Polen am schlechtesten.

Anlässlich des heutigen Welt-MS-Tag will die Österreichische Multiple Sklerose Gesellschaft auf die Bedürfnisse von Betroffenen aufmerksam machen. MS ist die häufigste Erkrankung des Zentralnervensystems bei jungen Erwachsenen, die zu bedeutsamen Behinderungen führen kann. In Österreich leben rund 12.500 Menschen mit dieser chronisch-entzündlichen Erkrankung, bei der das eigene Immunsystem das zentrale Nervensystem angreift. Die Diagnose trifft die Menschen meist dann, wenn sie ihre Ausbildung beenden oder ihre Karriere beginnen – zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Zwei von drei Betroffenen sind Frauen.

Ängste Abbauen

In dieser Zeit, in der viele junge Menschen auch an die Planung einer eigenen Familie denken, ruft die Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wien, Univ.-Prof. Beate Wimmer-Puchinger dazu auf, durch ein umfassendes Angebot an Informationen und Betreuung Ängste abzubauen und MS-Erkrankten den Blick auf eine ausgefüllte Zukunft zu ermöglichen.

Ursachen

Auf der Suche nach den Ursachen gibt es viele Hinweise, aber keine Belege. So dürften sich laut dem Präsidenten der MS-Gesellschaft, Ulf Baumhackl, alle Betroffenen im Laufe ihres Lebens mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert haben, das auch das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen kann. Der Zusammenhang ist allerdings umstritten. Außerdem gebe es Hinweise darauf, dass Patienten mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel einen rascheren Krankheitsverlauf haben. Australische Studien hätten gezeigt, dass ein Zusammenhang mit einem Vitamin-D-Mangel der Mutter während der Schwangerschaft bestehen könnte.

Unterdessen berichten österreichische Forscher von „richtungsweisenden Studien“ zur besseren Diagnostik und Therapie. So sollen sich Eisenablagerungen im Gehirn als MS-Marker erweisen. Diese dürften vor allem in frühen Krankheitsphasen rasch zunehmen. Eisen ist am Gehirnstoffwechsel und beim Sauerstofftransport beteiligt.

Infos und Beratung gibt es auch bei der Multiple Sklerose Gesellschaft Wien.

Multiple Sklerose: Österreich liegt im EU-Vergleich im Mittelfeld
Diese bei uns häufigste chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems ist ein schwerer Einschnitt im Leben des Patienten. Sehstörungen, Gehbehinderung, Schwäche von Armen und Beinen sind nur einige der vielen Symptome.

Bisher gilt MS als nicht heilbar. Es ist an der Zeit, andere Zugänge zur Ursache dieser Krankheit zu suchen.

Die Diagnose MS hat mich geschockt, aber nicht überrascht. Schwere Krankheit in jungen Jahren fällt nicht einfach als Schicksalsschlag vom Himmel. Warum sabotierte mein Immunsystem die Nerven? Die Medizin wusste keine Antwort.

Jahrelang war ich immer wieder ohne erkennbaren Grund erschöpft gewesen. Beruflicher Stress, dachte ich, mit besserer Organisation leicht in den Griff zu bekommen. Alle schafften es und erwarteten es von mir. Familie, Freunde, Kollegen – welch Fülle von Anerkennung für meine hervorragenden Leistungen! Das bisschen Stress ließ sich bei meiner sportlichen Fitness leicht aushalten.

Bis ich zum ersten Mal stürzte, einfach so auf der Straße. Und dann noch einmal, diesmal schwer. Würde es jetzt so weitergehen, bis ich völlig gelähmt war? Die Erschöpfung war mittlerweile unerträglich geworden.

Eines hatte ich in meinem erfolgreichen Leben nicht bedacht: dass mir dieses Leben in Wahrheit keine Freude machte. Es ging meinem Wesen zuwider, und das seit langem. Warum hatte ich es nicht früher gemerkt?

Weil viele so leben, ihre Gesundheit es (noch) aushält und die Leistungsgesellschaft uns reich belohnt. Somit stellt niemand seine Lebensweise ernsthaft in Frage.

Erstaunlich war und ist, dass kein behandelnder Arzt mich jemals nach meinen näheren Lebensumständen gefragt hat.

„Kürzertreten“ war der einzige Rat, den ich erhielt. Die Therapie bestand in Medikamenten, die den Verlauf (vielleicht )günstig beeinflussen konnten. Heilen konnte keines. Ansonsten wurde ich als unheilbar Kranke verwaltet.

Zum Glück war mein Nervensystem intelligenter als die Wissenschaft. Es verweigerte einfach seine zentrale Steuerung. Das Klügste, was ein Chef machen kann, um den Zusammenbruch des ganzen Betriebes zu verhindern. Meine Bewegungen folgten nicht mehr den Befehlen aus dem Gehirn. Schluss, Lähmung als erzwungene Ruhepause.

Ich musste stillhalten und nach innen hören. Die leise Stimme brachte Erstaunliches in mein Bewusstsein. Was macht mir wirklich Freude, wer ist mir wirklich wichtig? Wozu bin ich eigentlich hier?

Scheinbar banale Fragen, die im Leben selten, im Arztgespräch fast nie vorkommen. Die von der Medizin als so wichtig befundenen wissenschaftlichen Fakten haben bisher wenig Licht in die Multiple Sklerose gebracht. Medikamente wirken bei nur einem Drittel der Fälle mit schubhaftem Verlauf. Die Nebenwirkungen können erheblich sein.

Seit meiner Diagnose vor fast 20 Jahren habe ich einiges in meinem Leben grundlegend verändert. Die innere Stimme ist nun laut genug, mich das tun zu lassen, was wirklich zu mir gehört. Meinem Körper geht es besser. Als Nebenwirkung meines neuen Weges hat die Freude in mein Leben Einzug gehalten.

Die Zahl der MS-Erkrankungen nimmt trotz unseres teuren Gesundheitswesens stetig zu. Alarmierend ist, dass die Patienten immer jünger werden. Ihre Nervensysteme sind offensichtlich von den Lebensumständen überfordert. Es ist höchste Zeit, die Ursachen nicht im Labor, sondern im Leben und der Umwelt der Patienten zu suchen.

Multiple Sklerose ist ein schweres Schicksal, das sich jedoch lohnen kann. Es birgt die Hoffnung auf ein erfülltes Leben.

Autorin: Anja Krystyn ist studierte Medizinerin und Autorin gesellschaftspolitischer Texte und Bühnenstücke. Sie lebt in Wien.

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