Der Apostelchor der DomkircheSt. Stephan zu Wien im November 2013. Eine Gruppe von Menschen hat sich um das berühmte Hochgrab von Kaiser Friedrich III. geschart. Am Fußende führt ein kleines Loch ins Innere, gerade groß genug, um einen Arm, ein Endoskop und eine Kamera hinein zu stecken. Eine kleine Lampe sorgt für Licht.
Langsam kämpfen sich die Forscher vom Loch an den Füßen weiter vor, vorbei am prächtigen Samtstoff, der den ganzen Körper bedeckt, bis hin zum Polster, auf dem der Kopf des Kaisers ruht.
Gold schimmert im Blitzlicht auf.
Später werden die Wissenschafter sagen, dass sie beim ersten Blick auf die so entstandenen Fotos für einen Moment die Gefühlslage nachempfinden konnten, in der sich der Ägyptologe Howard Carter befunden haben muss, als er auf die Reichtümer im Grab des Tutanchamun stieß.
Was die Forscher im seit 500 Jahren unberührten Grab des Vaters von Kaiser Maximilian I. entdeckt haben.
Wie sie dabei vorgegangen sind.
Und welche unglaublichen Fotos dabei entstanden sind.
Sie kennen Kaiser Friedrich III. Garantiert! Er war der Vater von Kaiser Maximilian I. und ist derjenige, der das legendäre „AEIOU“ prägte. Außerdem ist er der am längsten regierende Kaiser des Heiligen Römischen Reiches: Er herrschte 53 Jahre lang. Zeitgenossen beschreiben ihn als fromm, zielstrebig, zäh und sparsam. Schon in jungen Jahren entwickelte der damalige Herzog der Steiermark, von Kärnten und Krain ehrgeizige Pläne für das „Haus Österreich“.
20 Jahre nach seinem Tod fand er im Stephansdom in Wien, im berühmten Grab, das Sohn Maximilian für ihn erbauen ließ, seine letzte Ruhestätte.
Insgesamt vierzehn Begräbnisstätten von Königen und Kaisern des Heiligen Römischen Reiches aus dem späten Mittelalter sind bekannt – nur jene Kaiser Friedrichs III. ist im Laufe der Jahrhunderte nie geöffnet, geplündert oder aus anderen Gründen verändert worden, erzählt Franz Kirchweger, der Kurator für mittelalterliche Kunst am Kunsthistorischen MuseumWien (KHM).
Unberührt und friedlich steht das Hochgrab seit 500 Jahren im Stephansdom.
Irgendwann kursierte das Gerücht in der Stadt, das Grab sei leer. „1969 wurde in einer Geheimaktion ein Loch in eine Wand geschlagen“, sagt Franz Zehetner von der Dombauhütte. „Man überzeugte sich, dass der Leichnam drinnen liegt.“ Weitere Untersuchungen gab es nicht. Das Loch wurde wieder zugemauert, die Aktion geriet in Vergessenheit, bis Archivar Zeheter zu recherchieren begann: „Nachdem das Loch schon da war, haben wir 2013 eben reingeschaut“.
Vorarbeiten
Vorsichtig klärte er die Lage ab: Wolfgang Neubauer, Spezialist für Virtuelle Archäologie hat mit Georadar untersucht, wie der Hohlraum beschaffen ist. Und erheilt überraschend viel metallische Resonanz. Eine Kamera-Seilbahn wurde gebaut, um die vergoldeten Schrifttafeln aufnehmen zu können. Mit einer WLAN-gesteuerten handelsüblichen Kamera gelang es dann, das Innere des Grabes aufzunehmen. „Es ist einmalig!“
Der Dombauhütten-Archivar war begeistert ob des Originalzustandes des Grabes. Was er sah? Vergoldete Schrifttafeln, einen Reichsapfel, ein Szepter, ein Schwert, Münzen und kostbares Tuch. Die Krone leuchtete unter dem Sargdeckel hervor. Der eigentliche Sarg ist aus glasierten Keramikplatten.
Die eigens für das Grab angefertigte Krone ist Silber vergoldet, die "Edelsteine" sind eigentlich aus Email.
In der Folge kontaktierte die Dombauhütte das KHM und dort begann ein Team mit der Aufarbeitung des Grabes. Jetzt stellen die Wissenschafter die Erkenntnisse, die sie aus der Analyse der Fotos gewonnen haben, auf einer Forschungskonferenz im KHM vor.
Besonders verblüfft hat sie, wie gut die Textilien erhalten sind. „Trotzdem war die Identifizierung der Stoffe nicht einfach“, sagt die Textilspezialistin des KHM, Katja Schmitz-von Ledebur. Drei unterschiedliche Gewebe konnte sie ausmachen: „Der Stoff, der den Leichnam bedeckt, ist Samt – eines der kostbarsten Gewebe, die damals nur in Italien produziert werden konnten. Seiden- und vergoldetete Silberfäden waren hineingewebt worden.“
Sogar das Muster konnte sie rekonstruieren. Der Polster ist ebenfalls mit Metall durchwirkt. Das weiß die Textilexpertin nur, weil eine ganz kleine Stoffprobe entnommen und naturwissenschaftlich untersucht wurde – „neben Münzen, das einzige, was wir aus dem Grab entfernt haben“, sagt Zehetner.
Auch über die Krone kann Friedrich-Kenner Franz Kirchweger bereits einiges sagen: „Sie war bisher völlig unbekannt, und der Kaiser hat sie sicher nie getragen. Die ,Edelsteine’ sind in Wahrheit aufwändige Email-Arbeiten, das ,Gold’ ist eigentlich Silber vergoldet.“ Eine Imitation, die mit viel Aufwand, extra für die Grablegung angefertigt wurde.
Grab von Friedrich III im Stephansdom untersucht
Mit allem Pomp
„Maximilian hat für seinen Vater eine große Nummer abgezogen, Friedrich 20 Jahre nach dessen Ableben mit allem Pomp beigesetzt und ihn in seiner Rolle als Nachfolger der römischen Kaiser inszeniert“, analysiert Kunsthistoriker Kirchweger. Überhaupt einzigartig seien die großen vergoldeten Metallplatten mit Texten, die die Leistungen Friedrichs, vor allem aber jene seines Sohnes Maximilians I. preisen.
Wer sich jetzt fragt, warum die Wissenschafter den komplizierten Umweg über die Fotos genommen und das Grab nicht einfach geöffnet haben: „Aufmachen geht nicht, weil es zerstörungsfrei nicht möglich wäre“, sagt Zehetner. Die Grabplatte ist jetzt schon gebrochen und die tonnenschweren Einzelteile des künstlerisch bedeutenden Hochgrabes machen es derzeit unmöglich. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt.
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