Kinderwunsch ade: Warum Frauen keinen Nachwuchs mehr wollen

Kinderwunsch ade: Warum Frauen keinen Nachwuchs mehr wollen
20 Prozent der Frauen unter 40 haben kein Bedürfnis, Mutter zu werden, zeigt eine neue "Parship"-Umfrage. Dabei geht es um Leistbarkeit - aber nicht nur.

Nix ist mehr fix: Das gilt auch für das Konstrukt „Mutter, Vater, Kind“. Laut einer aktuellen Befragung von „Parship“ äußern zwar zwei Drittel der Frauen im Alter von 18 bis 39 Jahren einen Kinderwunsch, doch 20 Prozent wollen gar keine Kinder. 11 Prozent zaudern, Motto: mal sehen. Und die Männer? Die haben ebenfalls Bedenken, wenngleich etwas geringer ausgeprägt.

Damit erlebt das Land einen drastischen Geburtenrückgang, wie zugleich der aktuelle Generations and Gender Survey des Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) an der Universität Wien in Kooperation mit dem Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Uni Salzburg zeigte. Demnach ist der Kinderwunsch zwischen 2009 und 2023 von 2,1 auf 1,7 Kinder pro Frau zurückgegangen, die Zahl jener Frauen, die sich überhaupt kein Kind wünschen, hat sich mehr als verdreifacht. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau sank von 2,5 auf 1,6.

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. 

Kinderwunsch ade: Warum Frauen keinen Nachwuchs mehr wollen

 Soziologin Eva-Maria Schmidt, Österreichisches Institut für Familienforschung

Ein erfülltes Leben - auch ohne Kinder

Laut "Parship" sind es vor allem drei Aspekte, die dazu führen: die damit verbundene Einschränkung des Lebensstils, hohe Kosten sowie Bedenken, die eigene Karriere betreffend. Bei einem knappen Viertel der Befragten sind  fehlende Partner ein Grund für die Kinderlosigkeit. Drei von zehn Frauen bestätigen außerdem, Angst zu haben, dass sich ihr Körper durch eine Schwangerschaft verändert. Und jeder vierte ist der Meinung, nicht für ein Mutterdasein geeignet zu sein. 

Aus Sicht der Soziologin Eva-Maria Schmidt vom ÖIF beeinflussen aber auch krisenhafte Entwicklungen die Vorstellung von der heilen Familienwelt, Nachwuchs inklusive: „Einerseits spielt hier, als kurzfristiger Faktor, die Pandemie eine Rolle, andererseits die Klimakrise als längerfristiges Phänomen.“ Weiters existiere eine „zunehmende Subjektivierung, in dem Sinne, als die Menschen in unserer Gesellschaft dazu angehalten werden, ihr Leben und sich selbst zu optimieren und zu verwirklichen“, so die Soziologin. Was offenbar nicht immer mit dem Konzept „Familiengründung“ harmoniert: „Das Selbstverständnis, Kinder würden zu einem erfüllten Leben gehören, hat sich vor allem bei Frauen sehr reduziert“, so Schmidt. 

Ähnliches gilt für Männer, auch sie stimmen der Aussage, Kinder wären für ein erfülltes Leben bedeutend, seltener zu. Als Verstärker wirken außerdem hohe Ansprüche und Projektionen, die mit dem Prinzip „Familie und Elternschaft“ verbunden sind. „Wenn nämlich ein Kind gewünscht wird, dann ist das mit Vorstellungen von großem Glück verbunden und mit einer Elternschaft, die das ermöglichen soll. Man will Kindern heute alles bieten – das ist sehr ressourcenintensiv und mit einer hohen Verantwortung verknüpft“, sagt die Soziologin. 

Zudem existieren gesellschaftlich nach wie vor Idealbilder, im Sinne eines normativen Korsetts, von der „guten Mutter“ und ihrem Fokus auf das Kind. Gleichzeitig wird von Frauen erwartet, dass sie sich beruflich verwirklichen, ökonomisch unabhängig sind, eine Karriere anstreben sowie eine ideale Arbeitskraft darstellen: „Auch das ist ein wesentlicher Grund für den Rückgang des Kinderwunsches, weil Frauen das als große Diskrepanz und ungelösten Widerspruch erleben. Es prasseln zwei Erwartungen auf sie ein – das potenziert sich und macht sich in ihren Überlegungen sehr früh bemerkbar. Dann kommt das schlechte Gewissen.“

Männern geht es kaum anders: „Auch bei ihnen ist der Kinderwunsch stark gesunken, auch sie haben weitgehend die Vorstellung, eine zeitintensive Vaterschaft leben zu wollen, um eine stabile Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen. Gleichzeitig ist die Zahl jener Väter, die dafür ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder reduzieren, rückläufig. Sie gelten als verantwortlich für die finanzielle Versorgung.“ Am Ende geht es also immer um die Leistbarkeit

So sehr also die Wahlfreiheit in Österreich hochgehalten wird, so sehr bringe sie potenzielle Mütter und Väter ins Dilemma: „Am Ende merken sie, dass sie gar nicht so wählen können, wie sie gerne würden.“ Mehr denn je ginge es aus Sicht der Soziologin um eine Kultur der Vereinbarkeit zwischen Sorge- und Erwerbsarbeit, im Sinne eines Anreizes. „Einer wäre etwa das 30-30-Stunden-Arbeitsmodell, statt 40 Stunden seitens des Mannes und 20 seitens der Frau. Das würde sogar zu höherem Einkommen führen und Einbußen oder Konsequenzen in der Erwerbsbiografie abfedern. Und so würde noch deutlicher, dass Kinderbetreuung auch eine Pflicht für Väter ist, und finanzielle Versorgung auch in der Verantwortung der Mütter liegt.“

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