Hochsaison für Pendler am Himmel
Im feinen Netz hat sich ein Teichrohrsänger verfangen. Gerade war der Schilfbewohner noch auf der Suche nach Reiseproviant, jetzt hängt der gebürtige Burgenländer fest. Er regt sich kaum auf, kennt er doch die bevorstehende Prozedur bereits. Ein paar Meter weiter ist eine Bartmeise ins Japannetz gegangen. Auch sie wollte sich im Seewinkel für ihre Streifzüge durch Südost-Europa stärken, sie protestiert lautstark.
Am Neusiedler See machen viele Vögel Rast – reiche Beute für die Vogelfänger im Dienst der Wissenschaft. Sie vermessen Teichrohrsänger, Bartmeise & Co., bestimmen die körperliche Konstitution, beringen jeden Piepmatz und entlassen ihn umgehend in die Freiheit. Ihr Interesse gilt in erster Linie den Langstreckenziehern.
Derzeit ist das Verkehrsaufkommen am Himmel besonders dicht. Etwa drei Viertel aller Vogelarten sind Zugvögel, weltweit sind schätzungsweise 50 Milliarden Exemplare unterwegs, davon pendeln ca. fünf Milliarden zwischen Europa und Afrika.
Gelernt oder geerbt
Die Vorbildfunktion der Älteren kann das eingebaute Navigationsgerät mit Zielvorgabe nicht ausreichend erklären. Kuckuckskinder sind der beste Beweis, sie finden den Weg nach Afrika und wieder retour ganz ohne Eltern. Also die Gene? Störche etwa, die einst über den Bosporus und Kleinasien nach Afrika segelten, ändern ihre Route und lassen sich heute auf den Müllhalden Spaniens nieder. Ein einzelnes Zug-Gen gibt es eben auch nicht.
Vermutlich steuert eine genetische Komponente die Sesshaftigkeit, auch Hormone beeinflussen den Zeitpunkt des Aufbruchs, ebenso wie die körperliche Fitness und nicht zuletzt der Klimawandel. Das Zugverhalten ist jedenfalls ein komplexes Zusammenspiel – mit vielen offenen Fragen. "Klar ist, dass Vögel nicht vor der Kälte davonfliegen. Sie ziehen in erster Linie wegen der Nahrung", sagt Anne Hloch, technische Assistentin an der Vogelwarte. Insektenfresser wie der Teichrohrsänger haben es eiliger als jene Feinschmecker, die ausschließlich Körner und Beeren picken. Bartmeisen, die sich sowohl von Getier als auch von Pflanzen ernähren, finden Futter bis zu Wintereinbruch.
"Mit der Beringung der Vögel können wir ihre Bewegungen und die Populationen über Jahre standardisiert beobachten", sagt Maggini. Vor sechs Monaten bekam der erste wildlebende Vogel hier am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung einen österreichischen Ring. Dadurch lassen sich die Überflieger nun international der heimischen Forschungszentrale zuordnen. Zuvor wurde mit deutschen Markierungen gearbeitet.
Eventuell geht den Ornithologen im Mai der eine oder andere beringte Teichrohrsänger ins Netz. Vogl: "Der Frühlingszug ist viel zielgerichteter als der Herbstzug. Vor allem die Männchen wollen dann früh ankommen, um ihr Territorium zu besetzen." Abschweifen aussichtslos.
Der Nationalpark bietet dreistündige Exkursionen zum „Herbstlichen Vogelzug“ an – am So. 2. und Sa. 8. Oktober 2016, jeweils 13 bis 16 Uhr, € 12/€ 6. Anmeldung und Auskünfte im Info-Zentrum, 7142 Illmitz, Hauswiese, 02175 / 3442. www.nationalpark-neusiedlersee-seewinkel.at
Niederösterreich bis KärntenDie Vogelschutzorganisation BirdLife bietet am Wochenende 1. und 2. 10. 2016 in NÖ, OÖ, der Steiermark und Kärnten Veranstaltungen an. Alle Infos unter www.birdlife.at; Tel. 01 / 523 46 51
NÖ:1.10. 7:45–12h Vogelzugbeobachtung am Ehrenecker Kogel bei Eschenau
1. 10. 10–14h Herbstzug zwischen Feldfluren und Au (Hohenau/March)
2. 10. 8.45–14h Vogelzug am Eichkogel/Südbahn
Kärnten:1.10. 8–12h Exkursion im Seichtwasserbiotop Föderlach. Anmeldung, Treffpunkte: office@birdlife.at
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