Wie Zecken Krankheitserreger in den menschlichen Körper einschleusen

Eine Zecke, auch Gemeiner Holzbock genannt, krabbelt über eine Hand, daneben wird eine Pinzette gehalten.
Eine Studie der MedUni Wienliefert neue Erkenntnisse zur Übertragung des Lyme-Borreliose-Erregers. Die Ergebnisse liefern eine mögliche Grundlage für neue Impfstoffe und Therapien.

Ein Forschungsteam unter Leitung der MedUni Wien hat neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Zecken die menschliche Immunabwehr beeinflussen, um Krankheitserreger einzuschleusen. 

Die Studie zeigt, dass der Speichel von Ixodes ricinus (Gemeiner Holzbock) – der in Mitteleuropa häufigsten Zeckenart – eine zentrale Rolle dabei spielt, die Immunreaktion von Hautzellen zu verändern und so die Übertragung des Lyme-Borreliose-Erregers Borrelia burgdorferi zu begünstigen.

Immunantwort wird durch Zeckenspeichel umprogrammiert

Die im Fachjournal Nature Communications veröffentlichen Ergebnisse liefern eine mögliche Grundlage für die Entwicklung neuer Impfstrategien.

Im Mittelpunkt der Untersuchungen des Forschungsteams um Johanna Strobl, Lisa Kleißl und Georg Stary standen sogenannte Langerhans-Zellen. Diese spezialisierten Immunzellen sitzen in der Oberhaut und sind dort normalerweise die Ersten, die Erreger erkennen und eine Abwehrreaktion in Gang setzen. 

Nicht so nach einem Zeckenstich: An Hautproben von betroffenen Patientinnen und Patienten sowie in mehreren experimentellen Modellsystemen konnten die Fachleute zeigen, dass diese Zellen nach dem Kontakt mit Zeckenspeichel rasch aus der Oberhaut verschwinden und in tiefere Hautschichten sowie in Lymphgefäße einwandern. 

Dieser Prozess wird durch Botenstoffe gesteuert, deren Rezeptoren durch den Zeckenspeichel verstärkt auf der Zelloberfläche erscheinen.

Entscheidend ist jedoch, wie sich die Funktion der Langerhans-Zellen dabei verändert: Die Botenstoffe im Zeckenspeichel versetzen sie in einen sogenannten tolerogenen Zustand. Das bedeutet, dass die Zellen statt einer schützenden, entzündungsfördernden Abwehrreaktion eine dämpfende, regulatorische Immunantwort auslösen.

Die Forschenden beobachteten, dass Langerhans-Zellen nach Kontakt mit Zeckenspeichel vermehrt jene Faktoren bilden, die regulatorische T-Zellen aktivieren. Diese Zellen bremsen Immunreaktionen und verhindern so eine wirksame Bekämpfung der Erreger. 

Gleichzeitig blieb die Aktivierung jener T-Zelltypen aus, die üblicherweise an der frühen Kontrolle bakterieller Infektionen beteiligt sind. 

"Unsere Untersuchungen von Patientinnen und Patienten mit akuter Lyme-Borreliose bestätigten diese Ergebnisse: In den charakteristischen Hautläsionen haben wir deutlich weniger Langerhans-Zellen gefunden, die zudem ein ähnliches tolerogenes Muster zeigten wie in den Modellsystemen. Eine geeignete schützende Immunantwort blieb aus", berichtet Studienleiter Georg Stary. 

Die Ergebnisse "legen nahe, dass der Zeckenspeichel selbst einen entscheidenden Beitrag dazu leistet, die lokale Immunabwehr so umzuprogrammieren, dass sich Borrelien leichter im Körper ansiedeln können", ergänzt Erstautorin Johanna Strobl. "Dies könnte auch erklären, warum eine Infektion mit Borrelia burgdorferi – anders als viele andere bakterielle Erkrankungen – häufig keine dauerhafte Immunität hinterlässt und wiederholte Infektionen möglich sind", so Co-Erstautorin Lisa Kleißl.

Basis für Impfstoffe und Therapien

Die Erkenntnisse liefern eine mögliche Grundlage für die Entwicklung neuer Impfstrategien. Einerseits könnten Impfstoffe, die gezielt auf Langerhans-Zellen wirken, durch das bessere Verständnis ihrer Wanderung und Funktionsänderung weiter verbessert werden. 

Andererseits könnten einzelne Speichelbestandteile von Zecken, die gezielt auf das Immunsystem wirken, künftig sowohl für die Prävention von Infektionen als auch für therapeutische Anwendungen relevant werden.

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