Wie die Impfstoffe das zweite Jahr der Pandemie geprägt haben

Wie die Impfstoffe das zweite Jahr der Pandemie geprägt haben
Analyse: Zehn Milliarden Impfstoffdosen wurden 2021 ausgeliefert. 8,7 Milliarden Dosen verimpft. 23 Vakzine sind weltweit zugelassen.

Schon das zweite Jahr hält die SARS-CoV-2-Pandemie die Welt im Griff. Doch im Gegensatz zu 2020 haben in diesem Jahr die Covid-Impfstoffe die wesentliche Rolle gespielt. "Die außergewöhnlich schnelle Impfung von mehr als vier Milliarden Menschen und der mangelnde Zugang zur Impfung für viele andere waren die treibenden Kräfte in diesem Jahr - mit Omikron als Komplikation", fasste jetzt das Fachblatt Nature die Situation zusammen.

Sechs Autoren der Redaktion der international führenden Wissenschaftszeitschrift haben jetzt den im Grunde phänomenalen Erfolg der Covid-19-Impfung dargestellt. "Vor einem Jahr stand die Covid-19-Impfung noch am Anfang. Jetzt sind schon 4,4 Milliarden Menschen zumindest einmal oder zweimal geimpft. Das sind 56 Prozent der Weltbevölkerung. Die Immunisierung so vieler Menschen in einem so kurzen Zeitraum hat zusammen mit der beispiellos schnellen Entwicklung der Vakzine eine enorme Zahl an Menschenleben gerettet und ist ein Triumph für Wissenschaft und Forschung", schrieben Smriti Mallapaty und die Co-Autoren.

Verhinderten Todesfälle

Fast zehn Milliarden Dosen der Impfstoffe seien ausgeliefert worden. 8,7 Milliarden Dosen wurden bisher verimpft. "Die Vakzine haben eine enorme Wirkung bei der Verhinderung von Todesfällen und helfen dem Wirtschaftsleben in seiner Erholung. In Staaten mit hoher Durchimpfungsrate wurden dadurch die Infektionszahlen von der Zahl der auftretenden (Covid-19-)Todesfälle so entkoppelt, dass selbst bei einem erneuten Anstieg von Ansteckungen die Zahl der Opfer niedrig blieb", wird in dem Artikel Soumya Swaminathan, führender Wissenschafter der Weltgesundheitsorganisation (WHO/Genf), zitiert.

Weltweit wurden bereits 23 Vakzine zur Verhinderung von Covid-19 zugelassen. Atemberaubend - auch im historischen Vergleich - war die Schnelligkeit der Entwicklung der Impfstoffe. Bei Typhus dauerte es mehr als hundert Jahre zwischen der Entdeckung der Erreger um 1885 und der ersten Zulassung eines Impfstoffes in den USA (1999), führen die Autoren an. Rund 90 Jahre währte es von der Entdeckung der Meningitis-Erreger bis zur durch die US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassenen Impfung (1991). Vier Jahrzehnte dauerte die Entwicklung breit verwendbarer Keuchusten-Impfstoffe, etwa 15 Jahre vergingen zwischen der Isolierung der Hepatitis-B-Viren und einer effektiven Vakzine. SARS-CoV-2 hingegen wurde als Covid-19-Erreger Anfang 2020 identifiziert, wenige Monate später liefen die klinischen Studien mit Vakzinen an, im Dezember 2020 erfolgten die ersten Zulassungen in den USA und in der EU.

"Man schätzt, dass durch die erstaunlich schnelle Entwicklung und Anwendung allein in den USA und in Europa rund 750.000 Menschenleben durch die Impfung gerettet worden sind", heißt es in "Nature". In Europa sind durch die Impfungen allein unter den Über-60-Jährigen rund 470.000 Todesfälle vermieden worden.

Ungleichheit in Verteilung

Doch die krasse Ungleichheit in der Verteilung der Impfstoffe ist gleichzeitig das größte gesundheitspolitische und die Humanität betreffende Defizit. "So viel an Impfstoff herzustellen, ist allein schon ein enormer Erfolg. Aber wir arbeiteten so eng in der Forschung und sind so weit auseinander beim Zugang zu den Impfstoffen", zitierte "Nature" den indischen Virologen Gangandeep Kang (Christian Medical College in Vellore). In den Arabischen Emiraten und in Staaten wie Chile oder Kuba wurden bisher pro hundert Menschen 200 Dosen der Vakzine verimpft, in Tansania oder Afghanistan haben bisher aber weniger als 20 Prozent zumindest eine Teilimpfung erhalten.

Freilich, die Herausforderungen sind nicht vorbei. "Das Jahr 2021 war das Jahr der Covid-19-Vakzine, aber auch das Jahr der Virus-Varianten", schrieben die Autoren. Bis zu Omikron einigermaßen klar: Die in der EU und den USA am meisten angewendeten Vakzine (AstraZeneca, Pfizer/BioNTech, Moderna und Johnson&Johnson) schützen zu bei den bis dahin bekannten Virusvarianten zu 70 bis 90 Prozent vor schweren Covid-19-Krankheitverläufen (Hospitalisierung) und Todesfällen. Bei Omikron zeigte sich in Großbritannien eine Schutzrate (Infektion) von mehr als 70 Prozent durch eine dritte Teilimpfung.

Impfungen auch 2022 prägend

Auch das Jahr 2022 wird wohl ein Jahr der Impfungen gegen Covid-19 sein. "Weltweit werden mehr als 300 Covid-19-Vakzine zusätzlich zu den 23 in Verwendung befindlichen Impfstoffen entwickelt", stellt "Nature" dar. 194 Vakzine sind derzeit in der präklinischen Phase. 40 Impfstoffe sind in der Phase I der klinischen Entwicklung an Probanden, weitere 44 in der Phase II. Groß angelegt auf Wirksamkeit und Verträglichkeit werden derzeit 40 weitere Vakzine untersucht. Während am Beginn Vektor- und mRNA-Impfstoffe den größten Teil ausmachten, werden in Zukunft Virus-Protein- und Ganzvirus-Impfstoffe vermehrt auf den Markt kommen.

Immer mehr Bedeutung wird auch die Immunisierung der Kinder der Welt haben. "Wie sich die Pandemie weiterentwickelt, könnte nicht nur durch neue Virusvarianten bestimmt werden, sondern auch dadurch, wie schnell die Vakzine einen beträchtlichen anderen Teil der Weltbevölkerung erreichen, der noch geimpft werden muss: die Kinder", schrieben die Autoren. Modellrechnungen hätten bereits ergeben, dass eine hohe Durchimpfungsrate von Kindern auch einen Schutzeffekt für die Erwachsenen darstellt.

Die Wissenschaft ist jedenfalls entfesselt: Im Jahr 2017 wurden weltweit rund 12.000 Forschungsarbeiten zu Vakzinen publiziert. In diesem Jahr waren es bisher rund 24.000. Etwa die Hälfte davon entfiel auf das Thema Covid-19.

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