Wenn der Kinderwunsch wegen Endometriose unerfüllt bleibt
Wie ein Dolch, der in den Bauch gerammt und dort umgedreht wird. Ein wellenartiger Schmerz, der einen in die Knie zwingt, bis man sich übergeben muss oder gar in Ohnmacht fällt. So beschreibt die, unter ihrem Künstlernamen Endosofical auftretende, 39-jährige im Gespräch mit dem KURIER die Schmerzen, an denen sie während ihrer Periode leidet.
„Man stirbt nicht daran, aber manchmal hat man das Gefühl, dass das so nicht lebenswert ist.“ Dennoch vergingen bis zur korrekten Diagnose – Endometriose (chronische Unterleibserkrankung) – über 15 Jahre. Ein Zeitraum, der inzwischen mit einem Speicheltest auf zwei Wochen reduziert werden kann – vorerst ist dieser aber nur in Deutschland verfügbar.
Bereits die erste Regelblutung, mit 14 Jahren, war extrem schmerzhaft, erinnert sie sich: „Damals hieß es ,Das ist halt Pech, damit muss man leben’. Das habe ich akzeptiert, damit bin ich großgeworden.“
Als in den 2000ern der Begriff Endometriose immer geläufiger wurde, wurde auch Endosofical darauf aufmerksam. Ihre Gynäkologen waren aber noch nicht soweit: „Mir wurden entweder die Pille oder Schmerztabletten verschrieben. Ich habe mich nicht beschwert. Wenn einem nur oft genug gesagt wird, dass man eigentlich kein Problem hat, fängt man eben an, an sich zu zweifeln.“
Jede zehnte Frau
Schließlich brachte eine Laparoskopie (Operation zur Untersuchung des Bauchraums) ihr dann doch Gewissheit. Wie geschätzt jede zehnte Frau in Österreich leidet Endosofical an der Erkrankung, bei der die Gebärmutterschleimhaut außerhalb des Uterus für entzündliche Veränderungen sorgt. Seit 25 Jahren ein konstanter Begleiter, fügte die Krankheit ihrem Leben drastische Einschnitte zu.
„Ich bin ein Fall, bei dem die Erkrankung tatsächlich zur Unfruchtbarkeit geführt hat“, sagt sie gefasst und sehr fokussiert. „Jetzt erzähle ich das jetzt so trocken, aber das war natürlich niederschmetternd“.
Schicksalsschläge
Zwei, durch die Endometriose verursachten, Eileiterschwangerschaften hatten zur Folge, dass ihr beide Eileiter entfernt werden mussten. „Weder das Kind noch ich hätten sonst überlebt“, sagt sie. Beim ersten Mal, vor 15 Jahren als junge Frau, blieb noch die Hoffnung, dass der Kinderwunsch sich mit dem übrigen intakten Eileiter noch erfüllen würde. Als sie vor zwei Jahren erneut schwanger wurde, war das Glück groß.
Die bittere Erkenntnis ließ leider nicht lange auf sich warten: Es war wieder eine Eileiterschwangerschaft, eine sofortige Operation und Entfernung des zweiten Eileiters unumgänglich. "Ich konnte es erst gar nicht realisieren, habe nur geheult. Meine Welt ist zusammengebrochen. Ich kann jetzt davon träumen, soviel ich will“, sagt die 39-jährige über ihren Kinderwunsch, „die Realität sieht anders aus.“
Vorsorge
Sie bezeichnet es als „irrsinniges Versäumnis“, bei der ersten Schwangerschaft nicht aufgeklärt worden zu sein, dass dasselbe erneut passieren könnte. „Ich hätte sonst Vorbereitungen getroffen, meine Eizellen einfrieren lassen oder von Anfang an auf In-Vitro-Fertilisation gesetzt, da eine Eileiterschwangerschaft ja tatsächlich lebensbedrohlich ist“, sagt sie. Zudem man ja wegen der meist sehr späten Endometriose-Diagnose auch wertvolle Jahre verliere, in denen die Gewebeverwachsungen und -verklebungen immer weiter fortschreiten können.
Zahlreiche Selbsthilfegruppen, Coachings und Therapiestunden halfen ihr durch dunkle Tage - da wo Familie und Freunde es nicht konnten. "Es ist nicht jeder stark genug, sich das anzuhören. "Das gelte besonders für das Trauma einer erlittenen Fehlgeburt: "Man steckt so voller Liebe, die man einfach nicht ausdrücken kann. Man kann auch nicht in Liebe darüber sprechen, sondern nur in Angst und Scham. Niemand will davon wissen, man kann es mit niemandem teilen. Aber wenn die Großmutter stirbt, dann redet man ja danach auch noch über sie."
Begriffserklärung
Von altgr. endon – innen, metra – Gebärmutter, osis – Krankheit
Aktionsplan
#DiagnoseEndometriose:
Fordert die Unterstützung Betroffener, die Stärkung des Gesundheitssektors und Bewusstseinsbildung für die Erkrankung.
Unterschreiben und Infos: actions.aufstehn.at/diagnose-endometriose
Anlaufstellen
Information, Events und Vernetzungsgruppen:
- Endometriose Vereinigung Austria, www.eva-info.at
- Die Fruchtbar
Verein Kinderwunsch Österreich; diefruchtbar.at
Verarbeitung
Als unerwartete Stütze und Beschäftigung erwies sich die Stickerei: „Ich habe mich dann gefragt, wie sieht das innen bei mir jetzt aus? Ich habe Uterus und Eierstöcke, aber keine Eileiter mehr. Wie hat es vorher ausgesehen mit einem Eileiter oder davor mit zwei?“
Sie zeichnete das weibliche Fortpflanzungssystem in allen möglichen Varianten auf, und fasste dann den Entschluss: “Ich sticke mir das jetzt auf einen Pulli und laufe damit auf der Straße herum.“ Schließlich sehe es gut aus, meint sie. Und nicht zuletzt will Endosofical mit den Motiven auch Bildungs- und Aufklärungsarbeit leisten – und anregen, darüber zu sprechen.
„Endometriose und Unfruchtbarkeit sind schon schlimm genug, es muss nicht die Scham und das Tabu auch noch draufgelegt werden.“
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