Weihnachten mit Demenzkranken: Wie das Fest für alle gut gelingen kann

Weihnachten mit Demenzkranken: Wie das Fest für alle gut gelingen kann
Weihnachten als Chance, behutsam in die Biografie eines Menschen einzutauchen – aber auch ein emotionaler Balanceakt für An- und Zugehörige, der viel Feingefühl fordert.

O, Tannenbaum – alle drei Strophen: Die kann Johann Berger (Name von der Redaktion geändert) auswendig. Der 83-Jährige weiß zwar nicht, welcher Tag heute ist und wo er sich gerade befindet, doch an dieses Weihnachtslied erinnert er sich immer noch gut. Es zu singen, macht ihn glücklich.

Herr Berger ist demenzkrank, der Klang traditioneller Weisen löst bei ihm Erinnerungen an schöne Momente von einst aus. Eine berührende Erfahrung, die viele Patienten mit dieser Erkrankung erleben. Selbst jene, die sich nicht mehr bewegen können und in ihrer eigenen Welt sind. Kaum wird gesungen, stimmen sie ein, kennen Melodien und Texte.

Mehr lesen: "Ich weiß, wie es ist, mit Demenz zu leben"

So herausfordernd Weihnachten für An- und Zugehörige sein kann – so sehr birgt das Fest auch besondere Momente und Chancen, ist Andrea Stix überzeugt. Als Demenzbegleiterin unterstützt sie betroffene Familien, berät Angehörige und begleitet Patienten in unterschiedlichen Krankheitsstadien. „Diese Zeit bietet wunderbare Möglichkeiten, gemeinsam etwas zu tun und zu erleben. Ich brauche Demenzkranke nicht zu fragen, was sie gestern gegessen haben, sie wissen es nicht. Aber ich kann in der Zeit zurückgehen, zu möglichst schönen Erinnerungen. Dann höre ich einfach nur zu und stelle ein paar Zwischenfragen.“

Sie gibt Tipps und Anleitungen, wie die Feiertage für alle gut gelingen können. Worauf Familien achten können, erklärt auch Marianne Buchegger. Sie leitet ein Tageszentrum für SeniorInnen und Menschen mit Demenz bei der CS Caritas Socialis.

Auf gute Erfahrungen zurückgreifen

Erinnerungspflege ist für demenzkranke Menschen sehr bedeutend, weil sie hilft, ihre Identität und das Selbstbild zu wahren sowie kommunikative Fertigkeiten länger zu erhalten. Wichtig ist allerdings, dass auf gute Erfahrungen zurückgegriffen wird. „Die Weihnachtszeit ist bei den meisten Menschen positiv verankert, da ist es oft erstaunlich, was da alles an Erinnerungen auftaucht.“

Als Ritual hilft das Weihnachtsfest außerdem, sich in der Welt zurechtzufinden. „Da Menschen mit Demenz Orientierung, Fähigkeiten und Fertigkeiten verlieren, können Rituale das Gefühl von Selbstwirksamkeit erzeugen“, betont Stix. Im Sinne eines „Das kann ich noch, da kenne ich mich aus, da kann ich etwas erzählen, das habe ich erlebt. „Die Menschen blühen dann auf“, erzählt die Demenzbegleiterin.

Mehr lesen: Neues über Demenz: "Keine Erkrankung des Alters mehr"

Um die Sinne der Patienten anzusprechen, arbeitet sie gerne mit Materialien zum Angreifen, etwa einer Kerze. Oder mit Gerüchen – von Tannenzweigen, Lebkuchen, Keksen und weihnachtlichen Gewürzen. „Selbst wenn die Patienten nicht mehr sprechen können, ist am Gesichtsausdruck erkennbar, dass sie sich erinnern. Und wenn sie noch sprechen können, beginnen sie zu erzählen, wie es früher war.“ Alles, was positiv besetzte Erinnerungen hervorrufen kann, ist wirkungsvoll und lässt eine Brücke entstehen.

Nicht überfordern

Je mehr aus der Lebensgeschichte der Menschen bekannt ist, desto besser. „Das ist ein Anknüpfungspunkt. Wer zum Beispiel weiß, dass der demenzkranke Vater früher immer den Christbaum geholt hat, kann ihn zum Christbaumkaufen mitnehmen und fragen, welchen er nehmen würde“, rät Stix.

Das stimulierende Angebot sollte sich dennoch in Maßen halten, egal, ob im Advent oder am Heiligen Abend. Demenzkranke sind sehr rasch überfordert und ermüden leicht, außerdem haben sie eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Nicht nur: Sie reagieren äußerst sensibel auf den Stress der anderen, spüren alles und sind hochempfänglich für Emotionen. Einordnen können sie diese aber nicht mehr und in eine Sprache übersetzen, die für das Umfeld verständlich ist. Daher gilt: Weniger ist mehr.

Mehr lesen: Demenz bei Babyboomern: "Da kommt was auf uns zu"

Kommentare