Weltwassertag. Der Physiologe Michael Fischer von der MedUni Wien über die Funktionen von Wasser im Körper, die optimale Trinkmenge und die Bedeutung von Wasser beim Abnehmen.
Der Körper eines Säuglings besteht zu circa 75 Prozent aus Wasser, bei Erwachsenen sind es 50 bis 65 Prozent. „Ohne Wasser können wir nicht existieren – und wenn wir zu wenig trinken, beeinträchtigt das zahlreiche Körperfunktionen“, sagt Michael Fischer, Leiter des Instituts für Physiologie der MedUni Wien, anlässlich des Weltwassertages am 22.3. Aber was ist zu wenig? Wann ist es bei wem zu viel? Kann es überhaupt zu viel sein? Und kann Wassertrinken tatsächlich beim Abnehmen helfen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
KURIER: Was ist die Hauptfunktion von Wasser im Körper?
Michael Fischer: Wasser ist die Voraussetzung dafür, dass unsere Zellen funktionieren – dass sie Energie und Proteine produzieren können, den Stoffwechsel aufrechterhalten. Alle Bausteine einer Zelle, die für diese Funktionen zuständig sind, schwimmen im Wasser. Und dann gibt es auch außerhalb der Zellen Wasser, etwa im Blutplasma. Der Transport von Nährstoffen, Stoffwechselprodukten oder Sauerstoff funktioniert nicht ohne Wasser. Grob gesagt befinden sich zwei Drittel des Wassers im Körper innerhalb von Zellen, ein Drittel außerhalb.
Wie viel Wasser braucht der Körper täglich, um all diese Funktionen optimal ausführen zu können? In den österreichischen Ernährungsempfehlungen steht: „Mindestens eineinhalb Liter alkoholfreie Getränke täglich, am besten ist Wasser.“
Diese Menge sehe ich als absolute Untergrenze. Ich empfehle, im Tagesdurchschnitt mehr zu trinken, etwa zwei bis drei Liter. Natürlich kommt man auch mit weniger aus, aber eigentlich tut es dem Organismus, etwa den Nieren, nicht gut. Denn der Körper braucht viel Flüssigkeit: Zwar führen wir ihm nur rund zwei Liter täglich extern zu. Pro Tag werden im Körper aber etwa zehn Liter Flüssigkeit in einem Kreislauf umgesetzt:
Die Drüsen – etwa die großen und kleinen Speicheldrüsen, die Bauchspeicheldrüse oder die Magendrüsen – produzieren zusammen acht Liter Sekret am Tag. Von den zehn Litern insgesamt – zwei von extern, acht von den Drüsen – nimmt neun der Dünndarm auf, einen der Dickdarm. Mit dem Stuhl ausgeschieden werden nur 0,1 Liter, über den Harn im Mittel 1,8 Liter. Damit dieser Kreislauf optimal funktioniert, darf die tägliche Flüssigkeitszufuhr nicht zu gering sein – am besten eben auf jeden Fall zwei bis drei Liter.
Welche Folgen hat zu wenig trinken für die Nieren? Und können sie nicht auch durch zu viel trinken überlastet werden?
Also man kann – mit wenigen Ausnahmen – nicht zu viel Wasser trinken. Das ist für mich die wichtigste Botschaft zum Weltwassertag. Gesunde Menschen können im Alltag nahezu unbegrenzt Wasser konsumieren. Die Nieren stört es auch nicht, wenn sie sechs oder acht Liter am Tag trinken, sie filtern auch diese Mengen problemlos. Ausreichend zu trinken verbessert die Nierenfunktion und reduziert das Risiko eines Nierenversagens.
Universitätsprofessor Michael Fischer leitet das Institut für Physiologie der Medizinischen Universität Wien.
Trinken sie hingegen wenig, steigt in der geringeren Harnmenge die Konzentration von Substanzen, die ausgeschieden werden sollten – etwa überschüssiges Phosphat und Kalzium. Dabei kann deren maximale Löslichkeit aber überschritten werden – kristallines Salz lagert sich ab, Nierensteine bilden sich. Gleichzeitig kann sich auf Dauer auch die Nierenfunktion verschlechtern.
Aber kann nicht das Gleichgewicht der Mineralstoffe, der Elektrolyte, durcheinander kommen, wenn man zu viel trinkt?
Im Alltag sicher nicht, da wir ausreichend Mineralstoffe über die Ernährung aufnehmen und man gar nicht so viel trinken kann, dass es kritisch wird. Einzelfälle gibt es bei Sportlern, die manchmal wirklich extrem mehr Wasser trinken, als ihr Körper benötigt. Das sind aber absolute Ausnahmen.
Eine Gruppe, die wirklich nicht zu viel trinken darf, sind Menschen mit einem dauerhaften Nierenversagen, die eine Dialyse für die Blutreinigung benötigen. Sie dürfen bestimmte Mengen der Flüssigkeitsaufnahme nicht überschreiten.
Auch bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz (Herzschwäche, Anm.) stellt ein erhöhtes Flüssigkeitsvolumen eine Belastung dar, deshalb wird das Volumen ebenso wie bei der Niereninsuffizienz begrenzt wird – typischerweise auf 1,5 bis 2 Liter täglich.
Aber von diesen Beispielen abgesehen: Tatsächlich trinken die meisten Menschen zu wenig. Im Sport führt das zu einem Leistungsverlust. Aus diesem Grund sollte man bereits trinken, bevor man Durst verspürt.
Über die Nieren hinaus: Wie wirkt sich eine zu geringe Trinkmenge auf die Gesundheit aus?
Müdigkeit und Leistungsverlust sind die ersten Symptome. Gerade bei älteren Menschen erkennt man einen Flüssigkeitsverlust oft daran, dass sie geistig verlangsamt sind, nicht mehr klar reden können und etwa an einfachen Rechnungen scheitern. Geben sie ihnen in diesem Zustand ausreichend zu trinken, sind sie nach einer halben Stunde wieder komplett klar – der Unterschied ist beeindruckend.
Starke Dehydration reduziert in den Gefäßen das Blutvolumen, der Blutdruck fällt ab. Der Körper aktiviert das sympathische Nervensystem, schüttet Stresshormone aus und erhöht dadurch den Blutdruck wieder. Kopfschmerzen sind eine häufige Folge oder auch eine hohe Herzfrequenz.
Sollte man gleich in der Früh nach dem Aufstehen ein Glas Wasser trinken?
In der Nacht kommt es zu einem unsichtbaren Wasserverlust: Wir atmen mit Wasser gesättigte Luft aus und atmen relativ trockene Luft ein – ohne diesen Verlust über viele Stunden hindurch auszugleichen. Gleichzeitig füllen die Nieren die Blase mit Harn. Deshalb ist ein Glas Wasser nach dem Aufstehen sehr zu empfehlen.
Apropos ein Glas Wasser: Kann das - wenn man es vor dem Essen trinkt – beim Abnehmen helfen?
Physiologisch oder biochemisch gesehen hilft ein Glas Wasser vor dem Essen beim Abnehmen nicht. Es gibt keinen Stoffwechselprozess, der dadurch besser abläuft. Aber das Glas Wasser hilft, uns kognitiv zu manipulieren. Denn das Sättigungsgefühl hängt vom Ausmaß der Magendehnung ab. Durch das Glas Wasser wird der Magen bereits mit weniger Essen voll – das Gehirn empfängt früher Sättigungssignale und wir hören bei geringerer Nahrungszufuhr mit dem Essen auf. So gesehen kann das Wasser beim Abnehmen unterstützen.
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