Suchtfaktor Smartphone: "Die Glücksmomente flachen schnell ab"

Eine junge Frau mit lockigen Haaren steht inmitten einer Menschenmenge und blickt auf ihr Smartphone.
Zwischen Dopaminrausch und Digitalstress: Ein Interview mit Expertin Anni Richter über die Sogkraft unseres Smartphones.

Ständig greifen wir zum Smartphone, obwohl es uns oft mehr stresst als zufrieden macht. Neurowissenschafterin Anni Richter kennt die Hintergründe des Phänomens.

Wenn es um die Frage geht, warum uns das Handy im Alltag derart in seinen Bann zieht, ist immer wieder vom Dopamin die Rede. Warum?

Anni Richter: Dopamin hat eine zentrale Funktion für unser Verhalten: Es hilft uns dabei, es so auszurichten, dass wir uns in der Umwelt in dem Sinn zurechtfinden, dass wir Belohnungen maximieren und Bestrafungen minimieren. Wir suchen Dinge auf, bei denen uns Gutes widerfahren ist, oder wir strengen uns an, damit wir etwas Gutes bekommen. Dopamin ist also – unter anderem – ein Lernsignal für unser Gehirn. Der Botenstoff wird ausgeschüttet, wenn etwas Positives passiert – wenn wir etwas Leckeres essen, wenn uns jemand anlächelt, wenn wir eine gute Note bekommen…

Ein Like auf Instagram?

Genau, auch dadurch wird Dopamin ausgeschüttet und unser Gehirn lernt: Wenn ich das mache – etwas auf Social Media poste – habe ich dieses positive Gefühl. Also werde ich das in Zukunft häufiger tun.

Klingt so, als würde uns unser Gehirn zum Glück leiten wollen. Gerade intensive Smartphonenutzung mündet aber nicht immer in Zufriedenheit, sondern zum Beispiel in suchtartiges Verhalten. 

Da spielen verschiedene Faktoren hinein. Zum einen die Toleranzentwicklung, die Gewöhnung. Ähnlich wie bei einer Droge ist es so, dass sich das dopaminerge System an den Konsum gewöhnt. Man braucht mit der Zeit mehr davon, um das gleiche positive Gefühl zu erreichen. Das löst einen Suchtkreislauf aus: Man verspürt immer wieder ein Verlangen nach mehr und hat negative Empfindungen, wenn das nicht klappt. Das kann dazu führen, dass man immer mehr Zeit auf Online-Plattformen verbringt und die Nutzung intensiviert – vom passiven Zuschauer zum aktiven Poster wird, zum Beispiel.

Diese Jagd nach dem nächsten Dopaminkick mutet ziemlich anstrengend an.

Auf jeden Fall. Diese kurzen, kleinen Dopaminschübe sind nicht nachhaltig. Das macht uns vielleicht in dem Moment glücklich, aber nicht den ganzen Tag – und schon gar nicht die ganze Woche. Social Media ist zwar ein starker Dopaminlieferant, aber die Glücksmomente flachen schnell ab. Man sucht immer wieder danach, und das kann rasch in Stress ausarten.

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Anni Richter erforscht am Leibniz-Institut für Neurobiologie die Rolle von Dopamin bei Lernprozessen.

Würden Sie Smartphones und soziale Netzwerke in eine Reihe mit problematischen Dopaminauslösern wie Glücksspiel, Drogen oder Nikotin stellen? 

Soziale Medien nutzen Mechanismen, die auch beim Glücksspiel verwendet werden. Man macht sich die intermittierende Verstärkung zunutze: Das bedeutet, dass man nicht genau vorhersagen kann, was als Nächstes kommt. Man geht mit der Erwartung heran, dass etwas Positives passieren könnte. Aber nicht jedes Video ist spannend. Manche sind langweilig – dann kommt wieder etwas besonders Tolles oder Niedliches. Diese Mischung ist ein sehr guter Lernförderer: Wenn Verhalten manchmal, aber nicht immer belohnt wird. Das führt umso stärker in die Nutzungsspirale hinein, weil man immer wieder hofft, dass etwas Tolles passiert – und ganz lange dranbleibt, weil es ja bald so weit sein könnte. Genauso ist es beim Glücksspiel, wo man auch nicht immer gewinnt. Das endlose Social-Media-Scrollen passt also sehr gut in dieses Muster.

Wie gelingt es, das Verhalten zu lenken, wenn einen das Handy fest im Griff hat? 

Zuerst braucht es die Einsicht, dass einem die eigene Nutzung nicht mehr guttut. Dann geht es um Selbstkontrolle: also darum, das eigene Verhalten so zu ändern, dass man nicht immer wieder in denselben Kreislauf gerät. Hilfreich sind klare Regeln – etwa smartphonefreie Zeiten am Morgen, am Abend oder im Urlaub. Wichtig ist, auszuprobieren, wie sich das anfühlt, und die Regeln bei Bedarf anzupassen. Wenn man merkt, dass der Konsum schon sehr problematisch geworden ist, sollte man nicht zögern, sich Unterstützung zu holen.

Auch eine vollkommene Abstinenz vom Smartphone wird propagiert.

Beim Digital Detox verzichtet man für einen bestimmten Zeitraum komplett auf die Nutzung. Studien zur Computerspielsucht zeigen, dass dieser Ansatz wirksam sein kann: Schon nach zwei Wochen Pause berichten Betroffene, dass sie glücklicher sind, weniger Stress und Ängste empfinden und sogar wieder in der Lage sind, in einem gesunden Maß zu spielen und dabei Freude zu erleben.

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