Was Faultiere mit neuen Antibiotika zu tun haben

Was Faultiere mit neuen Antibiotika zu tun haben
Forscher in Costa Rica entdeckten bei den Tieren Substanzen, die möglicherweise gegen resistente Bakterien helfen.

Faultiere bewegen sich zwar kaum, aber in ihrem Fell bewegt sich ständig irgendetwas. Es ist ein Habitat für Insekten, Algen, Pilze und Bakterien - und demnach müssten die Tiere eigentlich ständig krank sein. Aber Forscher und Tierschützer in Costa Rica haben kaum je ein infiziertes Faultier gesehen. Seit 2020 hat Wissenschafter Max Chavarría von der Universität Costa Rica antibiotische Komponenten im Fell der Faultiere gefunden, die Hoffnung auf neue Antibiotika machen.

"Wenn du dir das Fell des Faultiers ansiehst, siehst du, wie es wimmelt: Du siehst Motten, verschiedene Insektenarten ... ein komplexes Habitat. Wenn so viele verschiedene Organismen zusammenleben, muss es natürlich Systeme geben, die sie unter Kontrolle halten", sagt Chavarría.

Mit einem Team von Wissenschaftern nahm er Proben vom Zweizehenfaultier (Choloepus Hoffmanni) und vom Dreizehenfaultier (Bradypus variegatus), um dieses Kontrollsystem zu untersuchen. Sie fanden Bakterien, die möglicherweise antibiotische Substanzen herstellen, die es "ermöglichen, die Vermehrung von potenziell pathogenen Bakterien zu kontrollieren", heißt es in einer Studie, die in der Zeitschrift "Environmental Biology" veröffentlicht wurde.

Touristenattraktion

Faultiere sind ein nationales Symbol und eine Touristenattraktion von Costa Rica. In der Roten Liste bedrohter Tierarten der Weltnaturschutzunion (IUCN) heißt es, dass die Populationen von Zweizehen- und Dreizehenfaultieren zurückgehen. Beide leben in Baumkronen im Dschungel der Karibikküste Costa Ricas, wo ein heißes und feuchtes Klima herrscht.

Judy Avey aus den USA unterhält dort ein Reservat für verletzte Faultiere und hat seit 1992 nach eigenen Angaben rund eintausend Tiere gepflegt. "In 30 Jahren haben wir vielleicht fünf Tiere gesehen, die mit einer infizierten Verletzung zu uns kamen. Das sagt uns doch, dass in ihrem körperlichen Ökosystem etwas Besonderes abläuft", betont Avey. "Wir hatten Faultiere, die sich an Stromleitungen verbrannt hatten, deren ganzer Arm fast abfiel ... aber sie hatten keine Infektion."

Chavarría nimmt seit 2020 Fellproben von Faultieren und hat bisher 20 "Kandidaten" von Mikroorganismen gefunden. Aber ihm zufolge braucht es noch viel Zeit um festzustellen, ob wirklich Antibiotika aus Faultierfell gewonnen werden können. "Bevor wir an eine medizinische Anwendung denken können, müssen wir erst wissen, mit welcher Art von Molekülen wir es zu tun haben", betont er.

Zehn Millionen Todesfälle pro Jahr

Vor der Entdeckung von Penizillin vor fast 100 Jahren durch den Briten Alexander Fleming konnten gewöhnliche Infektionskrankheiten ein Todesurteil bedeuten. Heute ist die Resistenz von Keimen gegen Antibiotika ein wachsendes Problem, das durch den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung und durch die übertriebene Anwendung von Antibiotika bei der medizinischen Versorgung von Menschen verschärft wird. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass Antibiotika-Resistenzen im Jahr 2050 zu zehn Millionen Todesfällen pro Jahr führen könnten.

Eine europäische Studie hat 2018 laut Robert-Koch-Institut für Deutschland rund 54.000 Fälle von Antibiotika-Resistenzen festgestellt, rund 2.400 Menschen pro Jahr sterben demnach infolge einer Infektion mit resistenten Keimen.

Chavarría sieht in seiner Forschung einen guten Ansatz zur Eindämmung dieses Problems. "Projekte wie unseres können dazu beitragen, mittel- und langfristig neue Moleküle zu finden, die im Kampf gegen antibiotische Resistenzen eingesetzt werden können." So könnten die für ihr Nichtstun bekannten Faultiere der Menschheit einen großen Dienst erweisen.

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