Umfrage: Jeder zweite Österreicher von psychischem Leiden betroffen

Umfrage: Jeder zweite Österreicher von psychischem Leiden betroffen
Betroffene leiden unter Schamgefühlen und finanzieller Belastung. Gesundheitsminister Anschober kündigte Verbesserungen an.

Als das Meinungsforschungsinstitut Karmasin Research im Auftrag vom Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) Anfang bis Mitte März eine Umfrage zur psychischen Gesundheit durchführte, wurde bereits über einen möglichen Lockdown spekuliert. „Wir gehen davon aus, dass sich alle Themen rund um psychische Erkrankungen rund um Corona noch verstärkt haben", sagte Sophie Karmasin bei der Präsentation am Mittwoch im Gesundheitsministerium. Befragt wurden 1.000 Personen zwischen 16 und 69 Jahre. 

Anschober: Psychische Erkrankungen enttabuisieren!

Die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage sind auch ohne Corona alarmierend: Etwa jeder zweite Österreicher hatte demnach in seinem Leben bereits mit einer psychischen Erkrankung zu tun. Konkret verneinten 52 Prozent der Österreicher die Frage einer Betroffenheit. 39 Prozent erklärten, aktuell oder in der Vergangenheit psychisch krank gewesen zu sein. Neun Prozent waren sich unsicher. "Frauen sind stärker betroffen bzw. berichten eher darüber."

Therapie nicht leistbar

Das oft thematisierte Problem der Versorgungssituation zeigte sich auch in dieser Umfrage. 13 Prozent der Befragten sind mit der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sehr zufrieden, 12 Prozent sind nicht zufrieden. Nur 10 Prozent sind der Meinung, dass Betroffenen ausreichend geholfen wird. Zwar würden im Fall des Falles 89 Prozent professionelle Hilfe suchen, doch für 65 Prozent ist eine selbst finanzierte Behandlung nicht leistbar. In Österreich gibt es rund 11.000 Psychologinnen und Psychologen mit eigenen Praxen, die mangels eines Vertrages mit der Sozialversicherung aber privat zu bezahlen sind.

 

Umfrage: Jeder zweite Österreicher von psychischem Leiden betroffen

Sophie Karmasin, Rudolf Anschober, Beate Wimmer-Puchinger (v. li.)

Neben der finanziellen Situation hätten Betroffene immer noch mit Scham und Stigmatisierung zu kämpfen, erläutert Karmasin. „Nur 63 Prozent würden der Familie oder Freunden von einer psychischen Erkrankung erzählen, nur 21 Prozent Arbeitskollegen. Nur 13 Prozent der Menschen bis zu 19 Jahren würden über eine (eigene; Anm.) psychische Erkrankung im Berufsalltag sprechen. Das ist schon dramatisch.“

Verschärfung der Situation

Psychische Erkrankungen dürfen nicht zu einer Armutsfalle werden, betonte BÖP-Präsidenten Beate Wimmer-Puchinger. Rund um Covid-19 sei eine deutliche Verschärfung der Situation spürbar, die Helpline des BÖP verzeichnete in zwei Monaten mehr als 1.000 Anrufe. "Wir konnten einige Suizide verhindern." Man dürfe mit Hinblick auf die Zeitgeschichte nicht vergessen: „Wie man mit psychischen Erkrankungen in einer Gesellschaft umgeht, ist ein guter Gradmesser für die Demokratisierung der Gesellschaft.“ 

Gesundheitsminister Anschober kündigte für den Herbst eine breite Diskussion für Verbesserungen an. Die Corona-Krise hätte gezeigt, wo das Gesundheitssystem Aufholbedarf habe. "Der erste Minister, der psychische Gesundheit in den Fokus rückt", freute sich Wimmer-Puchinger.

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