Uğur Şahin: Was den Impfstoffentwickler auszeichnet

Uğur Şahin: Was den Impfstoffentwickler auszeichnet
Uğur Şahin und Ehefrau Özlem Türeci sind Wissenschafter wie aus dem Bilderbuch: Selbst am Tag ihrer Hochzeit standen sie im Labor.

Uğur Şahin erscheint meist in Jeans und Hemd, und er trägt dabei stets seine Lederkette mit dem kleinen Nazar-Amulett – das türkische blaue Auge, das den bösen Blick abwenden und seinem Träger Glück bringen soll. Ihm sei sofort klar gewesen, dass sich das Virus pandemisch ausbreiten werde, als er Ende Januar eine wissenschaftliche Arbeit über den Corona-Ausbruch in der chinesischen Provinzhauptstadt Wuhan gelesen habe, meinte er einmal in einem Gespräch mit einem Journalisten.

In die Hauptschule

Dass Şahin einmal gemeinsam mit seiner Frau zu den bekanntesten Gesichtern und zu den reichsten Menschen in der Welt gehören wird, haben wohl weder die beiden noch ihre Eltern zu hoffen gewagt: Sahin war vier Jahre alt, als er mit seiner Mutter zum Vater nach Deutschland übersiedelte. Dieser arbeitete bei Ford in Köln. Schon als Kind wusste er, dass er einmal Mediziner werden will. Keine Selbstverständlichkeit für einen Gastarbeiterbuben zur damaligen Zeit. Sein Volksschullehrer will ihn, wie die anderen Kinder, die zu Hause nicht deutsch sprechen, in die Hauptschule schicken. Nur der Aufmerksamkeit eines Nachbarn ist es wohl zu verdanken, dass der junge Sahin aufs Gymnasium darf.  Dort macht er 1984 das Abitur  und war somit das erste Gastarbeiterkind an der Schule, das dies schaffte.

Hochzeit im Labor

Anschließend studiert Şahin in Köln Medizin, arbeitet als Arzt am dortigen Universitätsklinikum, danach an der Uniklinik des Saarlandes in Homburg, wo er seine spätere Frau Özlem Türeci kennenlernt. Türeci selbst ist bereits in Deutschland geboren. Ihr Vater war ein Chirurg, der von Istanbul nach Deutschland übersiedelt war.

„Es sind beide unglaublich intelligente Menschen mit visionären Ideen, und sie ergänzen sich perfekt, wenn es in der Umsetzung darum geht, dass alle Details stimmen“, beschreibt sie Matthias Kromayer, Vorstand der Wagniskapitalgesellschaft MIG AG, die mit mehreren Fonds bei BioNTech investiert ist. Die Leidenschaft für die Medizin eint die beiden: Noch am Morgen vor der Hochzeit stehen sie im Labor und kehren dort auch nach dem Standesamt wieder zurück, wie die promovierte Ärztin Türeci in einem Interview erzählt hat.

Bescheiden und demütig

Ihr erstes Unternehmen Ganymed gründeten die beiden 2001, verkauften es aber dann nach Japan. 2008 folgte die Gründung von Biontech  -  Şahin übernimmt den Chefposten, Türeci fungiert als Chief Medical Officer. Ihre Vision: Nichts weniger als die Therapie für jeden Krebspatienten zu individualisieren. „Sahin ist ein sehr bescheidener, demütiger Mensch. Alles Äußere ist ihm nicht wichtig. Aber er will die Strukturen schaffen, um seine Vision zu verwirklichen und da ist sein Anspruch dann nicht mehr bescheiden“, sagt sein  langjähriger Wegbegleiter Matthias Theobald, stellvertretender Leiter des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen UCT Mainz.

Wahre Goldgrube

Die Firmenadresse „An der Goldgrube 12“ hat Symbolcharakter: Zu den Hauptgeldgebern gehören die Strüngmann-Brüder, die Gründer des Generika-Konzerns Hexal. Auch Microsoft-Gründer Bill Gates wird auf die Firma aufmerksam und pumpt über seine Stiftung Millionen in BioNTech. Zu den Partnern gehören Pharmariesen wie Sanofi, Eli Lilly, die Roche-Tochter Genentech und Pfizer. Die Weitsicht des Ehepaars hat dem Unternehmen dabei geholfen, „wahnsinnig schnell einen Impfstoff zu designen und herzustellen“, glaubt Kromayer vom Investor MIG.

Uğur Şahin sieht die Suche nach einer Impfung als „Menschheitsprojekt“: „Je früher ein effektiver Impfstoff verfügbar ist, desto früher können wir alle in unser altes Leben zurückkehren.“ Dann hätte er auch wieder mehr Zeit für andere Dinge, die ihm wichtig sind: Er lehrt an der Uni Mainz und betreut Doktoranden, da ihm die Ausbildung der nächsten Generation an Wissenschaftlern am Herzen liegt. Und er ist gerne mit dem Mountainbike unterwegs. Das musste er in den letzten Monaten zu oft zugunsten des Heimtrainers stehen lassen.

 

 

 

 

 

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