Medizinische Sensation: Erstmals Blasentransplantation gelungen

Symbolbild einer Operation
Einem 41-jährigen Mann ist in einer achtstündigen OP erstmals eine menschliche Harnblase transplantiert worden. Der Eingriff fand in Los Angeles, USA, statt.
  • Erste erfolgreiche Blasentransplantation weltweit in den USA durchgeführt.
  • Patient erhielt gleichzeitig eine Niere; Operation brachte sofort positive Ergebnisse.
  • Blasentransplantation könnte weniger riskant sein als bisherige Behandlungsmethoden.

Bisher galt die Transplantation einer Harnblase beim Menschen als nicht durchführbar. Nun ist sie erstmals gelungen: In einer achtstündigen Operation erhielt ein vierfacher Familienvater nicht nur eine neue Blase, sondern auch eine Niere – beide Organe stammten von einem Spender. Das chirurgische Team um Inderbir Gill und Nima Nassiri führte zunächst die Nierentransplantation durch und verband anschließend Blase und Niere mit einer eigens entwickelten Technik.

Die Blasentransplantation gilt als „historischer Erfolg“. „Die Niere produzierte sofort eine große Menge Urin, und die Nierenfunktion des Patienten verbesserte sich sofort“, erklärte Urologe Nima Nassiri. Eine Dialyse sei bei dem 41-jährigen nicht mehr nötig gewesen.

Blase und Nieren mussten aufgrund einer Krebserkrankung entfernt werden

Der Patient hatte zuvor sieben Jahre lang dialysepflichtig gelebt, nachdem ihm wegen Krebserkrankungen beide Nieren entfernt werden mussten. Bereits fünf Jahre zuvor war ihm aufgrund einer Tumoroperation der Großteil seiner Harnblase entnommen worden – die verbliebene Blase war zu klein und nicht funktionstüchtig.

Der medizinische Durchbruch ist umso bemerkenswerter, da eine Transplantation der Blase bislang als kaum durchführbar galt. Die tief im Becken gelegene Blase ist von einem dichten Netz aus Blutgefäßen und Nerven umgeben, was den Eingriff technisch hochkomplex macht. Zudem gilt die Blase als nicht überlebenswichtig – im Gegensatz zu Herz, Niere oder Leber – was bisher das Risiko einer lebenslangen Immunsuppression kaum rechtfertigte. "Seit den 70er- und 80er-Jahren gibt es etablierte Verfahren, die Blase zu ersetzen. In erster Linie arbeitet man hier mit Dünndarmgewebe, das man zur Blase umfunktioniert. Das ist vor allem bei Krebspatienten gängig. Die Reservoirfunktion der Blase können wir damit und mit anderen Verfahren sehr gut wiederherstellen“, sagt Johannes Huber, Ärztlicher Direktor der Klinik für Urologie am Uniklinikum Heidelberg. 

Bisherige Methoden bergen langfristige Komplikationen

Bisherige Standardverfahren bei Blasenverlust bestanden entweder in der Verwendung von Darmgewebe zur Harnableitung oder in der Anlage eines künstlichen Ausganges mit Stomabeutel. Diese Methoden sind etabliert, jedoch nicht ohne langfristige Komplikationen, etwa Infektionen. Laut Nassiri könnten diese Risiken durch die neue Transplantationsmethode künftig deutlich verringert werden. Huber: "Eine gesunde Blase kann sich auch durch neuronale Befehle zusammenziehen und entleeren. Ob dies zum Beispiel auch mit einer transplantierten Blase möglich ist, ist noch unklar und muss sich jetzt zeigen."

Bereits seit mehr als 30 Jahren wird versucht, künstliche Blasen aus Stammzellen herzustellen. Dies scheiterte bislang aber an der nerval gesteuerten Entleerung, die man nicht so einfach imitieren kann, meint Peter Albers, Direktor der Klinik für Urologie am Uniklinikum Düsseldorf. "Dies wird auch bei der transplantierten Blase das Hauptproblem darstellen. Ein Speicherorgan herzustellen, ist vergleichsweise einfach und erfolgt ohne Immunsuppression am besten über eine Dünndarm-Ersatzblase. Die Entleerung kann man aber bislang durch kein operatives Verfahren so steuern, wie dies bei einer normalen eigenen Blase über die Nervenversorgung ermöglicht wird“, sagt Albers. Entleert die Blase nicht korrekt, sei die Nierenfunktion der Transplantatniere gefährdet. 

Weitere Blasentransplantationen geplant

Das Chirurgen-Team plant nun, die Operation bei vier weiteren Patienten zu wiederholen und die Ergebnisse wissenschaftlich zu evaluieren. Fachleute wurden vom Science Media Center (SMC) gebeten, Nutzen und Sinnhaftigkeit dieser neuen Transplantationsform zu bewerten. 

Ob sich der historische Eingriff als Wegbereiter für eine neue Ära in der Urologie etabliert, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. "Ich denke, dass derlei Eingriffe eine absolute Nische bleiben werden. Es wird in absehbarer Zeit keine Wartelisten für Harnblasen geben. Das sehe ich nicht. Der Einsatz eines fremden Organs geht ja auch immer mit einer starken Immunsuppression einher. Und diese ist Stand jetzt für ein nicht überlebenswichtiges Organ in den allermeisten Fällen nicht zu rechtfertigen", betont Huber.

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