Was Frühchen im Brutkasten hören

Was Frühchen im Brutkasten hören
Studie: Wiener Forscher machten Geräusche im Inkubator nachvollziehbar. Erkenntnis: Die Lärmbelastung ist hoch.

Was Babys im Mutterbauch hören, unterscheidet sich grundlegend von der Geräuschkulisse nach der Geburt. Doch für zu früh geborene Kinder, die ihre erste Lebenszeit im Brutkasten verbringen, ist es noch einmal anders. Die Frage, was die Winzlinge dort hören, erforschte nun ein interdisziplinäres Team von MedUni Wien und AKH Wien unter der Leitung von Neurowissenschafter Vito Giordano von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde und CCP, vom Musikwissenachaftler/Akustiker Christoph Reuter von der Universität Wien und vom Musikphysiologen Matthias Bertsch von der Universität für Musik und darstellende Kunst.

Ihre Studie „The Sound of Silence“ erschien im Journal Frontiers in Psychology. Dabei zeigt sich, dass Frühgeborene im Brutkasten besonders bei unterstützter Beatmung einer hohen Lärmbelastung ausgesetzt sind.

Ziel der Studie war es, die Dynamik von Geräuschen in einem Inkubator zu dokumentieren und diese Geräuschkulisse für die Betreuungspersonend des Frühchens und der Eltern erlebbar zu machen.  Sie können durch selbst wahrnehmbare Hörbeispiele eine Vorstellung davon bekommen, wie es “in der Box" klingt.

"Drinnen klingt es anderes als draußen vor dem Brutkasten, denn dieser erzeugt einen Bass-Boost, d.h. tiefe Frequenzen unter 250 Hz sind deutlich lauter„, erklärt der Musikphysiologe Matthias Bertsch. Besonders beeindruckend zeigten sich die Geräusche der Geräte zur Atemunterstützung. Sie entsprachen im Inneren des Brutkastens einem Staubsauer in einem Meter Entfernung.

Nieder- und hochfrequente Geräusche

„Durch den Mutterleib werden hauptsächlich niederfrequente Geräusche (Anm.: unter 500 Hertz) durch den Mutterleib übertragen und gefiltert. Mehrere Studien haben dokumentiert, dass der Schallpegel innerhalb einer NICU den empfohlenen Schwellenwert von 35 Dezibel (dB) bei weitem permanent überschreitet. Signale von Überwachungsmonitoren, lautes Sprechen, rasches Öffnen der Türen oder medizinische Behandlungen führen zu erhöhten Grundschalldruckpegel und erreichen Spitzenwerte von weit über 100dB“, erklärt Giordano.

Schäden bei hohem Schallpegel

Hohe Schallpegel können allerdings zu Hörschäden oder sogar zu Hörverlust führen - bei Frühgeborenen liegt die Häufigkeit bei zwei bis 10 Prozent, bei anderen Kindern dagegen nur bei 0,1 Prozent. „Frühgeborenen im Inkubator fehlt die natürliche Filterung und Absorption der Geräuschkulisse im Mutterleib. Neue akustische Reize bzw. Lärm beeinflussen stark die postnatale Reifung des auditorischen Systems“, betont der MedUni Wien-Experte. Stille, die zur Deprivation, also einem Gefühl der Isolation, führt, ist allerdings ebenso schädlich wie zu laute Reize. Grundsätzlich sei die Problematik aber nicht neu, Bildungskonzepte und Anzeigeampeln zur Lärmreduzierung sind heute bereits Standard.

Inkubator hat Schutzwirkung

Die Ergebnisse der Studie zeigen eine “Schutzwirkung„ des Inkubators insbesondere vor Geräuschen im mittleren bis hohen Bereich, aber eine Verstärkung niedriger Frequenzen innerhalb eines Inkubators. “Es ist uns wichtig, nicht nur mit akustischen Schallpegeltabellen, sondern mit nachvollziehbaren hörbaren Ergebnissen auf die Problematik erneut aufmerksam zu machen. 

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