Stillende Mütter: Ist eine SARS-CoV-2-Infektion über Muttermilch möglich?

Young beautiful mother, breastfeeding her newborn baby boy at night
Neue Studie: Infektiöses Virus konnte in 64 getesteten Proben nicht nachgewiesen werden.

Mit den weiterhin global anwachsenden Corona-Infektionszahlen steigt auch die Sorge stillender Mütter, das neuartige Virus an ihre Säuglinge weiterzugeben.

Bisher wurden keine Ansteckungsfälle dokumentiert, in denen sich ein Baby über Muttermilch mit SARS-CoV-2 infiziert hat. Die Frage, ob diese Form der Übertragung potenziell möglich ist, bleibt jedoch offen.

Nun liefern Forschende erste erfreuliche Erkenntnisse: Wissenschafterinnen der University of California San Diego School of Medicine und der University of California Los Angeles untersuchten in Summe 64 Muttermilchproben von 18 US-Amerikanerinnen, die schwer an Covid-19 erkrankt waren. Ihre Erkenntnisse wurden am 19. August 2020 in der Online-Ausgabe des Fachblattes JAMA veröffentlicht

Gefundenes Virus nicht infektiös

Zwar wurde eine Probe positiv auf genetische Rückstände des neuartigen Coronavirus getestet, nachfolgende Tests ergaben aber, dass die Virusbestandteile nicht vermehrungsfähig waren und damit auch keine Infektion beim gestillten Säugling verursachen konnten.

"Der Nachweis von viraler RNA (nicht-infektiöse virale Erbgutpartikel, Anm.) ist nicht gleichbedeutend mit einer Infektion. Das Virus muss wachsen und sich vermehren, um infektiös zu sein, und das haben wir in keiner unserer Proben festgestellt", sagt Christina Chambers, die an der Studie mitwirkte und als Professorin für pädiatrische Medizin an der University of California San Diego School of Medicine tätig ist. "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Muttermilch selbst wahrscheinlich keine Infektionsquelle für das Kind ist."

Zum Stillen ermutigen

"In Ermangelung von Daten haben einige mit SARS-CoV-2 infizierte Frauen beschlossen, überhaupt nicht zu stillen", sagt Grace Aldrovandi, Leiterin der Abteilung für Infektionskrankheiten an der University of California Los Angeles und ebenfalls Mitautorin. "Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse und zukünftigen Studien Frauen die Sicherheit geben, die sie zum Stillen benötigen. Muttermilch bietet Mutter und Kind unschätzbare Vorteile."

Frühes Stillen ist mit einem verringerten Risiko für plötzlichen Kindstod und Fettleibigkeit bei Kindern sowie einer verbesserten Immungesundheit und Leistung bei Intelligenztests verbunden. Bei Müttern wird das Stillen mit einem geringeren Risiko für Brust- und Eierstockkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes in Zusammenhang gebracht.

Schon im Mai wiesen Virologen das neue Coronavirus erstmals in der Muttermilch einer an Covid-19 erkrankten Frau nach. Auch ihr Säugling sei am Virus erkrankt, teilten die Wissenschafter um Jan Münch und Rüdiger Groß von der Universität Ulm damals mit. Unklar blieb, ob sich das Kind über die Muttermilch angesteckt hatte. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachjournal The Lancet.

Still-Empfehlungen in der Pandemie

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) empfiehlt – ebenso wie der österreichische Verbandes der Still- und LaktationsberaterInnen Österreichs (VSLÖ) – Müttern, Vorsichtsmaßnahmen gegen Infektionen mit SARS-CoV-2 zu befolgen. Babys sollten aber weiter gestillt werden, wenn die Mütter infiziert sind oder eine Infektion vermuten.

Mütter mit Covid-19 sollten beim Stillen ihres Babys eine Maske tragen, sich vor und nach der Berührung des Babys die Hände waschen und die Oberflächen routinemäßig reinigen und desinfizieren. Die Sterilisation der Pumpausrüstung nach jedem Gebrauch wird empfohlen. Daneben sollten sie die Neugeborenen weiterhin tragen und körperliche Nähe praktizieren.

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