Nun wissen wir, dass die Kinder von heute sich noch weniger bewegen und noch unausgewogener ernähren als die vorigen Generationen. Das bedeutet, die Lage verschärft sich zunehmend?
Selbstverständlich. Wir können genau sehen, was in Amerika passiert, und diese Übergewichtswelle kommt auch zu uns. Übergewicht wirkt sich bei den Menschen negativ auf den Darm aus.
Wie kann man dem entgegenwirken, was kann man für den Darm Gutes tun in Sachen Bewegung und Ernährung?
In der gesamten Inneren Medizin ist Sitzen das neue Rauchen. Sitzen ist ungesund. Es braucht zumindest 10.000 Schritte am Tag und einen Ausdauersport zwei bis dreimal in der Woche von je 30 bis 45 Minuten.
Kann man diese Zeit auch an einem Wochenende komprimieren oder muss man dem Körper dazwischen tagelange Pausen gönnen?
Die 10.000 Schritte gelten täglich und besser ist es, täglich etwas zu tun. Aber bei Zeitnot kann man den Ausdauersport durchaus an einem Wochenende mit einer längeren Einheit ausüben. Eine große Rolle spielt aber auch die Ernährung.
Gibt es spezielle Lebensmittel, die den Darm unterstützen und vielleicht sogar Darmkrebs vorbeugen?
Gut ist eine ausgewogene Ernährung, vor allem die mediterrane Diät, mit viel Obst und Gemüse, Fisch, wenig rotem Fleisch, wenigen Getreideprodukten und vielen Milchprodukten, die gut für unsere Knochen sind. Und vor allem: frisch zubereitet, keine verarbeiteten Produkte. Für eine gute Darmtätigkeit ist auch eine ausreichende Aufnahme von Flüssigkeit notwendig.
Macht es einen Unterschied, wann man isst? Stichwort: Intervallfasten?
Der Darm wird gerne gefüttert, damit er in Bewegung bleibt, daher ist eine regelmäßige Aufnahme von kleinen Mahlzeiten besser als nur einmal am Tag zu essen. Für die Darmgesundheit und Gewichtskontrolle ist es aber immer ein Spiel aus Input und Output: Es geht um die Gesamt-Kilokalorienmenge und die Gesamtmenge der Bewegung, damit wir schlank bleiben und es unserem Darm gut geht. Wie kann man das dann bestmöglich im Blick behalten?
Es gibt gute Apps, die man verwenden kann und die die Kalorienmengen über den Tag hinweg zusammenzählen. Aber sonst einfach darauf achten, unendlich viel Gemüse, ein bisschen Obst.
Gemüse: Egal wie viel?
Es ist nicht egal, ob ich zwei Kilo Erdäpfel esse, aber bei Paprika, Paradeisern oder Salat ist es komplett egal wie viel.
Bei Erdäpfeln sollte man Grenzen einhalten wegen der Kohlenhydrate?
Ja, die Schlussrechnung ist einfach: Die Kohlenhydrate aktivieren Insulin und das macht Heißhunger. Da ist eine eiweißreiche Ernährung viel besser. Und bitte Ballaststoffe nicht vergessen, die sind unumgänglich, dass der Darm arbeiten kann – sie sind in Gemüse, aber auch im Vollkornbrot enthalten.
Was machen die Naschkatzen, die ein Stück Schokolade haben wollen?
Ein Stück Schokolade ist für niemanden ein Problem. Aber die 10.000 Schritte bitte nicht vergessen. Das Problem der Naschkatzen ist oft, dass sie nie bei einem Stück Schokolade aufhören. Es ist dann meistens eine ganze Tafel. Sollte das passieren, dann bitte aufs Fahrrad oder das Ergometer setzen und radeln. Dann ist das auch in Ordnung.
Darmkrankheiten bleiben oft lange unerkannt, auch bei Krebs gibt es in frühen Stadien kaum Anzeichen. Woran erkennt man, dass der Darm ein Problem hat?
Es dauert sehr, sehr lange, bis man Symptome von Darmkrebs hat. Und wenn Symptome da sind, ist es meistens schon zu spät. Dann kann eine Heilung nicht mehr durch endoskopische Abtragung hervorgerufen werden und Patienten brauchen eine Operation, womöglich auch eine Chemotherapie. Symptome sind etwa ein stark geblähter Bauch, Blut im Stuhl, Schmerzen, Gewichtsabnahme.
Wieso kommen diese Symptome so spät?
Wir haben sehr viel Platz im Dickdarm und so ein kleiner Polyp, der eine Vorstufe vom Darmkrebs sein kann, kann 10 bis 15 Jahre heranwachsen, bis er sich bemerkbar macht. Genau deshalb braucht es Vorsorge, damit der Polyp rechtzeitig entfernt werden kann.
Wann sollte man zur Vorsorge?
Bis 2023 wurde eine Vorsorge für ab 50-Jährige empfohlen. Aber anhand der weltweiten und auch der österreichischen Daten wurde jetzt eine Vorsorgeempfehlung ab 45 Jahren abgegeben. Anderes gilt für Familienangehörige von Patienten mit Darmkrebs. Diese sollten zehn Jahre vor dem Erkrankungsalter des Angehörigen zur Vorsorge gehen, also zum Beispiel mit 35 wenn ein Familienmitglied im Alter von 45 Jahren erkrankte. Wenn ein erstgradiger Verwandter im Alter von 50 Jahren oder darunter an Darmkrebs erkrankt, sollten deren Angehörige auf genetische Darmkrebssyndrome untersucht werden. Wenn sich der Verdacht bestätigt, brauchen diese Patienten die erste Vorsorgekoloskopie bereits mit 25 Jahren oder früher.
Bemerken Sie derzeit einen Anstieg der jungen Betroffenen bei sich in der Praxis?
Ja, es gibt viele wesentlich Jüngere, die mit Krankheitsfällen zu mir kommen. Ich merke es an den Entdeckungsraten, wenn ich meine Patienten aus einem anderen Grund endoskopiere, dass sie bereits in jungen Jahren einige Vorstufen haben. Wenn wir die entfernen, kann sich zumindest an dieser Stelle kein Darmkrebs entwickeln.
Koloskopie ist gängig dafür. Gibt es abgesehen davon und darüber hinaus noch andere Untersuchungsmethoden?
Koloskopie ist nach wie vor der Goldstandard, weil sie Diagnose und Therapie in einem ist. Es gibt aber auch andere Methoden der Früherkennung wie etwa Tests auf Blut im Stuhl, den so genannten FIT-Test. Damit kann ich aber nur die Patienten mit den größeren Vorstufen von Darmkrebs herausfischen, weil die kleinen Vorstufen bluten noch nicht.marlene auer
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