Jedes zweite Kind vom Schulstart gestresst: Wie Eltern unterstützen können

In der ersten Zeit hilft Unterstützung durch die Eltern - auch bei älteren Kindern.
Ausschlafen, nach Lust und Laune spielen, länger aufbleiben: Die meisten Schülerinnen und Schüler konnten den Sommer über so richtig abschalten und die Ferien genießen. Doch der Schulstart rückt näher und mit ihm die Rückkehr zu Routinen, Hausaufgaben und Erwartungen. Laut einer aktuellen Umfrage unter 1.000 Eltern von Kindern im Alter zwischen sechs und 12 Jahren aus Deutschland fühlt sich jedes zweite Kind zum Start des Schuljahres gestresst. In Städten sind es sogar 60 Prozent der Eltern, die angeben, dass ihre Kinder vom Schulstart überfordert sind. Akademiker (60 %), Selbstständige (54 %) und Eltern mit hohem Einkommen berichten häufiger, dass ihre Kinder sich unter Druck fühlen.
Kinder- und Jugendpsychologin Vivien Kain kennt das aus der Praxis. „Wichtig ist, die Gefühle und Sorgen der Kinder ernst zu nehmen. In den meisten Fällen kann man über Vorbereitung und Vorhersehbarkeit Stress und Ängste verringern. Dazu zählt etwa, dass schon in der Woche vor dem Schulstart wieder eine Struktur eingeführt wird und die Schlaf- und Essenszeiten an die Abläufe im Schulalltag angepasst werden“, rät Kain.
Abläufe besprechen
Eltern können mit ihrem Kind darüber sprechen, wie die Abläufe gestaltet sein können, damit der Start gut gelingt, wann etwa die beste Zeit ist, um aufzustehen, wann das Haus verlassen wird, welche ersten Termine anstehen. Noch vor Schulbeginn können gemeinsam Materialien besorgt und vorbereitet werden. Das helfe sich einen Überblick zu verschaffen, was im kommenden Schuljahr benötigt wird, und gebe den Kindern eine gewisse Verantwortung und Sicherheit.
Generell sollten die Ferien Kindern zwar die Möglichkeit bieten, abzuschalten und zu entspannen. „Ab der zweiten Ferienhälfte darf aber auch wieder begonnen werden, bereits Erlerntes ein wenig aufzufrischen“, so Kain. Dazu zähle nicht nur klassischen Schulstoff in Erinnerung zu rufen, sondern auch kreativ zu werden, knifflige Aufgaben zu lösen, Bücher zu lesen oder über ein Ferientagebuch zum Schreiben zu animieren. Ein Familienkalender, der zentral in der Wohnung angebracht ist, hilft, den Überblick über anstehende Termine zu behalten.
Verunsicherung aus vorigen Schuljahren
Hat das Kind Erfahrungen mit Mobbing, Ausgrenzung oder Leistungsdruck gemacht, kann es am Schulanfang zu einer neuerlichen Verunsicherung kommen. „Es kann helfen, in den letzten Ferienwochen die Schulfreunde wieder zu treffen, etwa gemeinsam ins Bad zu gehen. Hat das Kind Ausgrenzungserfahrungen gemacht, kann schon im Vorfeld überlegt werden, wo Grenzen liegen und was das Kind tun könnte, mit welchen Bezugspersonen es sprechen könnte, wenn derartiges wieder auftritt“, sagt Kain.
Eltern sollten versuchen, ihr Kind positiv auf die Schule einzustimmen, etwa darüber zu sprechen, was ihm an der Schule gefällt, worauf es sich wieder freut, wen es wiedersehen wird. „In Bezug auf Leistungsängste kann helfen, dem Kind vor Augen zu führen, was es bereits geschafft hat, wie viel es kann und gelernt hat. Das Ziel ist Ängste ernst zu nehmen, gemeinsam auszuhalten und auch darüber zu sprechen, was helfen würde, wenn im Lauf des Schuljahres der Stress groß wird.“ Das könnte etwa eine Umarmung sein, eine Polsterschlacht, wildes Tanzen zum Lieblingslied. Kain: „Jedes Kind braucht etwas anderes, motorisch, auditiv oder visuell. Es hilft jedenfalls schon im Vorfeld ein Handwerkszeug zu haben.“
Freizeit nicht überladen
Gerade für Erstklässler, aber auch für Ältere gilt: die Freizeit nicht überladen. Kain rät zu einer fixen wiederkehrenden Freizeitaktivität pro Woche. Mit älteren Kindern sollte besprochen werden, was sie hinsichtlich ihrer Freizeit fortführen oder vielleicht ändern möchten.
„In den ersten Schulwochen kann verstärkte Unterstützung durch die Eltern helfen – auch bei Kindern, die schon länger in die Schule gehen, damit sie leichter wieder in den geregelten Alltag finden. Eltern sollten sich auch in Gelassenheit üben und nicht erwarten, dass sofort alles reibungslos funktioniert – eine Eingewöhnungsphase ist in Ordnung“, sagt Kain.
Die meisten Kinder brauchen etwa zwei bis maximal vier Wochen bis sie sich wieder in den Schulalltag einfinden. Wichtig sei im Gespräch zu bleiben und bei Warnsignalen wie Bauch- oder Kopfschmerzen in der Früh, anhaltenden Schlafstörungen oder Leistungsabfall vermehrt nachzufragen.
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