Auf Kriegsfuß mit dem eigenen Körper
Die körperdysmorphe Störung (KDS) ist eine krankhafte Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Betroffene beschäftigen sich ständig mit eingebildeten oder kaum erkennbaren Körpermakeln – häufig mehreren gleichzeitig und zumeist an sichtbaren Stellen wie Gesicht oder Kopf. Schätzungsweise zwei Prozent aller Menschen sind davon betroffen. In mehr als 80 Prozent der Fälle tritt KDS in der Pubertät oder im frühen Erwachsenenalter zum ersten Mal auf, häufig im Zusammenhang mit Essstörungen (z.B. Anorexie oder Bulimie) oder Depressionen.
Gewichtsschwankungen, wie im Fall von Robbie Williams, können ein Auslöser für die Körperbildstörung sein. "Aber im Grunde können sich Betroffene auf jedes beliebige Körperteil fixieren", erklärt die Innsbrucker Psychotherapeutin Ulrike Paul. Mal ist die Nase zu lang, sind die Schenkel zu dick, ist das Haar zu schütter.
Das Aussehen wird zum Zwang
So unterschiedlich die vermeintlichen Fehler, so breit die Symptomatik: Manche KDS-Patientinnen und Patienten kontrollieren stundenlang ihr Äußeres, versuchen den vermeintlichen Defekt zu verbergen und suchen bei anderen nach Bestätigung ihrer Meinung. Andere wiederum vermeiden es stets, in den Spiegel zu schauen und fühlen sich mit wahnhafter Überzeugung von anderen beobachtet, so die Expertin.
Die permanente Auseinandersetzung mit dem Äußeren führt für viele in die soziale Isolation. Hilfe aus dem Umfeld ("Das sieht man doch kaum") dringt nicht durch. Hobbys, Freunde und Beruf verlieren an Bedeutung. Auch die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit werden oft beeinträchtigt. Paul: "Das Leben ist für sie nicht mehr lebenswert.“ Häufig scheint eine Schönheitsoperation für Betroffene der letzte Ausweg zu sein. Allerdings: "Mit dem Resultat ist man danach meistens entweder nicht zufrieden oder es treten neue Unzufriedenheiten auf.“
Ursachen liegen in der Kindheit
Bei ihren Klientinnen und Klienten sieht die Psychotherapeutin die Ursachen oft in der Kindheit oder den familiären Umständen, etwa, wenn dem Aussehen eine übermäßig hohe Bedeutung beigemessen oder das Kind nicht ausreichend wahrgenommen wurde. Auch Mobbing oder Hänseleien können mögliche Auslöser sein. Eine große Rolle spielen zudem in den Medien und der Werbung vermittelte Schönheitsideale, erklärt Paul. Social Media habe zusätzlich einen enormen Konformitätsdruck aufgebaut – speziell bei den Jungen.
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Dass auch berühmte und von vielen Menschen als äußerst attraktiv wahrgenomme Personen wie Robbie Williams unter einer Körperbildstörung leiden, wundert die Expertin nicht. "Es sind nicht nur unsichere Menschen, die die Störung betrifft“, räumt sie mit einem Vorurteil auf. Zudem ergeben sich für Personen im Rampenlicht "viele Möglichkeiten, um das Aussehen ständig zu hinterfragen – und dann kommt bei jemandem plötzlich das Gefühl auf, dass man dem Ideal, das man von sich entworfen hat, vielleicht doch nicht entspricht".
Kann die Störung behandelt werden?
Gemeinsam mit KDS-Betroffenen versucht die Psychotherapeutin, via Verhaltenstherapie an Einstellungen und Überzeugungen zu arbeiten. "Ich schaue, aus welcher Mangelsituation in der Kindheit sich diese Störung entwickelt hat; auf welches emotionale Loch die vermeintlich zu lange Nase verweist.“
Ein weiteres Ziel sei, das Selbstwertgefühl zu stärken und "zwanghafte Gedankengänge und dysfunktionale Muster – wie den ständigen Blick in den Spiegel – zu unterbrechen“.
In den letzten Jahren hat Ulrike Paul zwar festgestellt, dass immer mehr Menschen mit körperdysmorpher Störung in ihre Praxis kommen. Die gestiegene Aufmerksamkeit für die psychische Erkrankung stimmt die Expertin dennoch optimistisch: "Der Körper lässt sich zwar nur bedingt verändern, das Körperbild dafür umso mehr.“ Solange es einen gewissen Widerspruch gebe, "also die Leute wissen, dass sie ihr Aussehen überbewerten, kann man helfen", ist sie überzeugt.
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Außerdem: "Zu wissen, dass man das Problem mit anderen teilt, nimmt Scham und weckt die Hoffnung, dass man etwas dagegen tun kann“, erklärt sie. Nicht zuletzt ließ auch Robbie Williams seine Leidensgenossen wissen: "Wenn sich jemand in meinen Worten wiederfindet, hilft es vielleicht uns beiden.“
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