Richtig gerüstet für die Reise: Wie Sie gesund in den Urlaub starten

Frau packt ihren Koffer inklusive eines medizinischem Paket
Gesund in den Urlaub starten und ebenso gesund wieder heimkehren. Wie das geht, sagt der Infektiologe und Tropenmediziner Marton Szell.

Reisen ist zwar heutzutage einfacher und selbstverständlicher denn je, gleichzeitig nehmen die gesundheitlichen Herausforderungen in vielen Regionen der Welt zu. Tropenerkrankungen, resistente Keime und regionale Ausbrüche bestimmter Infektionskrankheiten machen eine gezielte Vorbereitung unerlässlich. Was man auf Reisen beachten soll und wie man möglichst unversehrt aus dem Urlaub zurückkehrt, sagt der Facharzt für Infektiologie & Tropenmediziner Marton Szell von der Tropenordination am Heumarkt in Wien.

KURIER: Herr Dr. Szell, welche gesundheitlichen Risiken sehen Sie derzeit für Reisende in beliebte Urlaubsziele?

In den letzten Jahren haben in vielen tropischen und subtropischen Gebieten die Erkrankungen an durch Mücken übertragenen Viruserkrankungen deutlich zugenommen. Besonders hervorzuheben ist hier das Denguefieber, das für Touristen in Asien und Lateinamerika eine zunehmende Gefahr darstellt. Auch in Südeuropa gibt es bereits kleinräumige Ausbrüche, eben von Dengue- aber auch Chikungunyafieber. Derzeit gibt es vermehrte Meldungen über Oropouche-Fieber in einigen Ländern Lateinamerikas. In Südamerika treten aktuell wieder Fälle von Gelbfieber auf. Und auf La Réunion ist Chikungunya stark verbreitet.

Apropos Dengue bzw. Chikungunya gibt es hier neue Entwicklungen bzw. neue oder geänderte Empfehlungen zu Impfungen für bestimmte Länder?

Ja, es gibt mittlerweile in Europa zugelassene Impfstoffe gegen Denguefieber – und seit Kurzem auch gegen Chikungunya. Wie erwähnt ist letztere bei Reisen nach La Réunion empfohlen ebenso wie die Gelbfieber-Impfung vor Südamerika-Aufenthalten. Diese Impfstoffe stehen auch in Österreich zur Verfügung und können für Reisende in Endemiegebiete sinnvoll sein. 

Welche Impfungen sind grundsätzlich bei Fernreisen empfohlen?

Die Basis bilden weiterhin die Impfungen des Österreichischen Impfplans – dazu zählen unter anderem Impfungen gegen Tetanus, Masern oder HPV bei jungen Reisenden. Welche weiteren Impfungen im Einzelfall notwendig sind, hängt von der Reisedestination, der Art der Reise und der Dauer ab. Impfungen gegen Hepatitis A, Typhus, Tollwut oder Gelbfieber sind oft empfohlen.

Gibt es dennoch aktuell Regionen, von denen Sie aus medizinischer Sicht von einer Reise abraten würden?

Nein, aus rein medizinischer Sicht raten wir selten dezidiert von einer Reise ab. Gegen die meisten Erkrankungen gibt es Schutzmöglichkeiten – zum Beispiel durch Impfungen, Mückenschutz oder medikamentöse Prophylaxe. Entscheidend ist die individuelle Beratung und Vorbereitung vor der Reise.

Wie sinnvoll ist eine Malariaprophylaxe heute – und wann reicht Mückenschutz allein?

In Gebieten mit hohem Malariarisiko und schlechter medizinischer Versorgung, etwa in großen Teilen Afrikas südlich der Sahara, ist eine durchgehende medikamentöse Malariaprophylaxe weiterhin empfohlen. Jeder Reisende sollte über die Erkrankung und deren Gefahren gut informiert sein. Mückenschutz ist grundsätzlich immer sinnvoll, da auch andere Erkrankungen wie Dengue, Zika oder Chikungunya durch Mücken übertragen werden.

Wie groß ist derzeit die Gefahr durch Antibiotikaresistenzen bei Reisen in bestimmte Länder?

Antibiotikaresistenzen sind ein zunehmendes Problem – nicht nur auf Fernreisen. Bereits ein unbeabsichtigter Krankenhausaufenthalt in Süd- oder Osteuropa kann dazu führen, dass man mit hochresistenten Keimen besiedelt wird. In österreichischen Spitälern werden Patienten, die in den vergangenen Wochen im Ausland medizinisch behandelt wurden, daher vorsorglich isoliert. Wir hatten kürzlich den Fall einer Patientin, die zwei Tage nach ihrer Rückkehr aus Indien aufgenommen wurde. Bei ihr wurde ein Bakterium nachgewiesen, gegen das nur mehr ein einziges Reserveantibiotikum wirksam war.

Welche Rolle spielen Klimawandel und zunehmende Urbanisierung für reisemedizinische Risiken?

Eine sehr große. Viele Tropenkrankheiten werden durch Mücken übertragen, und diese brauchen eine gewisse Temperatur, um als Vektoren aktiv zu sein. Der Klimawandel trägt wesentlich zur Ausbreitung solcher Mückenarten bei. Ein typisches Beispiel ist die Aedes-Mücke (Anm. Asiatische Tigermücke), die sich durch die steigenden Temperaturen auch in Südeuropa etabliert und die auch bei uns in Österreich aufgrund der warmen Winter immer höhere Überlebenschancen hat. Damit gehen auch lokal begrenzte Ausbrüche von Dengue- oder Chikungunya-Fieber einher.

Was sollen vulnerable Personengruppen unbedingt wissen?

Totimpfstoffe sind bei immungeschwächten Personen in der Regel unproblematisch, können aber eventuell eine geringere Wirkung entfalten. Bei Lebendimpfstoffen, wie zum Beispiel der Gelbfieberimpfung, muss man bei Personen mit Immunschwäche oder älteren Personen sehr vorsichtig sein. Auch eine Malariaerkrankung kann bei immunsupprimierten oder älteren Reisenden rascher gefährlich werden – in diesen Fällen sollte man die medikamentöse Prophylaxe großzügiger einsetzen.

Also gerade vulnerable Gruppen wie ältere Menschen, Personen mit chronischen Erkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem sollten unbedingt eine reisemedizinische Beratung in Anspruch nehmen. Dabei geht es nicht nur um Impfungen, sondern auch um die Planung für Notfälle. Häufig können wir auch Empfehlungen geben, welche Reiseziele medizinisch besser geeignet sind.

Welche Empfehlungen geben Sie Familien mit kleinen Kindern?

Bei Kindern unter drei Jahren sollte man Reisen in Gebiete mit schlechter medizinischer Versorgung besonders kritisch hinterfragen. Eine einfache Durchfallerkrankung kann bei Kleinkindern schnell zu gefährlicher Dehydrierung führen. Ein weiteres Thema sind Tierbisse – etwa durch Hunde. In vielen Ländern gibt es keine ausreichende Versorgung mit Tollwutimpfstoffen. Daher ist es sinnvoll an eine Tollwutimpfung vor der Reise zu denken.

Infektiologe und Tropenmediziner Marton Szell

Infektiologe und Tropenmediziner Marton Szell

Welche medizinischen Herausforderungen ergeben sich bei Langzeitreisen oder Work & Travel?

Langzeitreisende haben ein erhöhtes Risiko für tropische Erkrankungen. Das liegt nicht nur an der längeren Aufenthaltsdauer, sondern auch daran, dass die Vorsichtsmaßnahmen im Laufe der Zeit oft nachlassen – etwa beim Mückenschutz oder beim Kontakt mit Tieren. Für bestimmte Reiseziele sind Impfungen gegen Tollwut, Denguefieber oder Japan-B-Enzephalitis empfehlenswert.

Was gilt für Rucksackreisende?

Rucksackreisende sind oft in sehr einfachen Bedingungen unterwegs, was das Risiko für Erkrankungen wie Typhus, besonders am indischen Subkontinent, erhöht. Wer in abgelegenen Gebieten unterwegs ist, sollte auch eine erweiterte Reiseapotheke mitführen – angepasst an mögliche medizinische Notfälle und die eingeschränkte Versorgungslage vor Ort.

Noch ein letzter Tipp gegen Durchfall und Insektenstiche? 

Bei Durchfall sollte man die Faustregel „Peel it, boil it, cook it or forget it“ beachten. Beim Mückenschutz vergessen viele, dass die Überträgermücken von Denguefieber vor allem tagaktiv sind – nicht wie die Malariamücken, die nachts stechen. 


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