Plasmaspenden in der Krise: Warum Österreich dringend mehr Spender braucht

Ein Mann spendet Plasma im Plasmaspendezentrum.
Seit der Pandemie sind Plasmaspenden zurückgegangen. Sie werden dringend für die Behandlung von Erkrankungen, aber auch bei Unfällen und Verbrennungen benötigt.

Rund 60.000 Menschen in Österreich werden jährlich mit Medikamenten auf Basis von Blutplasma behandelt. Die Präparate werden etwa bei Blutgerinnungsstörungen, der Bluterkrankheit (Hämophilie), bei Immundefekten aber auch bei Unfällen mit schweren Blutungen oder bei Verbrennungen benötigt. Ohne plasmabasierte Medikamente könnten viele Betroffene nur ein eingeschränktes Leben führen oder gar nicht leben. 

Hergestellt werden sie mithilfe von Plasmaspenden. Doch während der Bedarf an Plasmaprodukten steigt, verzeichnen Plasmaspendezentren seit Jahren einen Rücklauf. Wurden im Jahr 2019 noch knapp 500.000 Liter Blutplasma gespendet, waren es 2023 nur noch rund 400.000 Liter – das ist ein Rückgang um 20 Prozent. "Nicht nur die Anzahl der Spenden hat abgenommen, auch die Zahl der Spenden pro Person ist im Schnitt zurückgegangen. Aktuell kommen Spender rund elf Mal pro Jahr in ein Plasmaspendezentrum – möglich wäre 50 Mal pro Jahr", sagt Christian Scherr, Vorsitzender der IG Plasma in Österreich und Leiter von BioLife Europe, ein Unternehmen, das 14 Spendezentren in Österreich betreibt und Teil des Pharmakonzerns Takeda ist. Insgesamt gibt es in Österreich 24 Zentren. 

Pandemie ließ Plasmaspenden zurückgehen

Ein Grund für die nachgelassene Plasmaspendebereitschaft wird in der Pandemie gesehen. Geänderte Lebensgewohnheiten, etwa vermehrtes Home Office, führen laut Scherr dazu, dass der Weg ins Plasmaspendezentrum nicht mehr so oft erfolgt. "Viele haben das Plasmaspenden am Weg in die Arbeit oder nachhause eingebaut. Auch bei Studenten gibt es mehr virtuelle Vorlesungen und weniger Anwesenheitsnotwendigkeit", meint Scherr. Spendenberechtigt sind alle, die in Österreich leben, und zwischen 18 und 60 Jahre alt sind sowie mindestens 50 und maximal 150 kg wiegen. Einzelne Erkrankungen, z. B. Krebs- und Autoimmunerkrankungen sind ein Ausschlussgrund für eine Plasmaspende. Bei manchen Behandlungen, etwa einer Darmspiegelung, müssen gewisse Abstände, z. B. vier Monate, bis zur Spende eingehalten werden. 

Laut Scherr spenden vor allem Menschen bis 35 Jahre, die in Städten leben. Studenten seien überproportional vertreten. Alle Spender erhalten eine Aufwandsentschädigung, die je nach Zentrum mindestens 30 Euro beträgt. Bei mehrmaligem Spenden gibt es in manchen Zentren zusätzlich 45 Euro an Aufwandsentschädigung. Dies ist gesetzlich reglementiert. Scherr: "Der Betrag ist eine Kompensation für den Zeitaufwand, man kann damit nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten. In Europa ist die Höhe der Aufwandsentschädigung stark reglementiert. In anderen Ländern, etwa in den USA, sind höhere Beträge möglich." 

Europa ist laut Scherr hinsichtlich des Plasmabedarfs nicht selbstversorgend. "Aktuell sind wir zu 40 Prozent vom amerikanischen Plasma abhängig. Mittels einer neuen Verordnung sollen künftig auch europäische Staaten, die noch kein Plasmaspendesystem haben, eines betreiben, da wir wissen, dass der Bedarf weiter steigen wird."

Blut wird gefiltert, Teile gehen zurück in den Spender

Anders als bei einer Blutspende, die etwa 15 Minuten dauert, muss man bei der Plasmaspende rund 60 Minuten einplanen. Zunächst wird Blut abgenommen und festgestellt, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine Spende erfüllt sind. Im Zuge dessen erhält der Spender aktuelle Laborwerte und durch die medizinische Betreuung bei regelmäßigem Spenden auch eine kontinuierliche Überwachung seines Gesundheitszustands. 

Anschließend wird über die Vene mittels der sogenannten Plasmapherese Blut abgenommen. Im Gegensatz zur Vollblutspende beim Roten Kreuz wird nur der flüssige Bestandteil des Blutes benötigt. Die Plasmapherese filtert das Blut – über ein steriles Einmal-Schlauchsystem mit integrierter Zentrifuge werden die Blutzellen und das Plasma voneinander getrennt. Das Plasma wird in einem Beutel gesammelt, die restlichen Blutbestandteile fließen zurück in den Körper des Spenders. 

Plasmaspenden ist nicht gesundheitsschädlich, sagt Günther Körmöczi, Stellvertretender Leiter der Uniklinik für Transfusionsmedizin und Zelltherapie am AKH Wien. "Auf Spendermedizinseite wird alles darangesetzt, dass die Plasmaspende sicher ist. Das Verfahren basiert auf vielen Jahren Erfahrung. Wenn man gesund ist, werden die Proteine, die im gespendeten Plasma enthalten sind, schnell wieder nachgebildet", betont Körmöczi. Langzeitfolgen seien nicht zu erwarten. Bei regelmäßigen Spendern könne es zu Vernarbungen der Vene kommen, allerdings eher dann, wenn jemand veranlagungsbedingt dünne oder schlechten Venen habe. 

"Ohne Spender geht es nicht"

Das gesammelte Plasma wird tiefgefroren, später mit anderem Plasma zusammengeführt und zu Medikamenten weiterverarbeitet. Im Schnitt dauert es sieben bis elf Monate bis aus Plasmaspenden ein Medikament entstanden ist. "Jedem kann im Handumdrehen etwas passieren, zum Beispiel ein Unfall mit starkem Blutverlust, bei dem wir auf Blut und Blutplasmaprodukte angewiesen sind, oft in großen Mengen. Ohne Spender geht es nicht – die moderne Medizin ist ohne Blutkomponenten nicht denkbar", so Körmöczi. 

Doch auch das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) verzeichnet Rückgänge bei der Blutspendebereitschaft: Im Jahr 2023 wurden rund 216.200 Blutspender verzeichnet, das sind 3,4 Prozent der Bevölkerung im spendenfähigen Alter, – im Jahr davor waren es noch rund 223.500. "Wir wissen, dass der demografische Wandel eine große Herausforderung für die Blutspendedienste darstellt. Die Babyboomer-Generation, die engagiert und regelmäßig spendet, darf bald nicht mehr Blut spenden (Blutspenden ist vom 18. bis zum 70. Geburtstag erlaubt, Anm.), wird jedoch in Zukunft vermehrt auf Blutkonserven angewiesen sein", heißt es in einem Statement des ÖRK. Vor allem junge Erstspender seien gefragt. 

Künstliche Herstellung von Plasma ist "nicht vorstellbar"

Bei der Vollblutspende, die bei Frauen vier- bis fünfmal pro Jahr erfolgen darf, bei Männern bis zu sechsmal jährlich, wird das Blut anschließend ebenfalls in Erythrozyten und Plasma getrennt. Der Großteil des so gewonnenen Plasmas wird laut ÖRK an spezialisierte Einrichtungen weitergegeben, die es aufbereiten. Zum Teil wird es an Krankenhäuser geliefert, wo es direkt bei Patienten eingesetzt wird. "Das über diesen Bedarf der Krankenhäuser hinausgehende Plasma, welches aus Vollblut entsteht, wird an weiterverarbeitende Firmen zur Erzeugung von Arzneimitteln weitergegeben", heißt es beim ÖRK. 

Derzeit gibt es keine Möglichkeit, Plasma künstlich herzustellen. "Das ist auch auf längere Sicht nicht vorstellbar, da die einzelnen Gerinnungsfaktoren und Proteine in ihrer Zusammenwirkung komplex sind und ihre Mischung synthetisch nicht gut abzustimmen ist", sagt Transfusionsmediziner Körmöczi. Auch Christian Scherr schließt die künstliche Herstellung aus. "Die Plasmaspenden vieler verschiedener Menschen kommen in einen gemeinsamen Pool, sodass im Endprodukt unterschiedliche Stärken ihrer Immunsysteme, unterschiedliche Immunparameter abgebildet sind. Es ist nicht möglich, das künstlich herzustellen – Blutplasma ist eine unverzichtbare Säule der Gesundheitsversorgung und wir appellieren an alle in Österreich in ein Plasmaspendezentrum zu kommen", so Scherr. 

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