Pandemie-Trauma: So haben sich die Covid-Jahre auf Ärztinnen und Ärzte ausgewirkt

Pandemie-Trauma: So haben sich die Covid-Jahre auf Ärztinnen und Ärzte ausgewirkt
Konnten Ärzte die außergewöhnlichen Situationen bewältigen oder hat ihre psychische Gesundheit dabei gelitten? Eine Studie gibt Antworten.

Dauerbelastung, Stress, Hilflosigkeit. Die Corona-Pandemie hat Ärztinnen und Ärzte auch mental enormen Belastungen ausgesetzt. Um die Auswirkungen dieser Zeit auf Medizinerinnen und Mediziner zu untersuchen, führte das deutsche Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) und die Ärztekammer Westfalen-Lippe eine Studie durch, deren Ergebnisse nun im Fachmagazin Nature Scientific Reports publiziert wurden. 

„Im zweiten Jahr der Pandemie wurde immer häufiger von überlasteten und erschöpften Ärzt:innen berichtet. Um das Problem mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen, haben wir diese systematische Studie durchgeführt“, erklärt Studienleiter und Kardiologe Andreas Goette. „Bei der Datenauswertung haben uns auch folgende Fragen interessiert: Wie unterscheiden sich die Auswirkungen der Pandemie bei Klinikärzt:innen und Niedergelassenen? Ist langjährige Berufserfahrung hilfreich, um mit diesem Stress klarzukommen? Gibt es beim Einfluss der Pandemie auf das ärztliche Handeln geschlechtsspezifische Unterschiede?“

1.476 ärztliche Mitglieder der Ärztekammer Westfalen‐Lippe nahmen an der Online-Befragung teil, die Ende 2021 über einen Zeitraum von sechs Wochen durchgeführt wurde. Sie beantworteten Fragen zu ihrer Lebenssituation, zu den von ihnen behandelten Patient:innen sowie zu den Belastungen, denen sie selbst ausgesetzt waren.

Von den Befragten hatten 1.139 selbst Covid-19 Patient:innen behandelt. Etwa die Hälfte dieser Ärzt:innen war in Kliniken tätig (586), die andere Hälfte in Praxen (553). Sie arbeiteten in den Fachgebieten Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie sowie Kinder- und Jugendheilkunde.

Emotionale Belastung

Covid-19 führte im Arbeitsalltag zu Konflikten mit den medizinisch-ethischen Grundsätzen. Mehr als ein Drittel der Befragten, vor allem Niedergelassene, fühlte sich durch externe Zwänge in ihrer ärztlichen Arbeit behindert. Fast die Hälfte (48 Prozent) der Klinikärzt:innen und gut ein Viertel (27 Prozent) der Niedergelassenen berichteten über Fälle, in denen sie große Schwierigkeiten hatten, die Patientenwürde zu wahren.

Auf dem Gipfel der vierten Welle der Pandemie litten bemerkenswert viele der befragten Mediziner:innen, nämlich je ein Viertel an einer Depression (23 Prozent) oder einer Angststörung (24 Prozent). Ein Vergleich mit Studien zu Beginn der Pandemie zeigt einen Anstieg der emotionalen Belastung.

Mehr als die Hälfte (63 Prozent der Klinikärzt:innen und 53 Prozent der Niedergelassenen) äußerte ein Gefühl der Hilflosigkeit. Die Mehrheit klagte über Schlafprobleme. Besonders betroffen waren Frauen und Ärztinnen und Ärzte mit nur wenigen Jahren medizinischer Berufserfahrung.

Der Co-Autor der Studie, Psychosomatiker Karl-Heinz Ladwig fasst zusammen: „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen deutlich: Die Pandemie und insbesondere die Behandlung von Covid-19-Patient:innen hatte gravierende Folgen für die ärztliche Arbeit in Kliniken und Praxen. Teilweise wurde das ärztliche Handeln in seinen ethischen Grundzügen in Frage gestellt. Die traumatisierenden Arbeitsinhalte gingen auch an erfahrenen Mediziner:innen, die es eigentlich gewohnt sind, schwierige Situationen zu meistern, nicht spurlos vorüber, sondern führten bei vielen in einem so nicht erwarteten Umfang zu seelischen Problemen und Einbrüchen in der psychischen Gesundheit. Wie wir sehen, konnten sich die Ärzt:innen im Lauf der Pandemie nicht an die Situation anpassen, sondern im Gegenteil, die emotionalen Belastungen haben mit der Zeit zugenommen. Emotionale Störungen unter Ärzt:innen haben ein kritisches Ausmaß erreicht.“

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