Plasmaspende in der Krise: Österreich kämpft gegen rückläufige Spenden

Ein Mann spendet Blutplasma, während das Blut durch Schläuche in eine Maschine und einen Behälter fließt.
Österreich ist im Bereich der Plasmaspende europaweit führend tätig. Die sinkende Spendenbereitschaft und die Umsetzung einer neuen EU-Verordnung stellen das heimische System vor Herausforderungen.

Marco Schreiner weiß, was es heißt, wenn das eigene Leben von Plasmaprodukten abhängt. Nach einem schweren Autounfall lag er sieben Monate im Koma. Seine Überlebenschancen waren gering – und unter anderem abhängig von Plasmaspenden

Durch die Hilfe unbekannter Spenderinnen und Spender konnte Schreiners Leben gerettet werden. Inzwischen engagiert er sich selbst seit vielen Jahren als Spender. "Wer einmal auf der anderen Seite war, weiß, dass jede Spende ein Stück Hoffnung und Zukunft für einen anderen Menschen bedeutet", erklärte der 48-Jährige am Donnerstag bei einer Pressekonferenz anlässlich der diesjährigen Plasma Awareness Woche. Trotz bereits weit über 1.000 geleisteter Spenden, ist für ihn lange noch nicht Schluss.

Spendenbereitschaft in der Bevölkerung sinkt

Seine Spenden gibt Schreiner im Salzburger Biolife-Plasmazentrum ab. Dort werden seit vielen Jahrzehnten Plasmaspenden gesammelt, die in der Folge für die Produktion wichtiger Therapien genutzt werden. "In Österreich sind über 60 verschiedene Therapien aus Blutplasma zugelassen, in manchen Fällen ist Plasma sogar die einzige Behandlungsmöglichkeit", erklärt Zentrumsmanagerin Elisabeth Maier. 

Blutplasma wird vor allem bei Transfusionen eingesetzt, um Menschen nach Unfällen mit schweren Blutungen zu helfen. Es wird auch zur Behandlung von Blutgerinnungsstörungen verwendet, indem fehlende Gerinnungsfaktoren ersetzt werden. Darüber hinaus ist Blutplasma unverzichtbar für die Herstellung wichtiger Medikamente wie Immunglobuline, die Infektionen und Autoimmunerkrankungen bekämpfen. Plasma kann nicht künstlich hergestellt werden. Die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung ist deshalb von hoher Relevanz.

Die Zahl der Spenden ist in Österreich allerdings seit Jahren rückläufig. 2019, im Jahr vor der Pandemie, wurden noch fast 500.000 Liter Blutplasma gespendet. 2023 waren es nur noch rund 400.000 Liter – ein Rückgang um 20 Prozent. Es sei immer schwieriger, Menschen für eine Plasmaspende zu motivieren, heißt es vonseiten der heimischen Plasmaspendenzentren.

Aufwandsentschädigung für Spende erhöht

Stichwort Motivation: Immer wieder wird über die Höhe der finanziellen Aufwandsentschädigung diskutiert, die Plasmaspenderinnen und -spender erhalten. Derzeit bekommt man in Österreich 40 Euro pro Spende. "Dieser Betrag ist eine Entschädigung für den Zeitaufwand und wurde erst heuer angehoben, um auch der Inflation Rechnung zu tragen", erklärt Maier. 

Josef Smolle, Facharzt für Dermatologie und Venerologie und langjähriger Rektor der Med Uni Graz, spricht von einem Balanceakt. "Ist die Aufwandsentschädigung zu gering, läuft man Gefahr, dass es zu wenig Plasmaprodukte gibt. Ist sie überproportional hoch, kann sie für Menschen in prekären Lebenssituationen zur Einnahmequelle werden, was es zu vermeiden gilt", sagt Smolle, auch ehemaliger Gesundheitssprecher der ÖVP. Mit der Festsetzung der Höhe der Entschädigung bewege man sich ohnehin nicht im luftleeren Raum, betont Maier. "Es gibt hier klare Vorgaben, an die wir uns halten müssen."

Neue EU-weite Verordnung

Um das Plasmaspendesystem langfristig abzusichern, brauche es laut Maier neben einem Bewusstsein für die Wichtigkeit der Spende auch die richtigen Rahmenbedingungen. Die SoHO-Verordnung (Substances of Human Origin) soll künftig EU-weit einheitliche und strengere Standards für Sicherheit und Qualität im Transfusionswesen einrichten. Auch der Austausch zwischen den Mitgliedsländern soll gefördert, Innovationen erleichtert und Digitalisierung vorangetrieben werden. Kritik gibt es am potenziell erhöhten administrativen Aufwand und der Entstehung möglicher Parallelstrukturen zu bestehenden Systemen.

"Wir müssen darauf achten, dass die Umsetzung der Verordnung das funktionierende System in Österreich stärkt", betont Smolle. Bei gelungener Integration der neuen Richtlinien könne die Plasmaversorgung "noch sicherer und zukunftsfester" werden.

Was viele nicht wissen: Österreich ist in Sachen Plasmaspende Vorreiter in ganz Europa. So eröffnete Österreich etwa als erstes Land in Europa vor 60 Jahren private Plasmaspendezentren. Seither hat man die Entnahme, Verarbeitung, Logistik, Versorgung und Forschung von Plasma professionalisiert. Davon profitiert auch die heimische Wirtschaft, sagt Christian Scherr, Leiter von Biolife Europa: "Österreich ist das zweitgrößte Plasmafraktionierland (Plasmafraktionierung ist das Verfahren zur Gewinnung von Proteinen aus menschlichem Blutplasma, Anm.) nach den USA. Die heimische Plasmaindustrie trägt über 10.000 Arbeitsplätze."

Versorgung der Spenderinnen und Spender

Ramona Darabant, Allgemeinmedizinerin und Ärztliche Leiterin des Biolife-Plasmazentrums Wr. Neustadt, betont unterdessen die Bedeutung einer gewissenhaften Versorgung der Spenderinnen und Spender. "Anders als die Blutspende ist die Plasmaspende bis zu 50-mal im Jahr möglich. Das bedeutet aber nicht, dass jeder ohne weiteres 50-mal spenden sollte." Für jeden Menschen würden individuelle Grenzen gelten, "die unsere Ärztinnen und Ärzten in den Plasmazentren genau berücksichtigen". 

Neben umfassender Beratung und Aufklärung im Vorfeld sei eine medizinische Untersuchung Herzstück der Betreuung. "Wir untersuchen Erst- und Dauerspender regelmäßig im Rahmen von kostenlosen Gesundheitschecks. Dabei entdecken wir immer wieder auch frühzeitig gesundheitliche Probleme oder Erkrankungen, etwa Melanome oder Herzrhythmusstörungen." 

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